Autor: Nils S.

Musikjournalist, Linguist, Kulturpessimist.

8.0
Reviews

(47:50, LP, Made In Germany, 2019) Hatten sie Anfang des Jahres noch den 50. Geburtstag mit einem gelungenen Querschnitt durch die eigene Diskographie gefeiert, sind Bröselmaschine nun schon wieder mit neuem Material zurück. “Elegy” ist, entgegen des Titels, weniger eine schwermütige Dichtung, als viel mehr ein ausgelassenes, zuweilen fröhliches Album voll eingängiger Melodien und locker verdaulicher Hooks. Fing die Band um Peter Bursch während der 1970er als einfluss- und ideenreiche Krautrock-Combo an, ist das Kraut nun weitgehend dem adult orientierten Rock (AOR) gewichen. Ältere Semester scheinen das in den bisherigen Rezensionen zum Album bedingungslos zu begrüßen, erinnert der Sound doch…

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9.5
Reviews

(52:44, Digital, Eigenproduktion, 2019) Räumliche Grenzen überschreiten, außerhalb einer gegebenen Kartografie operieren, limitierte Funktionalitäten quasi endlos erweitern – das gelingt in Videospielen zumeist nur mit Cheats, kurzen Konsolenbefehlen, die es den Programmierern und letztlich jedem Anwender erlauben, gegebene Regeln zu Testzwecken außer Kraft zu setzen. Wer mit Ego-Shootern wie Counter Strike, Quake oder Doom aufgewachsen ist, kennt das Verfahren. Hier spielen vor allem kurze Codes à la “god”, “ghost” oder “noclip” eine Rolle, die Unverwundbarkeit oder das Durchschreiten von Wänden ermöglichen. Ben Krahl ist studierter Jazzmusiker und daher zwar qua Passion an das Überwinden von Grenzen gewöhnt, doch im beruflichen…

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11.0
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(71:42, CD, TUM RecordsBroken Silence, 2019) Legenden muss man erkennen, so lange sie noch leben. Das gelingt oft genug nur denen, die sich offen und interessiert am Andersartigen, am Unzugänglichen und Transgressiven zeigen, denn hier entsteht naturgemäß immer das Neue. Eine gewisse Schmerztoleranz will sich das Ohr dabei antrainiert haben, um trotz Experimenten und der Abwesenheit schmeichelnder Harmonien nicht nach wenigen Minuten abzuschalten und das Ganze nur noch durchzuhören. Genau das könnte aber sollte dem geneigten Hörer bei dem Tribut-Album für die Bürgerrechtlerin Rosa Parks nicht passieren, das Jazz-Maestro Wadada Leo Smith jüngst veröffentlicht hat. Denn “Rosa Parks: Pure Love”…

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13.0
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(162:35, 5CD + 2DVD Box, MiG-Music/Indigo, 2019) Ein halbes Jahrhundert später. Peter Bursch ist immer noch Deutschlands wahrscheinlich bekanntester Gitarrenlehrer und seine Bröselmaschine nach wie vor ein besonderes Stück der hiesigen Musikgeschichte. Die Besetzung hat sich im Laufe der Jahre naturgemäß immer wieder verändert, dabei aber kaum an Spielfreude und Originalität eingebüßt – zuletzt eindrücklich auf dem Burg Herzberg Festival 2018 sichtbar. Passend zum 50-jährigen Jubiläum erscheint nun eine Kompilation mit allen Studioalben der Band, inklusive zweier Live-Auftritte aus den Jahren 2005 und 2006. Ein stattliches Paket, das die Bröselmaschine in all ihrer musikalischen Vielseitigkeit, aber auch ihren Pionierstatus zeigt.…

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12.0
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(42:56, CD, No Name Records, 2014) Über Russland soll Churchill mal gesagt haben, dass es ein Rätsel in einem Mysterium, ummantelt von einem Geheimnis sei. Gemeint war die Unmöglichkeit der Voraussicht russischer Kriegshandlungen zu Beginn des zweiten Weltkriegs. In einem weiteren Sinne ließe sich diese Formel aber auch auf Russland als flächenmäßig größtes Land des Planeten anwenden, in dem über zwölf Zeitzonen hinweg mehr als 100 Sprachen gesprochen und Dutzende Religionen praktiziert werden. Nicht zuletzt schlägt diese Ambivalenz auf die dortige Musikszene durch, die sich bei näherer Betrachtung als extrem heterogenes Gebilde erweist. Denn die russische Gesellschaft ist zerstreut über…

