»One Knight Only – or a few more, after all?«
Das klang doch schon mal nicht schlecht: “Damian Wilson ist ein englischer Musiker, Songwriter und Sänger, der auf über 70 verschiedenen Rock- und Prog-Alben zu hören ist. Am 1. November spielt er mit einer international besetzten All Star Band einen Querschnitt aus seiner 30-jährigen Karriere als Frontmann von Bands wie Arena, Ayreon, Threshold, Headspace, Arena, Landmarq, Praying Mantis oder Rick Wakeman’s English Rock Ensemble.” Nicht zu vergessen: Star One, Maiden uniteD. Plus: der so sympathische wie humorvolle Brite war mal im Gespräch als Nachfolger von Bruce Dickinson bei Iron Maiden! Kein Wunder also, dass sich gleich neun aktive oder gewesene Betreuer und Anhang musikhungrig an dieser “Tafelrunde” einfanden… Vorher aber wurde an eckigen, schlecht ausgeleuchteten Tischen lecker gespiesen und gezecht.
Soviel vorab – Damian und die Band vom ersten bis zum letzten Mann (Der Boss: “these are indeed all very nice men”) waren einfach phantastisch. Dabei war dies erst ihr zweiter gemeinsamer Auftritt ever (the “virgin gig” hatte tags zuvor im Spirit of 66 in Verviers stattgefunden). Damian Wilson ist ja weidlich berühmt für seine “Publikumsnähe”. Dass er aber fast mehr im Auditorium als auf der Bühne zu finden war, ist schon … besonders sympathisch. Meinereinem hat er auf die Schulter geklopft. Gott allein weiß, was er mit den zahlreich im Publikum vorhandenen Damen veranstaltet hat 😉. Dazu passte ja dann, dass er zum Konzertstart nicht etwa auf der Bühne, sondern im Publikum auftauchte, mit einer “los geht’s!”-Geste in die Hände klatschte. Und ab ging die Luzie…
Der Reigen begann mit dem Threshold-Song ‘Sanity’s End’, der gleich mal die immer noch völlig mühelosen Höhen und das gekonnte, niemals affige Tremolo von Damians einzigartiger Stimme vorstellte.
Und seien wir ehrlich – es gibt so viele widerwärtige Schmierlappen im Frontmen Circus. Dieses Kraftpaket hier aber bleibt immer sympathisch, selbst wenn er mal “anfeuert” (selten genug hat er es nötig). Und bereits beim ersten Song hüpfte er von der (niedrigen) Bühne und sang im Publikumsbereich. Lange.
‘That’s Why We Came’, ebenfalls von Threshold, ging es zumindest in dieser Version etwas ruhiger an. Besonders bemerkenswert waren hier ein süß singendes Gitarren-Solo von Joop und ein flirrender Synthesizer-Solopart von Viv.
‘Solitary Witness’ ging tatsächlich zurück zu Landmarq-Tagen – und rief nostalgische Wiedererkennens-Schauer hervor.
“Here’s something that has never been attempted before in Germany. (Pause) And it’s dangerous”, schmiedete Damian nun das eh rotglühende Eisen weiter. “A Headspace Song”. Zur Band in gespielter Sorge: “Good luck guys”.
Der Prog Metal von ‘Die With A Bullet’ erwies sich dann aber nur als eine weitere exzellente Wahl in dieser Live-Werkschau.
Hochzufrieden nippte der Maestro an seinem Tee (er liebt deutsches Bier “The purest and tastiest in the world”, aber er bekommt Reflux davon. Anderes im Rumgealber mit Joop komisch aufgegriffenes Alters-Thema “I don’t know where my prostate is”), bevor Joop in die Akustik-Gitarren-Sounds des Intros zu ‘We Are Strong’ von Lalu einstieg.
So richtig episch wurde es natürlich bereits mit den ersten Klängen von ‘And The Druids Turn To Stone’ von Ayreon.
‘All Of The Lights’ gab nur eine kurze, sehr melodische Überleitung … zur herrlichen Ballade ‘Adam’s Child’, gefolgt von dem Live-Debüt von ‘Sex & Vanilla’ von “Built For Fighting” – prächtig.
‘Clear’ brachte uns zurück zu Threshold (Damian schrieb dieses Lied für seinen früh verstorbenen Onkel) und das immergrüne ‘Forever Young’ zu Landmarq. “The Reason why I’m flirting so hard with this lady (Damian zeigt auf die betreffende Dame im Publikum): SHE WAS HERE. With Landmarq. 30 Years ago!”.
Das war einfach schön. Beinahe so schön wie Joops beeindruckendstes Solo von so vielen tollen an diesem Abend.
Das leicht kitschige ‘Life Goes On’ von Arena war möglicherweise der einzige winzige Durchhänger in diesem gottvollen Best of a Career-Set, wurde aber auch schnell von Ayreons Bombast-Brumme ‘Into The Black Hole’ egalisiert.
Weiter ging’s mit ‘Surface To Air’ – also wieder gute alte Threshold – “If You See Me Acting Strange” indeed… Und nochmal Landmarq, was für ein Fest: ‘Embrace’, bei dem Bass-Tier Christian Mendoza auf einem babyblauen Fretless brillierte.
‘Sane Life’? Headspace again! Progressive Rock can be groovy. Und es sagt Einiges über das einzigartig enge Verhältnis zwischen Damian und seinem Publikum aus, dass er bei seinen häufigen Exkursen ins Auditorium beim zurück auf die Bühne Kraxeln sein Mikro dem Nächststehenden übergibt und von diesem auch sofort zurückerhält, sobald der Aufstieg bewältigt war.
Riesengejohle.
Mit der ersten Zugabe ging es zurück zu aktuellem Material: ‘Is That A London Number’ stammt vom aktuellen Lalu-Album und beweist u.a. schlagend, dass dieser Typ auch Telefonbücher runtersingen kann – und sein Publikum geht ab.
Encore #2: ein Live-Debüt für die wunderbar melodische Ballade ‘Hard To Keep Faith’. Mit als Höhepunkt dem ersten Gitarrensolo des Abends von Mega-Sympath Mirko Sangrigoli – und das geriet dann auch prompt gilmouresk.
#3: Threshold-Material hatte den Anfang markiert, ein Threshold-Song machte den Sack auch endgültig zu. ‘Part Of The Chaos’ als würdiger Abschluss eines hinreißenden Konzertabends der Extraklasse.
Fazit: Runde Sache, diese Tafelrunde!
PS – Apropos Tee trinken: Damian Wilson, der uns in Bonnchen 2,5 Stunden kraftstrotzende Vollbedienung geboten hatte, musste Berichten zufolge das Konzert im Colos-Saal Aschaffenburg tags drauf nach 90 Minuten aus gesundheitlichen Gründen abbrechen.
Live-Fotos: Timo Riedel
Line-up:
Damian Wilson – Vocals
Vivien Lalu – Keys
Jelly Cardarelli (u.a. Adagio, Disconnected, Lalu) – Drums
Christian Mendoza (u.a. Roger Taylor) – Bass
Joop Wolters (u.a. Arabesque, Shadrane, Lalu) – Guitar
Mirko Sangrigoli ( u.a. Peracals, – Guitar
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Rezension Lalu “The Fish Who Wanted To Be King”
Rezension Lalu “Paint The Sky” (2022)
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