VOLA – Witness

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VOLA – Witness (Mascot Records, 21.05.21)

Credit: Gregor Huber

(44:11, CD, Vinyl, Digital, Mascot Records, 2021)
Das dänische Quartett VOLA war schon immer eine Band der Kontraste. Denn mit hartem Math-Metal und Djent auf der einen Seite und süßen Popmelodien und Elektronica-Spielerein auf der andren Seite, verbanden die Jungs schon auf ihrem 2016er Debütalbum “Inmazes” musikalische Stile miteinander, die auf den ersten Blick wenig vereinbar schienen. Auf dem 2018er Album “Applause Of A Distant Crowd” wirkten VOLA dann ein wenig gebändigt, was die Gruppe für viele Menschen zugänglicher machte. Gleichzeitig verschreckte der Move aber auch ein paar Fans der ersten Stunde. Auf “Witness”, ihrem aktuellen Album vollbringen die Skandinavier nun einen Spagat, den viele für unmöglich gehalten haben. Denn die neue Scheibe ist härter, als alles was die Band bisher auf Tonträger gebannt hat, doch gleichzeitig auch eingängiger und poplastiger als jemals zuvor.

Ich persönlich hatte VOLA erst mit ihrem Zweitlingswert kennenlernen dürfen und im Gegensatz zu einigen geschätzten Kollegen gefiel mir der Pop-Ansatz mit einigen wenigen verbliebenen Djent- und Metalversatzstücken. Doch als ich dann zum ersten mal “Inmazes” hörte, konnte ich gut nachvollziehen, warum “Applause Of A Distant Crowd” als Enttäuschung angesehen werden konnte. Die scharfe Math-Metal-Kante des Debütalbums war einfach zu sehr abgeschliffen worden.

“Witness” dagegen kommt nun schneidend daher wie eine frischgeschliffene Schwertklinge und hat zudem die Durchschlagskraft eines schweren Kriegshammers. Gleichzeitig jedoch versprühen VOLA weiterhin eine unterschwellig-cineastische Ästhetik. Die Stimme von Gitarrist und Frontmann Asger Myginds erklingt geschmeidiger denn je und auch die Melodien der einzelnen Stücke versprühen einen Pop-Appeal, wie er im Prog-Metal einfach selten vorkommt. Darüber hinaus erstrahlen VOLA in nie dagewesener Experimentierfreude, die auch vor genrefremden Einflüssen nicht zurückscheut.

Verstärkt werden diese Kontraste zudem durch die hervorragende Produktion des Albums, denn “Witness” lebt vor allem von seiner großen Laut-Leise-Dynamik, so dass man mehr als einmal von unvorherbar einsetztenden
Djent-Grooves aus den Latschen gekippt wird. Herrausragendes Beispiel für diese Metal-Attacken ist dabei ‘These Black Claws’, da einen die von R&B-Sounds geprägte Eingangssequenz in falscher Sicherheit wägt. Denn die einsetzenden Gitarren haben in etwa die Wirkung, als würde man in einen beschwingten Radiohit urplötzlich ein Meshuggah-Riff mixen. Doch das ist nicht die einzige Überraschung, für welche dieser Song gut ist. Denn VOLA werden bei ‘These Black Claws’ vom Hip-Hop-Due Shamen unterstützt. Was nach einem abstrusen musikalischen Abenteuer klingt, verschmilzt auf Platte zu einer überzeugenden Einheit, denn selten groovten Hip-Hop, Pop und Metal so harmonisch Hand in Hand wie bei diesem Stück.

Es ist vielleicht das außergewöhnlichste Stück auf “Witness”, doch nicht das einzige, das erwähnenswert ist. Vor allem die beiden ersten Singles des Albums vereinen so ziemlich alles, was Fans an VOLA so an ihren Lieblingen schätzen, nämlich fette Djent-Riffs, sphärische Synthie-Sounds und traumwandlerischen Gesang, der nicht von dieser Welt zu sein scheint. Dabei erreichen die Kopenhagener jedoch eine ausgewogene Balance, die auf vorherigen Alben ihres Gleichen sucht. Dennoch tendiert ‘Straight Lines’ ein wenig mehr in die Metal-Ecke, während ‘Head Mounted Sideways’ aufgrund seines Choruses eher in die Pop-Ecke tendiert.

