(52:59, CD, InsideOut Music / Sony Music, 2017) Nach Nad Sylvans Umwerben der Witwe ("Courting The Widow") auf dem ersten Album, ist dieses mal die Braut dran, die jedoch nicht so recht will. "The Bride Says No" knüpft inhaltlich und stilistisch auf den Vorgänger mit einer im 17. Jahrhundert angesiedelten Vampirgeschichte an und ist als dessen Fortsetzung zu betrachten. Interessanterweise geht die Entstehungsgeschichten des Songmaterials teils bis in die späten 80er zurück. Aber erst jetzt passten alle Puzzleteile aus neuen Ideen und Fragmenten der Vergangenheit schlüssig zusammen. Musikalisch wird hier eine deutliche Dosis Retroprog und sinfonischer Rock aufgefahren, dennoch verfügen die Songs über zeitgemäße…
Autor: Kristian Selm
(63:49, CD, Cuneiform Records, 2017) 2002 erschien "Such Fine Particles Of The Universe", das Debüt der Band Bubblemath aus Minnesota. Jetzt, knapp 15(!) Jahre später, folgt "Edit Peptide". Wie beim Erstling fährt das Label Cuneiform schweres Werbegeschütz auf. Echolyn und Umphrey's McGee werden für die Vokalharmonien herbeizitiert, während man u.a. Beardfish, Mr.Bungle und Bent Knee bei Musikalität und Experimentierfreudigkeit als Orientierungshilfen erwähnt. Die Vergleiche und Vorschusslorbeeren sind nicht zu wild und abwegig gewählt, denn einige Zutaten der jeweiligen Bands findet man hier tatsächlich in sehr eigenständiger Interpretation. Chaotisch, abgehackt, sprunghaft, aber trotzdem flüssig und mit melodischen, kunstvollen Pop-Motiven durchzogen, wird man hier von mitreißender vokaler und instrumentaler Virtuosität…
(38:24, CD, Cuneiform Records, 2017) Nach über sechsjähriger Auszeit kehren Cheer-Accident zurück. Das Quartett aus Chicago um die beiden kreativen Köpfe Thymme Jones (Schlagzeug, Gesang, Piano, Trompete, Keyboards, Gitarre, Noise) und Jeff Libersher (Gitarre, Trompete, Gesang, Keyboards) steht in erster Linie für Avant-Prog, jedoch beginnt ihr aktueller Longplayer "Putting Off Death" erstaunlich zugänglich und geradezu fragil. Doch dauert es nur knapp vier Minuten, bis beim Opener "Language Is" Schrägheit, treibende Rhythmik und unberechenbare Dynamik zum Tragen kommen. Cheer-Accident stehen auf ihrem mittlerweile 18. Longplayer immer noch für dissonante Experimentierfreude, gewollte Unvorhersehbarkeit und einen gewissen düsteren Unterton. Dennoch findet sich in den Klängen der Amerikaner…
(43:45, CD, Superball Music / Sony Music, 2017) Hin und wieder kann es von Vorteil sein, ohne jegliche Vorabinfos in ein Album reinzuhören. Bei Bullet Height war der erste Eindruck: Das klingt aber verdammt nach einer recht überdrehten Version der aufgelösten Pure Reason Revolution in deren letzter Phase. Und siehe da: Richtig geraten, denn ein Teil des mittlerweile in Berlin residierenden Duos ist Jon Courtney, der ehemalige kreative Kopf von Pure Reason Revolution. Die Geschichte dahinter geht in Kurzform so: Nach dem abrupten und enttäuschenden Ende von Pure Reason Revolution zog es den Engländer von London nach Berlin, wo er die ebenfalls dort…
(52:21, CD, Cuneiform Records, 2017) Es gehört zum guten Service bei den Presseinfos von Cuneiform Records, dass man dort gleich mal die passende Stilrichtung vorgibt. Bei Miriodor hat man diesbezüglich Dreierlei parat, nämlich Rock, Avant Progressive und Rock In Opposition. Die Band sieht die Sache etwas abgehobener, wie es Keyboarder Pascal Globensky mit folgender Aussage manifestiert: "Metaphorisch gesprochen ist Miriodor ein Planet, bei dem die Außerirdischen auf mysteriöse Weise mit dem Planeten Erde kommunizieren". Aha. Nun ist die Gruppe aus Montreal beileibe kein unbeschriebenes Blatt, "Signal 9" ist schon das neunte Album seit den frühen 80ern. Miriodor lassen sich aus Sicht des Rezensenten eindeutig der R.I.O.-Bewegung (Rock In…
