(62:23, CD, Vinyl, Digital, Apollon Records/Plastic Head, 12.05.2023) Ein umfangreiches Konzept für Gourmets vom Hard Rock der Siebziger. Mit mächtigen Riffs, Twin Guitars und ausufernden Georgel stürzen sich Hex A.D. in ein Abenteuer, das nicht nur Album-füllend ist sondern großzügig darüber hinaus wächst. Mit über einer Stunde erschufen die Norweger ein Storyboard über den Genozid, wobei hier an drei Beispielen (Shoa, Holocaust, Auschwitz/ Tutsi, Hutu, Ruanda/ Rohingya, Myanmar) unbequeme Wahrheiten und Verbrechen gegen die Menschlichkeit zu Themen gemacht werden. Womit sich Hex A.D. selbst mit einem Anspruch beladen haben, der schnell zum Scheitern verurteilt werden könnte. Der Vierer um Sänger…
Autor: Carsten Agthe
(31:11, CD, Vinyl, Digital, Apollon Records/Maxime by Howlin` Sun, 12.05.2023) Da heult der einsame Wolf dieses Mal eben nicht den Mond sondern die Sonne an. Kann er machen, alldieweil Howlin' Sun ein Blues'n Fuzz-getränktes Brett fahren, als ob es kein Morgen gäbe. Und wieder einmal sind die Norweger an allem schuld. Der Vierer aus Bergen knallt uns die Standards nur so um die Ohren, wobei sich mehr als nur ein Deja Vu-Erlebnis offenbart. Howlin' Sun reihen sich übergangslos in die Riege von Größen wie die Rolling Stones, Led Zeppelin oder ZZ Top ein, wobei das Songwriting bei jedem Track reichlich…
(42:02, Vinyl, Digital, Sulatron Records/Broken Silence, 2023) Fluffig sind die Finnen geworden. Jedenfalls fluffiger als auf den Vorgängeralben "Beyond These Things" sowie "Cosmic Comics", auf denen hin und wieder fuzzige Avancen die Harmonien gehörig lässig durcheinanderwirbelten. Wahrhaftig wirkt die Musik von Permanent Clear Light hier wie ein sanfter Frühlingsregen, womit man auch dem Albumtitel eine Bedeutung beimessen dürfte. Das Trio um Sänger Matti Laitinen, der her längst nicht mehr so Liam Gallagher-like nölt wie in vergangenen Tagen, offeriert hierbei wehmütigen Sarkasmus, den man ob der Lieblichkeit der Interpretation noch nicht einmal auf Anhieb checkt. Man fühlt sich sofort in Daunenkissen…
(43:48, CD-R, Digital, Sound In Silence, 05.05.2023) Die "Channels" decken dann wohl alle Programme elektronischer Unterhaltungsmusik in LoFi ab. Von Spieluhrenweisen über Nintendo-BlingBlong, Kindergartensingsang, Fahrstuhlmuzak bin hin zu Berliner KlingKlang a la Tyndall. Einzige Prämisse - die Kompositionen beziehungsweise kompositorischen Miniaturen müssen ambiente Flächendeckung garantieren. Immerhin ist der Kanadier Lee Nicholson, der sich hinter Test Card verbirgt, prädestiniert für solchen Sachen, befindet er sich doch schon seit den späten 90ern auf dementsprechender Soundsuche – damals noch mit Formula One, Fierce Panda und Domestic4, heute neben Test Card mit Electrohome und Future Peasants. Channels by Test Card Nun scheint er sich…
(57:58, CDr, Digital, Sound In Silence, 2023) Jason Sweeney alias Sweeney (hier unter diesem Namen immerhin schon mit dem fünften Album am Start) schürft tief. Ganz tief. Seine Songs, die er hier auf "Corporeal" unter schmerzhaften Tiefgrübeleien zelebriert, tragen Titel wie 'Lost Youth', 'Dumb Love', 'The Dead Dig Deeper', ‚'All Alone On The Stage Tonight', 'Leaving Love' oder 'The Dead Speak Back'. Wobei seine Musik weiterhin auch nicht dazu anregt, ausgelassenen Umstand zu feiern. Aber, das soll man auch nicht. Zwischen späten David Sylvian, Thomas Feiner (Anywhen) und Stuart Staples (Tindersticks), die ja auch nicht unbedingt Kinder von Fröhlichkeit sind,…
