(48:17, Digital, CD, Vinyl, Octane Records/Wild Thing Records, 2021)
Australien erscheint mir so langsam als schier unerschöpflicher Quell innovativer Bands, die klassischen Progressive Metal mit kreativen Ideen kombinieren und hierdurch immer wieder eigenständige Sounds kreieren. An dieser Stelle seien nur Gruppen wie Caligula’s Horse, Voyager, Ebonivory oder Glass Ocean genannt. Auch The Stranger stammen vom Kontinent Down Under und reihen sich nahtlos in diese illustre Liste ein.
Ein erstes Ausrufezeichen hatten The Stranger bereits mit ihrem selbstbetitelten Debütalbum setzten können, das im Jahre 2017 erschienen ist. Die Folge waren gemeinsame Auftritte mit Bands wie Caligula’s Horse, Voyager, Ne Obliviscaris, Monuments und The Ocean. Kaleidoscope ist nun das zweite Album der aus Queensland stammenden fünfköpfigen Formation, bestehend aus Sänger Tom Fayne, Schlagzeuger Daniel O’Brien, dem Bassisten Linc Morse sowie den beiden Gitarristen Kalen Austin und Drew Taylor. Und eines kann man schon einmal vorwegnehmen: in Sachen Kreativität und Vielseitigkeit haben die Australier noch einmal eine Schippe oben drauf gelegt.
Beeinflusst von Größen wie Dream Theater und Opeth, modernen Prog Bands wie Tesseract, Periphery und Monuments, aber auch gentrefremden Gruppen wie der Boygroup 5ive und der Acid-Jazz-Band Jamiroquai beschreiben die Aussies ihren Sound als Mixtur aus Progressive Metal, Djent & Funk. Allerings wird einem schon nach dem ersten Hören klar, dass diese Beschreibung weder präzise noch weitreichend genug ist. Denn das aktuelle Album der Jungs aus Brisbane ist ein wahres Kaleidoskop verschiedener Einlüsse, so dass kein Song dem anderen gleicht.
Textlich dagegen ist das Album ziemlich geradlinig, da die Platte als hörbares Manifest der verborgenen Sorgen um und Erwartungen an die Zukunft verstanden werden soll. Dabei werden Wandel und Paradigmenwechsel genauso beschrieben, wie die Frustration über diejenigen, die sich zu schnell oder zu langsam anpassen. The Stranger schreiben über Wandel und Frustration, ihre Ängste und Hoffnungen bezüglich der wachsenden soziale Isolation, den Klimawandel sowie politische Rhetorik und packen dies in eine Anthologie fantastischer Fiktion und zutiefst persönlicher Oden über Wachstum, Wandel und Beharrlichkeit.
Eingepackt werden diese Texte in einen modernen, leicht djentigen Sound, der durch sein robustes Grundgerüst überzeugen kann. Er bildet das Fundament für die leicht zugänglichen neun Stücke, auf denen sich die Australier in einer breiten Auswahl verschiedener Musikstile austoben. Diese reicht von symphonischem Progressive Rock (‘Eleventh Hour’) über Synthie-Wave (‘The Gemini’), Instrumental-Balladen (‘Coming Home’) bis hin zu modernem Djent (‘The Devil You Don’t’) und Progressive Metal (‘Kaleidoscope’). Begleitet werden diese musikalischen Ausflüge in die verschiedenen Sub-Genres des Pogressive Metal durch die herausragende Stimme von Frontmann Tom Frayne. Dessen Gesang verfügt nicht nur über eine enorme Ausdruckskraft, sondern auch über eine große stilistische Breite zwischen Kopfstimme und Death Metal Growls. Stimmlich wie musikalisch suchen The Stranger jedoch nie dauerhaft die musikalischen Extreme, sondern setzten diese vielmehr als stilistische Farbtupfer an ausgewählten Stellen ein.
Exemplarisch für die kreative Vielfalt des Quintetts möchte ich an dieser Stelle allerings nur ein Stück herausheben, das für mich gleichzeitig das Highlight des Albums darstellt. Denn ‘Siren’ ist ein wahres Ungetüm des progressiven Crossovers, da es so unterschiedliche Stille wie Djent, Power Metal, AOR und Funk zu einer kreativen Einheit verschmilzt und in diesem gleichzeitig modernen wie 80er-lastigen Kontext selbst vor Death Metal-Shouts keinen Halt macht.
“Kaleidoscope” macht somit seinem Namen alle Ehre und bietet dem Hörer auf voller Länge ein farbenfrohes Wechselspiel stilistischer Ideen und technischer Finesse. Es hält den Raum für musikalische Entdeckungsreisen bereit und offeriert die Möglichkeit sich in diesen bunten progressiven Klangwelten zu verlieren.
Bewertung: 12/15 Punkte
Tracklist:
1. ‘Eleventh Hour’ (5:35)
2. ‘The Gemini’ (4:53)
3. ‘Jungles’ (5:59)
4. ‘Jester’ (6:41)
5. ‘Coming Home’ (1:59)
6. ‘Siren’ (5:23)
7. ‘Creatures in the Canopy’ (4:50)
8. ‘The Devil You Don’t’ (6:18)
9. ‘Kaleidoscope’ (6:39)
Besetzung:
Kalen Austin (Gitarre, Gesang)
Linc Morse (Bass)
Daniel O’Brien (Schlagzeug)
Tom Frayne (Gesang)
Drew Taylor (Gitarre)
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Abbildungen: Alle Abbildungen wurden uns freundlicherweise von Overdrive PR zur Verfügung gestellt.