(68:54, CD, Anubis Music, 2017) Mit seinem vierten Studioalbum "The Second Hand" positioniert sich das australische Sextett Anubis einmal mehr recht souverän im Bereich des zeitgemäßen Artrock. Verpackt in ein Erzählformat, geht es beim aktuellen Werk in der virtuellen Story um den Abstieg des alternden und kränkelnden Medienmoguls James Osbourne-Fox. Während man sich inhaltlich vor allem mit Medienkritik und Selbstreflexion auseinandersetzt, wird dies musikalisch in ein melodiös-progressives Format verpackt, in einen gut austarierten Mix aus hymnischen und fragilen Passagen. Mehr als ein Jahr dauerten die Aufnahmen, bis die Formation aus Sydney allem den finalen Feinschliff verpasst hatte. Während die Band im ersten Teil vor allem…
(64:03, CD, Cherry Red Records / Esoteric Antenna, 2017) Mit ihrem aktuellen Studialbum "Into The Woods" setzen die Spacerock-Urväter Hawkwind die düstere Endzeit-Geschichte des Vorgängers "The Machine Stops" fort. Nach ständigen Umbesetzungen und diversen stilistischen Wirren scheint Hawkwind-Mastermind Dave Brock inzwischen wieder mehr Stabilität gefunden zu haben. Zwar hat sich auch auf "Into The Woods" einmal mehr das Personalkarussell gedreht, doch das Grund-Line-up des vorigen Albums mit Dave Brock (Gesang, Gitarre, Keyboards, Synthesizer, Theremin), Haz Wheaton (Bass, Keyboards), Richard Chadwick (Schlagzeug, Gesang) und Jonathan Darbyshire a.k.a. Mr. Dibs (Gesang, Keyboards, Synthesizer) ist gleich geblieben. Mit Magnus (Keyboards, Gitarre) und vor…
(54:26, CD, InsideOut / Sony Music, 2017) Da seine sonstigen Bandprojekte wie It Bites, Frost* oder Arena sich gerade kurze bzw. längere Auszeiten nehmen, legt John Mitchell zwei Jahre nach "Please Come Home" ein weiteres Album unter dem Banner Lonely Robot vor. Der umtriebige Gitarrist und Sänger setzt wiederum auf hymnischen Hochglanz-Powerpop und Sinfonik Rock, dem eine gehörige Prise Bombast und zeitgemäße Sounds hinzugemischt werden. Beim Begriff "Pop" sollten beim geneigten Leser nicht gleich alle Alarmglocken schrillen, denn es ist heutzutage immer noch möglich, eingängige Melodien mit ansprechender Ästhetik und Tiefgang zu produzieren. Da hier vor allem die Gitarre druckvoll den Sound bestimmt…
(57:45, CD, InsideOut Music / Sony Music, 2017) Nachdem sich Steve Hackett in den letzten Jahren vor allem auf seine Genesis-70er-Historie konzentriert hat, wartet er jetzt wieder mit frischem Solomaterial auf. Bereits mit dem 2015er-Werk "Wolflight" bewies der Brite seine immer noch vorhandene musikalische Relevanz, mit dem aktuellen Werk "The Night Siren" führt er seine Erfolgsgeschichte auf beachtenswerten Niveau fort. Während man andere Musiker seines Alters bei deren aktuellen Veröffentlichungen oftmals im virtuellen Alterruhestand wähnt, brennt in Hackett immer noch Feuer und die Leidenschaft, neue Dinge auszuprobieren. Einmal mehr beruft er sich dabei nicht nur auf seine progressive Vergangenheit, sondern er versetzt seine weitgehend sehr…
(50:27, CD, The Laser's Edge, 2017) In den frühen 90ern gehörten die norwegischen White Willow neben den schwedischen Kollegen Änglagård und Anekdoten zu den angesagten Retroprog-Interpreten aus Skandinavien. Jede Band nahm danach ihren ganz eigenen Weg: Anekdoten flirteten vermehrt mit Alternative Rock, bevor ihnen 2015 mit "Until All The Ghosts Are Gone" ein fulminantes Prog-Comeback glückte. Änglagård nahmen sich relativ lange Auszeiten, blieben aber ihrem Retro-Stil mehr oder weniger treu. Bei White Willow blieb über all die Jahre Bandleader Jacob Holm-Lupo die einzige Konstante im variablen Gefüge, während White Willow einen eigenenständigen Weg zwischen melancholischem Prog, nordischem Folk, Hard Rock und leichten Gothic-Anleihen suchten.…
