(41:29; Vinyl, CD, Digital; Pelagic Records, 01.08.2025)
"Blodsträngen" in der Doppelbetreuung
Teil 1: Rajko Baers
Blessings aus Göteborg mit ihrer dritten Rille, und diese Platte ist ein kleines fieses Monster. Den Vorgänger „Biskopskniven" kenne ich nicht, ging also völlig unbedarft an die Sache. Zuerst einmal Kompliment für einen mächtigen, extrem dynamischen Sound. Gerade die ausladenden Drums, das sphärische Gitarrenspiel und die ständige Unruhe, der permanente Moment vor dem Knall sind ein absolut geiles Stilmittel, um Dich sekündlich im Puls der Platte zu halten. Mit dem urbanen, unterschwellig verzweifelten Opener 'Raised On Graves' zieht man nach und nach die Daumenschraube an, rockt irgendwann wie ein von der Kette losgelassener Pitbull, ohne das ganz große Chaos zu kreieren. Die Vorab-Single 'Springs Of Red' prescht latent angepisst, aber jederzeit melodisch direkt durch die Wand, postig sphärische, wahlweise tief grabend/wühlende Gitarren ziehen sofort einen wogenden Mosh Pit vors imaginäre Auge. Der Song setzt hintenraus mit geilen Grooves und schweren, schleppenden Riffs ordentlich Energie frei - Atmosphäre pur! Langsam, weltabgewandt driftet das modrige 'Clean' erstmal vor sich hin, ein sehr präsenter Basslauf nebst doomigen Rhythmen und leidenden Vocals leitet dann so langsam in den verdienten Break Out über, der sich dann aber so richtig verzweifelt über Dir ausleert. Die kalten, schleifenden Gitarren machen Laune, bringt der brachial voluminöse, sehr organische Sound die spezielle Form der Katharsis auf unmittelbare Weise an den Mann oder die Frau.
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Die zweite Seite wird vom verrückt tänzelnden 'No Good Things' eingeleitet. Leichtfüßig der Groove, ein dominanter Bass, fragile Vocals, die sich aber schnell von Traurigkeit in Wut transferieren. Die kathartische Entladung lässt auch hier einen beeindruckenden Erdrutsch zu. Die Wall of Sound weiß zwischendrin mit feinen düsteren Postrock-Akkorden stimmungsvolle Bilder zu zeichnen, selbst kurzes Uptempo findet seine Berechtigung - die Verzweiflung klebt trotzdem jede Sekunde an Dir. 'Alt Vi Kan Ge Är Upp" ist langsam und brodelt vor Hingabe und Schmerz, fächert irgendwann mit epischen Akkorden schwer melancholisch auf, legt ein Paar Schichten in der Intensitätspalette drauf. Riesiges Kompliment für den Gesang, der abseits ausgelutschter Hardcore-Shouting-Klischees einen eigenen Tune findet. Man merkt, dass hier alte Hasen/Veteranen der extremen Szenerie am Start sind, die ihren eigenen Sound haben. 'Copper + Dirt' ist kurz und springt Dich zwei Minuten lang angepisst an, während der Abschluss 'Through Veils of Glass and Silica' mit schleifend drückender Heavyness nochmal ordentlich Schmerz in knapp zehn Minuten kanalisiert, mit tollen Melodien und Akkorden episch in die Breite musiziert. Irgendwann lässt man aber los und spaziert leise, mit eher feingliedrigen Akkorden aus dem Album hinaus.
Ich liebe den wühlenden, manisch leidenschaftlichen Sound der Schweden. Eine permanente, kurz vor dem Knall berstende Atmosphäre treibt Dich durch diese immer latent sperrig chaotischen 40 Minuten organischen Nischen-Sound, lässt Katharsis mal mit anderen Tönen deine Synapsen berühren - schon jetzt ein Highlight in 2025.
Bewertung: 12/15 Punkten
Teil 2: Carsten Agthe
God bless Blessings. Oder so. Das Konzept mit dem unheiligen Letter "B" zieht sich bei den Dänen durch die Discographie – erst "Bittervaten", dann "Biskopskniven" und jetzt "Blodsträngen", womit der unheiligen Dreifaltigkeit nun auch Genüge getan ist. Auf den Spuren der Blutlinie verlieren sich die Kopenhagener in einen harschen, dynamischen Sud aus Hardcore, Post Punk und Post Rock, was auch auf "Blodsträngen" zu einem harschen, eiskalten Soundbild modifiziert wird. 'Raised On Graves' - der Opener, bürgt erst einmal für Qualität und bestätigt die Vorabvisionen eines vor allem kompromisslosen Reigens in Hardcore – treibend, unnahbar und wütend. Diese Charaktereigenschaften werden mit 'Strings Of Red' noch einmal potenziert und münden in einem brutalen Nackenbrecher. 'Clean' kommt als spröder, schleppender Malstrom, der sich zäh wie Blei auf die wartenden Delinquenten ergießt. Der Bass wummert alternativlos, die Gitarren schneiden sich unweigerlich in die Nervenenden, die Ausbrüche geraten zu Statements purer Verzweiflung. Und das auch noch auf quälenden acht Minuten. 'No Good Things' entwickelt sich zum kraftvoll nachhallenden Postpunker, 'Alt Vi Kann Ge Ar Upp' zum heroischen Jubelgesang auf Walhalla mit Post'n'Kraut-Rock-DNA. Und, wo 'Copper + Dirt' zum kurzweiligen und punkigen Sludge-Brocken gerät schwingt sich 'Though Veils Of Glass And Silica' zur neunminütigen Urschreitherapie in Hardcore auf. Mächtig gewaltig…
Bewertung: 12/15 Punkten
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Besetzung:
Fredrik Karlsson
Mattias Rasmusson
Johan G. Winther
Erik Skytt
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Rezensionen:
"Biskopskniven" (2021)
Alle Abbildungen wurden uns freundlicherweise von Hold Tight zur Verfügung gestellt.