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12.5
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(40:52, CD, Denovali Records, 2017) Wenn er nicht gerade abstrakt-minimalistische Soundgleichungen bei seinem Projekt Swod auflöst, werkelt der Berliner Produzent Oliver Doerell an Ballettproduktionen oder dem Lounge-affinen Downtempo von Raz Ohara And The Odd Orchestra. Doch dann gibt es da auch noch Dictaphone, seine Kollaboration mit dem Multiinstrumentalisten Roger Döring, die bis ins Jahr 1998 zurückreicht. Das Debüt “M. = Addiction” erschien 2002, könnte aber genauso gut morgen erst aufgenommen werden, klingt es mit seinen pittoresk urbanen Arrangements doch selbst unter aktuellen Bedingungen bemerkenswert zeitlos. Den Schlüssel zu dieser Zeitlosigkeit fand das Duo damals wie heute in der Reduktion der…

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12.0
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(54:35, CD, No Name Records, 2017) Für das abenteuerliche Herz umtriebiger Hörer ist der Katalog des namenlosen, nonkommerziellen und unabhängigen Labels aus Moskau, das seit 2011 zumeist russische Untergrund-Künstler aller denkbaren Stilrichtungen vertritt, ein auditives Schlaraffenland. Hier gibt es von Gitarrenmusik in den Geschmacksrichtungen Prog, Stoner, Sludge und Psychedelic über experimentellen Jazz bis hin zu Ambient, Improvisationen und Noise so ziemlich alles, was man in den Musikszenen des bislang größten buchstäblichen Kontinentalstaats erwarten würde. Nicht selten schwingt eine merkwürdig zentralasiatisch-urbane Mystik mit, die selbst in den ausufernden elektronischen Capricen von “Five Mothers” immer wieder wahrnehmbar ist. Sie nimmt auf diesem…

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12.0
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(78:47, LP, Bureau B, 2018) Das Erleben von Gemeinschaft in Verbindung mit Musik ist in diesen Zeiten schwer angesagt. Noch nie gab es so viele Festivals, ob über einen Abend oder eine Woche hinweg, Konzerte im Freien, in Bars, Clubs, Kirchen und Turnhallen oder privat organisierte Eventreihen, die alle erdenklichen Genres und Mindsets abdecken und für jeden jedes Jahr das richtige Programm bieten. Das Touren gehört für beinahe alle Interpreten sämtlicher Gattungen ganz selbstverständlich dazu, eine virtuose Show gilt als Qualitätsmarker jedes ernstzunehmenden Musikers. Doch während der Aufnahmen im Studio entfernt sich gerade die moderne Rockmusik immer öfter von improvisierten…

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10.0
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(37:52, CD, Divison Records/Stickman Records, 2018) Orango ist eine kleine Insel vor der Küste des westafrikanischen Zwergstaates Guinea-Bissau, auf der sich bis heute eine weitgehend matriarchale Gesellschaftsordnung erhalten konnte. Orango ist aber auch eine norwegische Formation, die sehr amerikanischen Hard Rock im Südstaatenstil mit kurzweiligen Blues-Intermezzi kreuzt – Musik die kurz nach Zehn in verrauchten Billard-Spelunken einsetzt, um Stimmung und Bierkonsum nach oben zu treiben. Das Trio aus Oslo scheint in seiner Heimat mit dieser Rezeptur ziemlich erfolgreich zu sein, was kaum verwundern dürfte, ist man in Norwegen – oder viel mehr ganz Skandinavien – doch seit jeher den fett(ig)en…

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10.0
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(45:39, CD, Noisolution, 2018) Angesichts des Hypes um das kommende Tool-Album mag der Stil von Samavayo vielen wie ein Gnadentrunk kurz vor Ende einer langen Durststrecke verbrauchter Rock-Tropen erscheinen. Es dauert kaum 30 Sekunden, bis das erste Riff auf “Vatan” dem Signatursound von Adam Jones nacheifert und so das sechste Studioalbum einer durchaus profilierten Berliner Stoner-Kombo eröffnet. Seit der Jahrtausendwende ist das Trio aus Sänger Behrang Alavi und den Voland-Brüdern bereits aktiv und auf Festivals in ganz Europa unterwegs. Live sollen Samavayo daher noch um einiges heller brennen als auf Platte. Was aber speist den Sound der Band? Die eingangs…

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