(36:24, CD, Tempus Fugit / SPV, 2017) Seit vielen Jahren werkeln King Crimsons Schlagzeuger Pat Mastelotto sowie Gitarrist und Produzent Markus Reuter in diversen Formationen zusammen, unter anderem bei The Crimson ProjeKCt, Stick Men und Tuner. Auf dem aktuellen Album "Face" firmieren sie nicht mehr unter einem Projektnamen, sondern benutzen die eigene Nomenklatur. Das mag damit zusammenhängen, dass sie für die Fertigstellung von "Face" knapp zehn(!) Jahre benötigten bzw. für den mehr als 36-minütigen Mammut-Track eine Plattform wählen wollten, die keinen direkten Bezug zu bisherigen Kooperationen herstellt. Obwohl das mit einem surrealen Artwork von Adam Jones (Tool) präsentierte Werk eine sehr eigenständige musikalische Reise repräsentiert, scheinen doch immer wieder jene leicht crimsonesken, elektronischen…
(54:09, CD, New Music Green Tree, 2017) Jeder Bewunderer sinfonischen Progressive Rocks der 70er-Jahre stößt irgendwann auf formidable Kleinode wie "Four Moments" von Sebastian Hardie, das namenlose Debüt von Maxophone und unweigerlich auf "Garden Shed" von England. Die Band lieferte mit ihrer einzigen Platte ein veritables Kultalbum ab, das sich vor Veröffentlichungen namhafter Genre-Größen jener Ära keineswegs zu verstecken brauchte. England hatten jedoch das Pech, etwas zu spät - nämlich erst 1977 - auf den Plan zu treten. Zu einer Zeit also, als Progressive Rock auf dem absteigenden Ast war und Punk frischen Wind in die Musikszene blies. Da nützte es auch nichts, dass die Band beim damals recht bekannten Arista-Label landete. Die Gruppe…
(52:00, CD, InsideOut Music / Sony Music, 2017) Hinter The Mute Gods scheint doch etwas mehr als nur ein kurzfristiges Projekt zu stecken. Denn knapp ein Jahr nach dem formidablen Debüt "Do Nothing Till You Hear From Me" liegt bereits das Nachfolgewerk des Trios mit Nick Beggs, Roger King und Marco Minnemann vor. Die Band beschäftigt sich hier mit menschlichen Befindlichkeiten und der Zerbrechlichkeit der Weltordnung. Auch wenn sie dementsprechend musikalisch etwas düsterer, melancholischer und in Nuancen deutlich härter unterwegs ist, gelingt doch einmal mehr ein spannungsgeladener Ritt zwischen diversen Stilen. Ob nun poppige, griffige Melodien, vertrackte Instrumentalpassagen oder wuchtiger, tiefgründiger Art- und Progressive…
(58:52 + 54:53, CD, Cuneiform Records, 2017) Ein etwas schräger Humor gehört seit jeher zum guten Ton der Ed Palermo Big Band. Das Album hält, was der ironische Albumtitel verspricht. Es bietet nämlich fast ausschließlich Titel der britischen Musikinvasion der 60er und 70er, von einem 18-köpfigen Ensemble jazzig swingend neu interpretiert. Beschäftigte sich Saxophonist, Komponist und Arrangeur Ed Palermo aus New Jersey in der Vergangenheit vor allem mit dem Oeuvre von Frank Zappa, so präsentiert er auf diesem Doppeldecker in gewohnter Bigband-Manier einen recht bunten Strauß wunderbarer Melodien und Lieder, die ein sehr breit gefasstes Spektrum von u.a. The Beatles ('Eleanor Rigby', 'Tomorrow Never Knows', 'Don't Bother…
(45:00, CD, Cuneiform Records, 2017) Cuneiform Records geben der schreibenden Zunft auf ihren Presseinfos immer knappe HInweise dazu, wie man ein Album einordnen kann. Bei den seit den frühen 80ern existierenden Thinking Plague tut sich das Label damit schwer. Es liefert als Stilbeschreibungen gleich mehrere Begriffe, nämlich Rock, Avant-Progressive, Art Rock, Post Rock, Post Classical. Diese Vielseitigkeit ist der große Vorteil der amerikanischen Band um Gitarrist und Bandleader Mike Johnson, darin liegt ihr hoher Überraschungsfaktor. Im Englischen gibt es für ihre Musik den recht passenden Begriff "wacky", was man mit verdreht, verrückt, exzentrisch oder auch schrullig übersetzen kann. Genau so ist sie, die Musik von Thinking…