(79:59, CD-R, Digital; Sound In Silence, 2023) Sound In Silence macht hier seinem Namen wahrhaftig alle Ehre. Gleichzeitig schließt sich bei der einhundertsten Veröffentlichung des Ambient- und Post-Rock-Labels der Kreis, ist doch "These Clouds…" nach dem allerersten Release von 2006 die zweite Compilation. Vorbehalten ist auch dieser Sampler vor allem den Künstlern, die hier veröffentlichen. Stets in limitierter Auflage als CD-R im von Hand produzierten Cover erfreuen sich die SIS-Releases bei Sammlern großer Beliebtheit. Hier nun gibt es exklusiv für diesen Sampler extra eingespieltes Material von 18 Acts, die "These Clouds…" auf eine Lauflänge von 80 Minuten bringen. These Clouds...…
(39:42, Vinyl, Digital; Eigenveröffentlichung, 09.06.2023) Zwischen Björk, Coco Rosie und Joanna Newsom ist noch Platz. Ganz viel Platz. Dieser Raum, der von Singer-/Songwriting über Post Rock bis hin zu Semi-Klassik alles zu bieten hat, wird jetzt von Judith Parts, jedenfalls zum Teil, ausgefüllt. Die heute in Kopenhagen residierende estnische Musikerin holt auf ihrem selbst inszenierten und zum Großteil, bis auf Cello und Trompete, auch selbst eingespielten Album wahrlich zu einem Rundumschlag in Sachen alternativer Akustikmusik aus und präsentiert uns am Rand zur Stille ausharrende, pastellfarbene Klanggemälde. Schon der als Opener fungierende Titeltrack offenbart uns eine transzendente Soundkulisse aus female Voices,…
(39:03, CD, Vinyl, Digital, Pelagic Records/Soulfood, 2023) Evan Patterson grummelt einmal mehr wie ein griesgrämiger Michael Gira. Und überhaupt klingt "Don’t Let Your Love Life Get You Down", das neue Jaye-Jayle-Oeuvre, mehr nach den aktuellen Swans als nach Jaye Jayle selbst. Auch hierzu holte sich Patterson - auch wenn als Soloprojekt des ex-Young Widows Sängers und Gitarristen konzipiert - mit Todd Cook (Bass), Chris Maggio und Neal Argabright (Drums), Corey Smith (Synths) sowie Patrick Shiroishi (Saxophone) wieder eine komplette Band zu sich ins Studio, was „Don’t Let Your Love Life Get You Down“ gefühlt noch dynamischer als alle Vorgängeralben geraten…
(121:53, CD, Vinyl, Digital; Mute/PIAS/Rough Trade, 2023) Es stimmt schon ein wenig nachdenklich, wenn behauptet wird, dass das neue Album der Swans ein wenig optimistischer geraten sein soll. In Bezug auf die Band selbst könnte diese Aussage stimmen, im Gesamtkontext tut man sich dagegen schwer, "The Beggar" eine lebensbejahende Atmo bescheinigen zu wollen. Dazu mimte Michael Gira, der hierfür wieder altbekannte Mistreiter, aber auch neue Begleiter rekrutieren konnte, einfach zu lange den Griesgram. Die im goldenen (oder tiefdunklen) Schnitt wieder ellenlangen Ovationen (die Soundcollage "The Beggar Lover (Three)" kommt als 44-minütiger Alptraum) geben sich genauso destruktiv wie die der letzten…
(49:11, CD, Vinyl, Digital; Erased Tapes/Indigo, 07.07.2023) "Rain before seven, fine before eleven…". Diese alte Bauernregel nahm sich Arthur Jeffes zu Herzen und gleich als Motto für sein neues, das sechste, Album. Zugegeben klang das Penguin Cafe noch nie so optimistisch wie eben hier, "Rain Before Seven…" geriet zu einem Rausch aus Wohlklang und Positive Vibrations. Jeffe, der hier das Penguin Cafe Orchestra von seinem Vater Simon weiterführte, gibt sich optimistisch und kommt mit einer Flut aus kammermusikalischen Exzessen, pathetischen Pianoballaden, imaginären Soundtracks und dezent beatlastigen Ovationen an die Clubculture. Balafon, Piano und Kammerquartett bilden die Basis für Musik, die…
