(1:08:19; Vinyl, CD, Digital; Music Theories Recordings/Mascot Label Group, 17.11.2023)
“A Dream In Static” aus dem Jahre 2015 war für ein Debüt bereits ein Statement mit einigen Ausrufezeichen, konnte mit Gastbeiträgen von u.a. Daniel Tompkins (Tesseract) punkten und kochte über vor Ambitionen. Acht Jahre später ächzt und krächzt das Gebälk um ein Vielfaches mehr, sind Anspruch, Motivation und musikalisches Vermögen in jeglicher Hinsicht gewachsen, definiert und in knapp 70 Minuten gegossen und wie Keyboarder und Co-Orchestrator Frank Sacramone so schön formuliert: “Dieses Album hat fast unser Leben und unsere Freundschaften zerstört, es ist Wahnsinn, aber es ist wunderschön.” Earthside kreieren mit “Let The Truth Speak” eine emotionale Reise, eine Achterbahnfahrt. Und lassen darin den überbordenden Progressive Metal atmen, leben, zeichnen. Und integrieren spielerisch, aber mit hohem Aufwand, unterschiedlichst gefärbte Gast-Beiträge. Diese fügen sich zu einem Album zusammen, das wie ein großes Puzzle oder Mosaik erscheint, sich aber nach und nach zu einem großen Ganzen fügt.
“”A Dream In Static” war eher ein Ich-Album”, reflektiert Gitarrist und Orchestrator Jamie van Dyck. Jeder von uns beschäftigte sich auf seine Weise mit Themen wie Selbstverwirklichung und der Angst, nie ganz vollständig zu werden. “Let The Truth Speak” hingegen richtet seinen Fokus auf das Wir. Wenn die Wahrheit so wichtig ist, so heilig, dass sie vielleicht unser heiligster Grundsatz ist, warum geben wir uns dann so viel Mühe, sie zu verleugnen, sobald sie uns unangenehm ist oder unserem Narrativ widerspricht?”
Das emotionale Ringen, der permanent überbordende Charakter, ist omnipräsent in der Musik, das Gefühl, Perfektion, Originalität in jeder Sekunde zum allumfassenden Ausdruck zu definieren – er will über die komplette Album-Länge nie weichen. Orchestral startet das Intro ‘But What If We’re Wrong’ mit symphonisch untermalten fetten Riffs, um mit dem folgenden, vor Emotionalität berstenden ‘We Who Lament’ das erste Highlight zu setzen. Gast-Sängerin Keturah nimmt dich mit verzweifelt intonierten Vocals unmissverständlich an die Hand, der Refrain zieht dich tief hinein und die treibende, ständig intensiv wogende Rhythmik zwischen massiven Riff-Bergen, schleppend bis entrückt schwebend im Mittelteil, sind eine einzig fordernde massive Wall of Sound – danach ist Durchatmen angesagt. ‘Tyranny’ feat. Pritam Adhikary (Aarlon) ist nah am Modern Metal der Jetztzeit, die auch hier sehr emotional intonierten Vocals werden durch akzentuierte, vertrackt-entrückte Strophen-Parts geleitet und münden erneut in einem herzzerreißenden, bombastischen Refrain. Viele progressive, vertrackte Riffs/Rhythmen treiben durch ein ständiges Auf und Ab, lösen sich auf in vielerlei epischen Heavy Parts – opulent orchestrierte Untermalung tut auch hier ihr Übriges. Leidenschaftlich arbeitet AJ Channer (Fire From The Gods) mit ebenfalls sehr emotionalen Vocals den Tod seines Vaters im dynamisch zwischen hart und zart ausbalancierten Kraftpaket ‘Pattern Of Rebirth’ auf.
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Nach einem kurzen Instrumental gehts mit ‘The Lesser Evil’ feat. Larry Braggs & Sam Gendel eher sanft und schwebend, ja fast surreal traumartig weiter. Mit strangen, funkig-jazzigen, gar Djent-lastigen Gitarrenr-Rhythmen bricht man diese Atmosphäre aber komplett nach zwei Minuten auf und auch hier wird mit allerlei orchestralem Unterbau, nebst Bläsern, ein fast Soundtrack-artiges/Musical-ähnliches Szenario erschaffen. Hier legt sich die ganze Offenheit und Motivation dieser Veröffentlichung frei, man findet einfach dem Mut zur Lücke, legt jedwedes an Scheuklappen beiseite, wechselt ständig die Szenerie und dieser sehr eigenwillige, stets kurz vorm Implodieren stehende Moment fesselt. Das erneut von Keturah nebst Vikke und Duo Skorpio unterstützte ‘Denial’s Aria’ erinnert mit seinen sehnsüchtig flehenden, mehrstimmigen Vocals auf sehr angenehme Weise an die letzten hoch emotionalen Anathema-Momente. Ätherisch, sakral, mit vielerlei Streichern, driftet diese Ballade durch Raum und Zeit, immer irgendwie kurz vorm Zerbrechen. Ob das am Ende mit zuviel Bombast versehen ist, muss der geneigte Hörer selbst für sich entscheiden.
Earthside packen in jeder Sekunde alles hinein, die Dynamik-Kurve ruht nicht eine Sekunde. Sie lassen das kurze ‘Vespers’ eine kleine Insel sein, um dann mit einem weiteren Album-Highlight aufzufahren. ‘Let The Truth Speak’ mit Unterstützung von Daniel Tompkins von TesseracT und Gennady Tkachenko-Papizh knallt nochmal erfolgreich durch jede Wand, jede Decke – ein perfekter moderner Metal-Hit – Punkt! Das Zehnminütige Soundtrack-affine ‘All We Knew And Ever Loved’ mit Unterstützung von Leprous-Drummer Baard Kolstad taucht nochmal in verrückte Sound-Welten ein, wirkt fast wie die Untermalung zu einem selbstzerstörerischen Trip.
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Bewertung: 13/15 Punkten (RB 13, FF 12, KR 12)
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Besetzung:
Jamie van Dyck [Gitarren, Backing Vocals, Programmierung, Keyboards],
Ben Shanbrom [Schlagzeug, Backing Vocals],
Frank Sacramone [Keyboards, Synthesizer, Programmierung, Schlagzeug, Gitarre]
Ryan Griffin [Bass, Backing Vocals]
Diskographie (Studioalben):
“A Dream In Static” (2015)
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Rezensionen:
“A Dream In Static”(2015)
Live- & Festivalberichte:
06.10.23, Baarlo (NL), Sjiwa, ProgPower Europe 202301.10.23, Köln, Essigfabrik, Euroblast 2023
06.04.16, Essen, Turock
Alle Abbildungen wurden uns freundlicherweise von Mascot Label Group zur Vetfügung gestellt
Ein Kommentar
Ich habe das Album und die Band heute morgen auf Deezer entdeckt, und bin echt durch:) Hammergeiles Album! Danke für die Rezension Mr. BAERS! Wusste noch nicht so richtig wohin mit meinen Gefühlen, aber jetzt habe ich wieder festen Boden unter den Füßen. Aber die Flügel bleiben umgeschnallt’)
Werde das Werk noch einige Male hören wollen.
Und generell Danke an Euch! Fühle mich gut betreut:)!