Archive – Versions

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(48:05, Digital, Vinyl, CD, [PIAS]/Dangervisit, 2020)
Ein Jahr nach ihrer grandiosen sechs LPs umfassenden Werkschau zum 25. Jubiläum, veröffentlicht das Londoner Kollektiv Archive mit “Versions” eine weitere Kind-of-Best-of-Platte. “Versions” ist dabei nicht einfach eine abgespeckte Variante von “25“, sondern ein gänzlich eigenständiges Album. Es umfasst nämlich keine Original-Versionen, sondern radikale Neuinterpretationen des eigenen Backkatalogs.

Bei der Songauswahl haben die beiden Kollektivköpfe Darius Keeler und Danny Griffiths auf einige ihrer größten Hits zurückgegriffen, darunter das legendäre, schon von Placebo gecoverte, ‘Fuck U’, ‘Pills’ vom vierten Teil des Doppel-Konzeptalbums “Controlling Crowds” sowie “Nothing Else” vom 1996er Trip Hop-Album “Londinium”.

Wie radikal verschieden diese Interpretationen von den Originalen sind, lässt sich schon beim Blick auf die Länge einzelner Songs feststellen: so haben die beiden Long-Tracks ‘Lights’, und ‘Again’ jeweils mehr als die Hälfte ihrer Spieldauer einbüßen müssen.

Musikalisch wurden die einzelnen Stücke bis auf ihre zu Grunde liegende DNA reduziert und anschließend komplett neu arrangiert. Herausgekommen sind dabei zehn emotional-zerbrechliche Soundskelette, die in ihrer Ästhetik an filmische Großwerke eines Stanley Kubrick, wie besipielsweise ‘2001: A Space Odyssey’ oder ‘A Clockwork Orange’ erinnern. Größtenteils stehen bei den einzelnen Liedern Piano und Gesang im Mittelpunkt des Geschehens, welche mal mehr, mal weniger von sphärischen Synthesizer-Klängen untermalt werden. Während die Originale der einzelnen Lieder stilistisch kaum heterogener hätten sein können und auf “25” noch wie auf einem genreübergreifenden Sampler wirkten, finden die Songs auf “Versions” zum ersten Mal zu wahrer Harmonie. Post Rock, Industrial, Hip Hop und Prog sind nur noch Erinnerungen an vergangene Tage. An ihre Stelle sind entrückte Ambient-Klänge getreten, die Fragilität ausstrahlen und durch ihre Unterkühltheit mehr als einmal Gänsehaut verursachen.

Manche der Lieder haben im Rahmen dieser Behandlung ihre charakteristischen Trademarks verloren, da die für Archive so typischen Spannungsbögen fast vollständig verschwunden sind. Gleichzeitig kommt allerdings die Seele einzelner Songs viel besser zum Vorschein, da sämtlicher (unnötiger?) Ballast verschwunden ist.

“Versions” ist unterm Strich eine bereichernde Ergänzung zur umfangreichen Diskografie der Engländer, die einen Genre-bereinigten Blick auf die Essenz der einzelnen Lieder ermöglicht. Essenziell für eine Plattensammlung sind diese Versionen jedoch nicht.
Bewertung: 10/15 Punkten


Tracklist:
1. Lights (Version) (7:10)
2. Kid Corner (Version) (2:54)
3. Bright Lights (Version) (4:52)
4. Fuck U (Version) (4:15)
5. Erase (Version) (5:38)
6. Again (Version) (6:47)
7. Pills (Version) (4:06)
8. Nothing Else (Version) (4:21)
9. Remains Of Nothing (Version) (2:49)
10. End Of Our Days (Version) (5:13)

Surftipps zu Archive:
Konzertbericht: 31.10.19, Köln, E-Werk
Rezension: “25” (Deluxe Box Set)
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Abbildungen: Alle Abbildungen wurden uns freundlicherweise von [PIAS] zur Verfügung gestellt.

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Über den Autor

1978 in Traben-Trarbach geboren und seit 2014 in Köln ansässig bin ich noch immer ein echter Globetrotter. Ziehe ich gerade einmal nicht trampend und couchsurfend mit meiner Frau Inga durch die Welt, so arbeite ich als Sozialpädagoge in der Inklusionsbegleitung sowie in der Einzelfall- und Familienhilfe. Nebenberuflich bin ich als Stadtführer für Free Walk Cologne tätig. Außerdem nähen Inga und ich hin und wieder noch immer unsere Travelling Monkeys, handgefertigte Stoffaffen. Musikalisch in den 90ern sozialisiert, wuchs ich mit Grunge (Pearl Jam, Nirvana), Prog (Marillion, Dream Theater), Punk (Bad Religion, NoFX), Gothic Metal (Paradise Lost, My Dying Bride) und Crossover (Rage Against the Machine, Faith No More) auf. Für mich sind die letzten zehn Jahre musikalisch so ziemlich die spannensten, die ich bisher erlebt habe, da in dieser Zeit viele jener verschiedenen Stile musikalisch zusammengführt worden sind.

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Archive – Versions

von flohfish Artikel-Lesezeit: ca. 2 min
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