(56:58, CD, Vinyl, digital; MiG Music, 08.12.2023)
Dank des vorliegenden Albums darf der Schreiberling eine Wissenslücke schließen, denn obwohl Agitation Free als Kultband der Krautrockszene gilt, ist dies seine erste bewusste Begegnung mit dieser Band. Namentlich natürlich bekannt, hatten Beschreibungen ihrer Musik bisher eher abschreckende Wirkung, denn beispielsweise World Music gehört nicht gerade zu den beliebtesten musikalischen Ausrichtungen. Doch dieses Album erfüllt gleich einen guten Zweck, nämlich die Belehrung, dass Derartiges durchaus sehr spannend sein kann, und das belegt die beinahe in Originalbesetzung angetretene Formation.
Zunächst einmal ein Rückblick. Die Band wurde 1967 gegründet – faszinierend genug also schon mal der Fakt, dass sie fast in Originalbesetzung 56 (in Worten: sechsundfünfzig) Jahre später mit neuem Album wieder auftauchen! Die Berliner Formation um Gitarrist Lutz Ulbrich, auch bekannt als “Lüül”, entwickelte ihren eigenen sphärisch-psychedelischen Krautrock-Stil. Sie machten sich in der Szene einen Namen und entwickelten sich zu einer Art Kultband, die auch Elemente der World Music in ihre Kompositionen integrierten. Keine Überraschung, dass sie unter anderem in Ägypten, Libanon, Griechenland und Zypern tourten. In Japan wurden sie ebenfalls zu einer sehr gefragten Band. Das ’72er Album “Malesch” und das ein Jahr später veröffentlichte “2nd” bildeten das Fundament für ihren Ruf. Es gibt unter anderem Querverbindungen zu Tangerine Dream oder Guru Guru, so spielte beispielsweise Michael Hoenig kurzzeitig bei TD. Eine Zusammenarbeit mit Manuel Göttsching erschien kürzlich, ebenfalls bei MiG Music, und wurde hier vorgestellt. Es folgte das 76er “Last” und diverse Live-Alben und Kurzzeit-Reunions.
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Nun also “Momentum”. Wann genau die Titel eingespielt wurden, bleibt unklar, denn der in der Besetzungsliste aufgeführte Gitarrist Gustl Lütjens verstarb 2017. Es handelt sich um sieben Instrumental-Titel mit geringer Streuung in den Laufzeiten (zwischen sechs und neun Minuten). Und was dort geboten wird, macht richtig Spaß. Es wird improvisiert, aber niemals so ausufernd, dass sie sich in ihren eigenen Kompositionen verlieren. Ihre Weltmusik-Einflüsse sind exzellent in den Gesamtsound integriert und ebenfalls perfekt portioniert, Entwarnung also für diejenigen, die um dieses Genre sonst einen Bogen machen. Wie beispielsweise die Santur (von Peter Michael Hamel gespielt) auf ‘Levant’ eingebracht wird, das hat schon was.
Die Gitarren geben meist den Ton an, die rhythmische Ausarbeitung ist wunderbar, auch der neue Bassist Daniel Cordes gibt eine gute Figur ab. Dazu noch die Untermalung durch die Tasteninstrumente, das ist alles aufs Feinste abgestimmt. Highlight aus des Rezensenten Sicht ist ‘Lilac’, ohne dass jedoch die anderen Titel sonderlich abfallen. Im Gegenteil, das sehr ruhig beginnende ‘Nightwatch’, der längste Titel des Albums, übt eine beinahe verzaubernde Faszination aus. Ein rundweg gelungenes Comeback!
Bewertung: 11/15 Punkten (JM 11, KR 11)
Besetzung:
Lutz-Graf Ulbrich – electric and acoustic guitars / banjo
Michael Hoenig – keyboards / synthesizers / electronics / percussion
Gustl Lütjens – electric and acoustic guitars / vocals
Burghard Rausch – drums / electronic percussion
Daniel Cordes – bass guitar / synthesizers
Gäste:
Benjamin Schwenen – guitar (‘Nouveau Son’)
Peter Michael Hamel – santur (‘Levant’)
Pierre Lattès – spoken words from “Rock en Stock” (‘Nouveau Son’)
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Abbildung: Agitation Free / MiG Music