Es ist Samstagabend und ganz Würzburg ist auf den Beinen. Bei der großen Posthalle direkt am Hauptbahnhof strömt eine Menschenmenge zu einem ausverkauften deutschen HipHop-Act. Ich mische mich unbemerkt unters Volk. Keiner merkt, dass ich garantiert keinen HipHop im Sinn habe. Ich biege ab, wo die Menge sich vor der Einlasskontrolle staut, denn es gibt versteckt auf dem Gelände einen Zugang zum Kellergeschoss. Dort hat der Jugendkultur-Treff „Immerhin“ seine Bleibe gefunden: ein Kneipenraum, ein Konzertraum. Aufspielen sollen CHATO!, Öz Ürügülü und 7for4.
Charly Heidenreich hat einmal mehr ein Billing vom Feinsten zusammengestellt! Und da sein „Shut Up and Play Your Guitar“-Festival an anderem Ort in Würzburg (Blauer Adler, Kenner mögen und lieben ihn) erst im Juni diesen Jahres so erfolgreich über die Bühne ging, stellte er den Abend noch einmal unter das Motto „Guitar Festival“:
Vor dem Kellerabgang sitzen Charly und Lutz. Sie genießen den lauen Novemberabend mit entfernten Soundcheck-Geräuschen aus diversen Kellerschächten. Großes Hallo bei der Begrüßung. Der O-Ton des unermüdlichen und immer zu einem Scherz aufgelegten Charly klingt so: „Jetzt haben wir drei Bands, zwei Fotografen und … – null Publikum!“.
Doch das bleibt nicht lange so. Sitze werden in den Konzertraum getragen, und sie füllen sich zum ersten Act! Alteingesessene Konzertgänger der „Freakshow in Concert“-Reihe aus Nah und Fern mischen sich mit neuen Gesichtern – Musikstudenten, Kommilitonen des ersten Acts namens CHATO! (als Band tatsächlich in Versalien und mit Ausrufezeichen geschrieben). Mit im Publikum: Sängerin Sophie Lefeber, sie wird später einen wunderschönen Cameo-Auftritt mit der Band bei „Pulsh-Hit“ haben. Namensgeber Chato Segerer ist dem Umfeld der Freakshow-Konzerte kein Unbekannter mehr. 2012 schon begab sich der damals blutjunge Musiker mit geliehener Gitarre auf die Bühne und rettete so den Festival-Nachmittag, während die angekündigte französische Band Scherzoo bei Stuttgart im Stau stand. Das sah damals so aus:
Die Kernbesetzung von CHATO! wird an diesem Abend durch das Gastspiel von Kay Hoffmann an Saxophon und Klarinette bereichert. So kann die Band ihre Jazzfusion-Perlen standesgemäß präsentieren. ‚Silverliner‘ zum Beispiel, einen „Instant Classic“ und, wenn ihr mich fragt, außerdem ein noch unveröffentlichtes Stück, das bisher nur einen Arbeitstitel hat. Zappas Ziehsohn und seine Mannen zaubern mit einem Augenzwinkern die kunterbunten Kompositionen des Albums so auf die Bühne, dass die Stunde Spielzeit wie im Flug vergeht! Hilft nur, als Zugabe eine Highspeed-Version der im Original schon nicht gerade getragenen ‚Suzy Speedfreak‘ nachzureichen!
Welche Übürüschüng kommt im Anschluss an diesen Spaß für einen allerersten Deutschland-Gig eigens aus der Alpenrepublik angereist?! Öz Ürügülü, die Band, die jeden Journalisten ohne deutsche Computer-Tastatur in den Wahnsinn treiben muss! Humor ist also auch bei dieser sechsköpfigen Formation zu Hause! Die Titel, die sie zum Besten gibt, heißen dann auch ‚Concerto for Group and Espresso Machine‘ oder ‚Secret Cheese‘. Angelo Gwerders Gitarrensounds mit orientalischer Färbung waren nördlich der Alpen so noch unerhört. Das ist originell, das ist, was „progressiv“ im Wortsinne sein soll! Das Publikum lauscht andächtig genug, um dafür von der Band prompt gelobt zu werden. Das einzige Album der Band wechselt im Anschluss reihenweise die Besitzer. „Das wird ein Nachspiel haben“, so Charlys O-Ton im Anschluss …
Auch die dritte Band im Bunde, 7for4, ist, wie die Opener, keine Unbekannte mehr. Schon 2008 beehrten die Fusion-Veteranen Würzburg auf dem Laney-Guitar-Festival.
Für den diesjährigen Auftritt in den frühen Morgenstunden zum Trio geschrumpft, geben die Münchner ihre Stücke in leicht umarrangierten Versionen zum Besten. Auf 16 Jahre Bandgeschichte und vier Alben können sie zurückblicken, und mit der Coolness des langjährig eingespielten Teams rocken sie mit ihrem ureigenen Fusion-Metal-Funk-Mix den Raum. Auch diese Formation wird man nicht zum letzten Mal gesehen und genossen haben.
See you soon in Würzburg! Und zum Abschluss noch ein Blick in die schön plakatierte Würzburger Domstraße. Wer findet den Schreibfehler im weißen „Immerhin“-Plakat?
Surftipps zum Festival:
Freakshow in Concert
CHATO!
Öz Ürügülü
7for4
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