Musikalisch ganz anders geartet ist dagegen ’24 Light-Years’, denn das Stück klingt mit seinen verträumten elektronischen Melodien und seinem trance-artigen Schlagzeugbeat wie Dänemarks Beitrag für die nächste Love-Parade.

Ganz ohne Metalschlagseite kommt ‘Freak’ daher, doch ist das Stück kein Popsong, sondern vielmehr eine einfühlsame Ballade, die nicht nur aufgrund ihres lyrischen Gitarrensolos an die US-Amerikaner von Jolly erinnert.

‘Napalm’ greift diese Querverweise im Anschluss geschickt auf und verbindet diese mit dem bandtypischen Djent-Riffs und mathematisch-wirkendem Schlagzeugspiel.

Das anschließende ‘Future Bird’ ist im Vergleich zu den vorherigen Stücken vielleicht ein wenig unauffällig, doch ist es eigentlich nichts anderes als VOLA in Reinform, ganz ohne Experimente. ‘Stone Leader Falling’ hingegen fällt durch seinen hypnotischen Rhythmus auf, der wunderbar zu dem leicht verzerrten Gesang des Stückes passt.

Und auch das abschließende ‘Inside The Fur’ kann eigene Akzente setzen, denn die Melodie, mit der das Stück ausklingt, hallt noch lange nach Ende der Scheibe in den Gehörgängen nach.

Alles in allem ist “Witness” ein Album, dass die Stärken der beiden Vorgängeralben miteinander vereint und um interessante Experimente erweitert. Ganz nach meinem Geschmack.
Bewertung: 13/15 Punkte (FF 13, KR 12)

Tracklist:
1. ‘Straight Lines’ (4:23)
2. ‘Head Mounted Sideways’ (5:33)
3. ’24 Light-Years’ (4:33)
4. ‘These Black Claws’ (feat. Shamen) (5:53)
5. ‘Freak’ (4:50)
6. ‘Napalm ‘ (4:58)
7. ‘Future Bird’ (4:36)
8. ‘Stone Leader Falling Down’ (4:24)
9. ‘Inside Your Fur’ (5:01)

Besetzung:
Martin Werner (Keyboards)
Nicolai Mogensen (Bass)
Asger Mygind (Gitarre und Gesang)
Adam Janzi (Schlagzeug)

Gastmusiker:
Shamen (Sprechgesang – Track 4)

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Review: “Inmazes” (2016)
Review: “Applause Of A Distant Crowd” (2018)
Konzertbericht: 08.07.17, Bonn, Rheinauen
Konzertbericht: 07.03.2019, München, Backstage

Abbildungen: Alle Abbildungen wurden uns freundlicherweise von Netinfect zur Verfügung gestellt.

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Über den Autor

1978 in Traben-Trarbach geboren und seit 2014 in Köln ansässig bin ich noch immer ein echter Globetrotter. Ziehe ich gerade einmal nicht trampend und couchsurfend mit meiner Frau Inga durch die Welt, so arbeite ich als Sozialpädagoge in der Inklusionsbegleitung sowie in der Einzelfall- und Familienhilfe. Nebenberuflich bin ich als Stadtführer für Free Walk Cologne tätig. Außerdem nähen Inga und ich hin und wieder noch immer unsere Travelling Monkeys, handgefertigte Stoffaffen. Musikalisch in den 90ern sozialisiert, wuchs ich mit Grunge (Pearl Jam, Nirvana), Prog (Marillion, Dream Theater), Punk (Bad Religion, NoFX), Gothic Metal (Paradise Lost, My Dying Bride) und Crossover (Rage Against the Machine, Faith No More) auf. Für mich sind die letzten zehn Jahre musikalisch so ziemlich die spannensten, die ich bisher erlebt habe, da in dieser Zeit viele jener verschiedenen Stile musikalisch zusammengführt worden sind.

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von flohfish Artikel-Lesezeit: ca. 3 min
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