(40:42, CD, Radicalis, 2018)
Bei “Universal Boundaries”, dem zweiten Werk der Schweizer The Night Is Still Young, wirft sich unweigerlich die Frage auf, wie nahe man sich als Künstler seinen Vorbildern und Inspirationenen annähern sollte, ohne sich den sich den Vorwurf des Plagiats oder gar den einer Karikatur gefallen lassen zu müssen. Kennt man nämlich das Album “Gentle Spirit” von Jonathan Wilson, dann erahnt man sehr schnell, wo die Inspiration zu “Universal Boundaries” ihren Ursprung hat.
Bereits das eröffende “Release The Pain” ist eine tiefe Verbeugung vor dem Retro-Westcoast-Rocker aus Kalifornien. Den textlichen Wink mit dem Zaunpfahl (Zitat: “Listening to your records with a sigh. Jonathan, you are making me cry…”) in ‘Dreaming of L. A.’ hätte es dazu sicher nicht gebraucht. Instrumentierungen, Arrangements, Sounds und Produktionen lehnen sich ausnahmslos an “Gentle Spirit” an. Da sind das Zusammenspiel zwischen Akustik- und E-Gitarre, die unkonventionellen und überraschenden Tempiwechsel, das minutenlange Verharren auf einer Melodielinie, die Phrasierung der Soli… Man könnte die Liste durchaus noch fortführen.
Was in den ersten fünf bis zehn Minuten noch einen gewissen Charme zu besitzen scheint, wendet sich leider über Albumlänge hin zur einer beinahe völligen Abwesenheit eigener Identität. Von der Leichtigkeit und dem Genius des Originals ist man jedoch meilenweit entfernt. Führt man sich vor Auge, dass Jonathan Wilson selbst nicht selten seine eigenen Idole zitiert, wird das um so deutlicher. Auch lyrische Tiefschläge wie “I shoot myself with the waterpistol of my son” wollen erst einmal verdaut werden.
Sie sehen gerade einen Platzhalterinhalt von YouTube. Um auf den eigentlichen Inhalt zuzugreifen, klicken Sie auf die Schaltfläche unten. Bitte beachten Sie, dass dabei Daten an Drittanbieter weitergegeben werden.
Das Label-Info beschreibt Marco Naef (so der bürgerliche Name) als einen Künstler, für den Komponieren und Schreiben von Songs eine Art persönliche Kartharis sei. Es fällt nicht leicht das zu glauben, bei all der schablonenhaften Abarbeitung von Jonathan Wilson-Attitüde.
Lässt man all diese vergleichenden Aspekte beiseite, dann ist “Universal Boundaries” ein einigermaßen ordentliches Album, das seine Ideen jedoch ziemlich zerdehnt. Das fällt gerade bei den beiden über 13 Minuten langen Stücken ‘Dreaming of L. A.’ und ‘We Are Doomed’ auf, wo einzelne Themen über mehrere Minuten strapaziert werden. In sich schlüssiger wirkt ‘Ivory Tower’, an dem zumindest ein Rezensent ohne Jonathan Wilson Hintergundwissen, keine Haare in der Suppe findet. Letztlich wünscht man The Night Is Still Young für die Zukunft einfach deutlich mehr Eigenständigkeit. Dann könnte es was werden.
Bewertung: 6/15 Punkten
Surf-Tipps zu The Night Is Still Young
Homepage
Facebook
Spotify