(130:23, Doppel-CD, Roadrunner Records, 2016)
Was waren das für spannende Wochen für Dream-Theater-Fans vor der Veröffentlichung des neuen Werkes “The Astonishing” Ende Januar! Über viele Wochen hinweg hatte die Band Details zum neuen Album auf ihrer Webseite gespoilert. Bald wusste man: “The Astonishing” wird ein Konzeptalbum. Und zwar eines, das in ferner Zukunft spielt – mindestens soviel wurde aus den nach und nach skizzierten Charakteren deutlich. Und auch die Liste der Songs wurde vorab veröffentlicht, was für große Augen sorgte: Ganze 34(!) Songs, unterteilt in zwei Akte und auf zwei CDs verteilt, umfasst “The Astonishing”. Damit war schnell klar: Dream Theater wenden sich von episch langen progressiven Monstertracks ab und widmen sich gut verdaulichen Musikhäppchen. Tatsächlich knackt nur ein einziges Stück die Siebenminuten-Grenze, viele Songs kommen schon nach vier bis fünf Minuten zum Schlussakkord.
Die Geschichte handelt von einem eher klassichen Kampf Regierung gegen Volk. Auf der einen Seite steht das Empire, angeführt vom Imperator Nafaryus, der das Volk unterdrückt und unter anderem auch die Musik verbietet. Und auf der anderen Seite ein unterdrücktes Volk, das aufbegehrt und in Gabriel einen Anführer findet. Hier noch eine Prise Liebe, dort noch ein Mord – fertig ist der Plot, der erzählt werden möchte. So richtig innovativ ist die auf “The Astonishing” erzählte Geschichte wahrlich nicht. Tatsächlich brachten die Prog-Metaller von Mindcage bereits im Sommer 2013 mit “Our Own Devices” ein Konzeptalbum auf den Markt, das quasi die gleiche Geschichte erzählt. Selbst die Namen der dort auftretenden Charaktere ähneln jenen von “The Astonishing” teils sehr. Hat sich Gitarrist John Petrucci, der sich für die Geschichte des neuen Albums verantwortlich zeigt, etwas zu sehr von Mindcage inspirieren lassen? Innovativ hingegen ist das, was die Prog-Götter um Sänger James Labrie musikalisch auf die Beine gestellt haben:
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Natürlich sind Dream Theater immer noch eindeutig als Dream Theater zu erkennen, aber noch nie klangen sie so wie auf ihrem neuen Album. “The Astonishing” kann man keinesfalls mehr als Progressive Metal bezeichnen, das Album ist vielmehr eine lupenreine Rockoper geworden. Ein von Musik-Tausendsassa David Campbell (er hat schon für Größen wie Rush, Muse, Adele, Biffy Clyro und Radiohead Songs arrangiert) perfekt arrangiertes Orchester unterstützt die Band nach Kräften und schmiegt sich wunderbar in die Songs der fünf Amerikaner ein. Band und Orchester funktionieren wirklich prächtig als Einheit, auch weil die Songs bei weitem nicht jene Härte haben, die man von Dream Theater erwartet: Die im Vorfeld bekannt gewordenen Titel “The Gift Of Music” und “Moment Of Betrayal” sind mit die härtesten Songs auf den Silberlingen. Ansonsten finden sich viele Tracks im Midtempo-Bereich, und auch vor Balladen haben sich Dream Theater nicht gescheut. Zudem verzichten die Ausnahmemusiker auf die bis dato typische Frickelei in schier endlosen Instrumentalparts. Nur selten, und dann auch recht kurz, lassen sie sich zu Beginn des zweiten Akts derart gehen, um anschließend mit eher bedächtigen Songs das Finale einzuleiten.
Sicher, Dream Theater werden mit “The Astonishing” den einen oder anderen Fan verlieren – zu anders und auch zu zugänglich ist das neue Album geworden. Aber es ist auch diese Zugänglichkeit, die für eine neue Fanschar sorgen wird. Dream Theater haben das mutigste Album ihrer Karriere veröffentlicht, und das verdient großen Respekt.
Bewertung: 12/15 Punkten (AI 12, HK 7, KR 10, DH 6)
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Wikipedia (Band)
Wikipedia (Album, englisch)