(1:25:00; Vinyl (2 LP), CD, Digital; InsideOut Music/Sony Music, 18.10.2024)
John Mitchell hat seine Finger bekanntlich in vielerlei Bands und Projekten. Ob Lonely Robot, Kino, It Bites, Arena, Asia oder eben auch Frost*, meist ist die Handschrift des Musikers unüberhörbar. Manchmal so sehr, das man Angst hat, er hätte sich mit dem “Morse Of The Same”-Virus angesteckt. So war es eine echte Erleichterung, als Arena sich nach dem Ausscheiden ihres Sängers Paul Manzi für Damian Wilson als Nachfolger entschieden und die vakante Stelle hinterm Mikrofon nicht einfach ihrem Gitarristen John Mitchell überließen. Nicht etwa, weil Mitchell ein schlechter Frontmann gewesen wäre. Sondern vielmehr, da es gerade seine Stimme ist, mit der er Bands einen so prägenden Stempel aufrückt. Es ist dann ebenfalls eine begrüßenswerte Entscheidung, dass Frost*-Kopf Jem Godfrey für “Life In The Wires” wieder die Leadvocals von John Mitchell übernommen hat. So klingt das mittlerweile fünfte Studio-Album der Engländer schon aufgrund des Gesanges wieder vielmehr nach den alten Frost* der “Milliontown”-Tage als etwa das von Mitchell eingesungene ’21er “Day And Age” (2021), dass eine viel zu intensive Lonely-Robot- bzw. Kino-Note aufwies. Und auch personell hat sich das Karussell bei Frost* wieder etwas zurückgedreht, denn der 2019 ausgestiegene Schlagzeuger Craig Blundell gehört mittlerweile wieder, neben Godfrey, Mitchell und Bassist Nathan King, zum festen Line-up der Band.
Ist also “Back To The Roots” im Hause Frost* angesagt? Irgendwie schon, denn “Life In The Wires” ist viel weniger songorientiert als das Vorgängeralbum, was den einzelnen Musikern ordentlich Platz einräumt, sich auf ihren Instrumenten auch mal etwas gehen zu lassen. Und doch klingen Frost* 2024 so frisch und ideenreich wie man es kaum noch hätte erwarten können. Denn obwohl es sich bei “Life In The Wires” um ein 85-minütiges Konzeptalbum handelt, bleibt der Doppeldecker doch von der ersten bis zur letzten Minute abwechslungsreich und spannend.
“Life In The Wires” ist dabei das Brainchild von Jem Godfrey, der für das Album eine Geschichte ersonnen hat, die an das Vorgängeralbum anschließt:
It’s actually a sort of continuation from “Day And Age”. The first track on the new album starts with the end of the last track from that album ‘Repeat To Fade’, where the static comes up and a voice says »Can you hear me?« I remember putting that in when we did “Day And Age” as a possible little hook for the future; a character somewhere out there in “Day And Age” land trying to be heard. What does he want to say? Can anybody hear him? “Day And Age” kind of sets up the world that this character lives in and “Life In The Wires” tells his story.
Die Geschichte des Albums dreht sich dabei um den Hauptcharakter Naio, einen ziellosen Jungen, der in einer von Künstlicher Intelligenz regierten Welt auf eine bedeutungslose Zukunft zusteuert. Er hört einen alten DJ, dessen Stimme über Mittelwelle aus einem antiken Radio erklingt, das seine Mutter ihm einst geschenkt hat. Er beschließt, die Quelle des Signals zu verfolgen und Livewire zu finden, um zu sehen, ob es eine bessere Zukunft gibt. Das Allsehende Auge ist von diesem Versuch unabhängigen Denkens allerdings wenig begeistert und wehrt sich. So findet sich Naio bald auf der Flucht quer durchs Land, verfolgt von einer wütenden Menge, während er versucht, das Zuhause von Livewire zu finden – und seine Freiheit .
Eine Geschichte, ganz ohne Feen und Einhörer. Und gerade deswegen so typisch für den Progressive Rock, man denke hier nur an andere Utopien bzw. Dystopien wie etwa Queensrÿches “Operation: Mindcrime”, Styx‘ “Kilroy Was Here”, Dream Theaters “The Astonishing”, Rushs “2112” oder IQs “Subterranea“.
Besonders überraschend an “Life In The Wires” ist übrigens, wie heavy Frost* stellenweise klingen, insbesondere bei den beiden als Singles ausgekoppelten Stücken ‘Idiot Box’ und ‘Moral And Consequence’, was vor allem auf John Mitchells fettes Riffing zurückzuführen ist.
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Es ist eine neue Komponente im Kosmos des All-Star-Projektes, die das Soundgefüge aus Jem Godfreys Pop-Melodien (☢️🐱), synthetischen Orchesterklängen, groovender Rhythmik und klassischen Prog-Spielereien wunderbar erweitern.
Leider ist der Abwechslungsreichtum, der “Life In The Wires” so spannend macht, gleichzeitig auch die Schwäche dieses Platte. Denn für ein Konzeptalbum besitzt “Life In The Wires” viel zu wenig wiederkehrende Elemente, die der Platte einen roten Faden verleihen würden. Gerade bei einer Laufzeit von knapp anderthalb Stunden wäre dies wünschenswert gewesen, denn am Ende angekommen, hat man die Melodien und Themen der ersten Stücke längst wieder vergessen, sodass man gar nicht unbedingt mitbekommt, wenn sich die Band mit ‘Life In The Wires, Pt. 2’ tatsächlich darum bemüht, einen Bogen zum ersten Teil des Stückes zu spannen.
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Denn obwohl der gut 15-minütige Track eine Nummer ist, wie sie ein jeder Prog-Fan wohl lieben mag, ist sie, am Ende der Platte angesiedelt, dann doch ein wenig zu viel des Guten. Weniger wäre hier mehr gewesen. Dann würde es dem ein oder anderen, am Ende der Geschichte angekommen, wohl leichter fallen, gleich noch einmal auf Play zu drücken. So allerdings verhindert die Lauflänge der Platte ein wenig, dass diese sich schnell tiefer im Gedächtnis festsetzen kann. Ein Manko, das für echte Liebhaber komplexer Konzeptalbum allerdings auch ein Qualitätsmerkmal darstellen könnte.
Bewertung: 11/15 Punkten
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Besetzung:
Jem Godfrey – Keyboards, guitar, vocals
Nathan King – Bass, vocals
John Mitchell – Guitars, vocals
Craig Blundell – drums
Diskografie (Stuidioalben):
“Milliontown” (2006)
“Experiments In Mass Appeal” (2008)
“Falling Satellites” (2016)
“Day And Age” (2021)
“Life In The Wires” (2024)
Surftipps zu Frost*:
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Wikipedia
Rezensionen:
“Island Live” (2023)
“Day And Age” (2021)
“13 Winters” (2020)
“Others” (2020)
“Falling Satellites” (2016)
“Experiments In Mass Appeal” (2008)
“Milliontown” (2006)
Konzert- und Festivalberichte:
23.06.23, Valkenburg aan de Geul (NL), Openluchttheater, Midsummer Prog Festival 2023
04.03.17, Zoetermeer (NL), Boerderij, Progdreams VI Festival
Alle Abbildungen wurden uns freundlicherweise von Oktober Promotion zur Verfügung gestellt.