(46:47, CD, Vinyl, Digital, Golden Antenna Records/Broken Silence, 2023) Die Sache mit dem Hahn. Der prangte nämlich groß und unübersehbar auf dem Debüt von OK Wait, "Well" und hinterließ einen prägenden Eindruck. Wie auch die Musik der Band aus Hamburg, deren Mitglieder vorher in solch illustren Combos wie den Sonic Black Holes, Rhoda und Ulme zu finden waren. Es wurden also keine Neulinge auf die postrockende Gemeinde losgelassen, denn eben hier waren OK Wait zu suchen und auch zu finden. Gerade einmal ein Jahr nach dem schon als fulminant einzuordnenden Debüt-Album empfiehlt man sich mit dem Nachfolger "Signal", der insofern…
(45:14, CD, Vinyl, Digital; Pelagic Records/Soulfood, 23.06.2023) Mithin ist JeGong nicht einfach so ein Nebenprojekt, meinen es die beiden hier Aktiven, die da sind Reto Mäder von Sum Of R und Ural Umbo sowie Dahm Majuri Cipolla von Mono und Watter, doch hierbei dermaßen ernst, dass mit "The Complex Inbetween", nach "I" doch immerhin bereits das zweite Album erscheint. Krautrock rules mittlerweile doch schon the world und so sind sich die beiden Schweizer nicht zu schade, hin und wieder auch eine Laudatio an Patina-gesättigte Denkmäler wie Neu! zu inszenieren. 'Come To The Center' ist ein tief in Krautbottichen watendes Exempel…
(47:36, Vinyl, Digital; Sulatron Records/Broken Silence, 2001/23.06.2023) Über zwanzig Jahre nach Erstveröffentlichung gibt es "The Glitter Odd" noch einmal in physischer (Vinyl-)Form. Sulatron Records machts möglich. Die einstige Einmannkapelle des Multi-Instrumentalisten Luis Simões, die uns in den letzten Jahren mit herrlich psychoaktiven Elaboraten wie "Muzak" (die mit dem Nipplegate), "α Ω α" oder "The Real High" (2021) beglückte, legte hiermit den Grundstein für eine farbintensive, nunmehr schon über zwanzig Jahre währende Karriere. Eine Karriere, die hier, mit "The Glitter Odd" aus dem verwunschenen Nebeln transzendenten Selbstvergessens entstieg. The Glitter Odd by Saturnia Im Gegensatz zu nachfolgenden Veröffentlichungen, bei welchen die…
(18:13, CD, Digital; Argonauta Records, 2023) Was als Soloprojekt von Spyros Olivotos begann, nimmt nun Bandcharakter an. Auf dem Weg, sozusagen als Vorbereitung zum bald erscheinenden Debüt-Album, gibt es aber nun doch erst einmal wieder "nur" eine EP. Wobei das nur an dieser Stelle nicht abwertend gemeint ist. Denn wahrlich wie ein Erdbeben kommt "Seismos" über uns. Und auch wirklich basiert die Drei-Track-EP auf dem Konzept "Erdbeben". Die in Berlin und Athen beheimatete Band reflektiert alle Facetten des Post Rock auf der etwas länger als eine Viertelstunde währenden, dreigeteilten Instrumentalsuite. Der Prolog gestaltet sich mit 'Stage I: Rupture' unheilvoll und…
(30:42, CD, Vinyl, Digital; Bastardized Recordings, 2023) Kampf dem Patriarchat! Schuldig in allen Anklagepunkten. Vor allem jenen, die den titelgebenden Aufhänger zum neuen Machwerk der Japanischen Kampfhörspiele darstellen. "Krank zur Arbeit, Krank in den Feierabend, Krank von den Profitmaximierungspostulaten, Krank vom eigenen Gedankenbrei…" ('Krank'). Die Progressive Grinder setzen an den wunden Punkten an und streuen noch kiloweise Salz in die Wunden. Das ist unangenehm und soll auch unangenehm sein. Ein Track wie 'Mathematik' bringt in seiner einminütigen Brachialattacke die Intentionen des Krawallkollektivs, das doch tatsächlich auch schon ein Vierteljahrhundert auf dem Moshpit-krummen Buckel hat, am treffendsten und direktesten herüber. BLASKAPELLE…