(55:17, CD, Superball Music / Sony Music, 2017) Rockmusik mit Flamenco-Einfluss funktioniert sehr gut , das haben Prog-Bands von der iberischen Halbinsel wie Alameda, Azahar, Cai und Triana bereits in den 70ern bewiesen. Diese nur scheinbaren Gegensätze greifen nun auch die Instrumentalrock-Band Toundra und der Flamencokünstler Niño de Elche unter dem Projektnamen Exquirla auf. Sie trafen bei einem Festival in Cadiz erstmals aufeinander und waren voneinander so fasziniert, dass sie anschließend gemeinsam bei einer Veranstaltung des spanischen Rockmagazins Mondosonoro spielten. Dies wiederum mündete in die Zusammenarbeit für "Para Quienes Aún Viven". Ergebnis der fruchtbaren Interaktion ist ein Mix aus euphorischem traditionellen Flamcenogesang und ausschweifenden, von Gitarrenwänden geprägten Klängen irgendwo zwischen…
(43:32, CD, InsideOut / Sony Music, 2017) Tim Bowness zum Vierten. Mit dem Vorgänger "Stupid Things That Mean The World" erreichte der Brite mit der markanten Stimme die Top 10 der offiziellen britischen Rock Charts, nun legt er mit seinem Konzeptalbum "Lost In The Ghost Light" ein weiteres, ambitioniertes Werk vor. Gemixt und gemastered hat es sein No-Man Kompagnon Steven Wilson. Inhaltlich wird hier eine interessante Thematik aufgegriffen: Es geht um die Reflektionen eines fiktionalen Classic-Rock-Musikers über seinen Anspruch an sich selbst, über Ambitionen, Kommerz und das Familienleben abseits des Starseins, sowie um die Angst vor jüngeren, wesentlich vitaleren Künstlern. Nicht nur Bowness' vokale Eigenständigkeit bleibt…
(44:43, CD, Craft Pop Records / Republic Of Music, 2016) Auch dem Autor dieser Zeilen rauscht hin und wieder mal eine Band durch das Prog-Erkennungsraster. So kam es, dass die Moulettes erst mit ihrem vierten Album "Preternatural" im Beuteschema landeten. Aber egal, besser spät als nie. Es lohnt sich, diese bereits 2002 gegründete britische Band zu entdecken. Die spannenden Grundzutaten des vitalen Quintetts sind im Art Rock, in verschrobenem Folk Rock und in kunstvollem Pop zu finden. All das vermengt die Band recht vielseitig. Wer jetzt noch auf nennenswerten Prog-Bezug wartet, dem sei verraten, dass hier Bassist Jim Mortimore, der Sohn des einstigen Gentle-Giant-Schlagzeugers Malcom Mortimore ("Three Friends") mit von der…
(68:16 + 73:15 + 60:08, CD, DVD, Repertoire Records, 2016) "Live At The BBC Sight & Sound" ist so etwas wie die historische Fortsetzung der Alben "DeLane Lea Studios 1973" und "Academy Of Music 1974". Die hier vertretenen drei CDs und eine DVD decken den Zeitraum von 1975 bis 1978 ab, als sich Renaissance auf ihrem künstlerischen und kommerziellen Höhepunkt befanden. Dass die Band sowohl spieltechnisch als auch kompositorisch ein beeindruckendes Level erreicht hatte, dokumentiert in erster Linie die DVD/CD, die einen rund einstündigen Auftritt bei "BBC Sight & Sound" im Jahr 1977 im Londoner Golders Green Hippodrome präsentieren. Interessant, dass in diesem Sendeformat Renaissance die…
(45:12, CD, HC Productions, 2017) Wer schon in Indonesien war, dem mag der Begriff Jam Karet ein Begriff sein. In der ungefähren Bedeutung als "Gummizeit" übersetzbar, passieren Dinge nicht immer sofort, ist nicht alles nach europäischen Maßstäben planbar. Seit mehr als 30 Jahren existiert die nach diesem Phänomen benannte amerikanische Instrumentalband Djam Karet, die sich im übertragenen Sinne auch viel Zeit für ihre Veröffentlichungen nimmt und bei deren Stilmix sich nicht alles in ein vorhersehbares Korsett zwängen lässt. Das letzte Studioalbum "Regenerator 3017" liegt mittlerweile drei Jahre zurück. Beim 18.Werk der in Südkalifornien ansässigen Gruppe waren wieder alle vier Gründungsmitglieder zu einem gewissen…