(47:58, CD, Vinyl, Digital; Eigenvertrieb, 2023) "Keep Your Fear Away From Me" – diesem Statement darf man sich ohne Widerworte anschließen. Quasi ein "out, demons, out…" im Le-Mur-Outfit. Nach dem Dreier "In Tenebris" (2012), „Silentia Nova“ (2013) sowie „Exorta“ (2018) steht das Bochumer Trio (obacht, es gibt auch noch eine spanische (?) Female Fronted-Formation exakt gleichen Namens, d. Schlussred.) nun mit dem vierten Album in den Startlöchern, welches wieder einmal alles vereinnahmt, was man in den letzten Jahren musikalisch aufsaugen konnte (so gibt man selbst zu Protokoll, dass ZeitgenossInnen wie Miles Davis der 70er Jahre, Camel, the Doors, Sonic Youth,…
(42:06, Vinyl, Digital; BlauBlau Records, 2023) Jetzt wird es kompliziert: "Film 2 erklärt das Phänomen einer One-Perfect-Version als Betrug und meldet sich mit einem Album als Meditationsstück namens "Sorge*" zurück. Zwischen Besorgnis und Vorsicht, Sorgen und Fürsorge stellt es einen Zustand der Ruhe und Schwingung inmitten eines überwältigend komplexen Chaos dar, einen sanften Abschied von einem veralteten Zuhause. Die LP besteht aus einem ca. 40-minütigen Track namens 'Welt', das dreimal in drei verschiedenen Kontexten aufgeführt, eingefangen und verarbeitet wurde, vom Rohmaterial bis zur kollektiven Praxis: das Gleiche in drei Versionen, unterschiedlich, gleichzeitig, ganzheitlich. Welche Version von "Sorge*" auf den Plattenteller…
(59:15, CD, Vinyl, Digital, Tonzonen Records/Soulfood, 16.06.2023) Die Titel sprechen doch schon einmal für sich – 'Operation Mindfuck', 'Psychedelik Kosmonaut', 'Andromeda Speed Freaks' oder (ganz wichtig und essentiell!) 'The Art Of Microdosing'. Die Kosmonauten von The Sun Or The Moon (eben genau das ist die Frage aller Fragen) wissen, was hinsichtlich eines ganz speziellen Trips outta space wirklich wichtig ist. Mit acht (auf dem Vinyl sechs) Exkursionen in eben diesen empfiehlt sich das Ensemble aus dem Großraum Mainz mit überaus relaxten und damit hochgradig psychoaktiven Soundscapes, die nur selten einmal auf Warp kommen und lieber die Schönheit des zu Betrachtenden…
(70:10, CD, Vinyl, Digital; Prophecy Productions/Soulfood, 2023) "When night falls onto the sub-arctic landscapes of the Land of the Thousand Lakes, in the twilight of forest and swamps, the veils between our reality and the otherworld grow thin. It is at those times that stories such as ‚the fairy tale that never was leak into the lyrics and music of TENHI." Nun dachte man tatsächlich, dass die Schamanen nordischer Klangkunst in den undurchdringlichen Wäldern und Sümpfen Finnlands verlorengegangen sind, gab es doch zehn Jahre kein Lebenszeichen von Tyko Saarikko und Ilmari Issakainen, die den Kern von Tenhi bilden. Derweil deren…
(52:38, Digital, Sliptrick Records, 2023) Zieht man die EPs und weitere Kleinformate ab, dann ist "Anti" tatsächlich "erst" das dritte Album des spanischen Sextetts. Dieses Mal mit einem Label im Background bietet sich nun eventuell die Möglichkeit eines steigenden Bekanntheitsgrades, was F/E/A (Forces Elèctriques d’Andorra) dann auch durchaus zuzutrauen und der Band auch zu gönnen wäre. Neben impulsiven Ausuferungen (was mit drei Gitarren auch durchaus logisch ist) setzt die Band dann auf hypnotisch-stoische Strukturen, die den Tracks eine transzendente Aura bescheren. Zwischen fünf und zwölf Minuten lang begünstigt die Laufzeit dann eben den Flow, den auch die hin und wieder…