WIV Entertainment lud zum elften “Night Of The Prog Festival” vor die Freilichtbühne auf dem Loreley-Felsen. An drei Tagen spielten insgesamt neunzehn Bands. Das Hauptaugenmerk lag auf Prog, wie im Namen des Festivals angegeben, aber mit Magic Pie und auch Hawkwind sowie Carl Palmer`s ELP Legacy sind die Grenzen zum Rock fließend. Aber genau das macht den “Spirit” vom NotP aus.
Freitag, erster Festivaltag
Langsam kamen die Proggies aus ihren Löchern gekrochen und trudelten nacheinander auf dem Festivalgelände ein. Dadurch haben manche Lion Shepherd verpasst – schade! Begannen sie recht gefällig mit ‘Fly On’, bezauberte ‘Brave New World’ das erste Mal die Hörer. Ab jetzt ging es Schlag auf Schlag und LS spielten sich in einen Rausch. Arabische Einflüsse wurden wunderbar in die Songs eingearbeitet. Der Peter-Gabriel Klassiker ‘Red Rain’ wurde rockig zum Besten gegeben. Die Eröffnungs-Bands haben immer nur eine Stunde zur Verfügung. Dies war in diesem Fall definitiv zu kurz. Denn die Polen sind sicherlich in der Kategorie Überraschung einzuordnen.
Mit Subsignal bahnte sich der nächste Höhepunkt an. Dabei sind wir erst am Anfang. Zuerst einmal schenkten sie sich und dem Publikum Zeit. Sie begannen fünfzehn Minuten vor der angegebenen Startzeit. Ihre Mischung verschiedener Stilrichtungen kam gut an. Arno Menses, der Sänger der Band, nutzte die ganze Breite der Bühne für seine Darbietung. Mit seiner sympathischen Art ermunterte er auch den letzten Ignoranten zum Headbangen.
Bei schönstem Wetter und langsam steigenden Temperaturen, sah man viele kurze Hosen und natürlich Band-Shirts, welche die ganze Bandbreite der Progmusik und des Festivals der vergangenen Jahre, abbildete.
Sofort nach dem Ende von Subsignal begannen die Umbauarbeiten für Mostly Autumn. Mit ihrer Melange aus floydianischen Klängen und Folkrock zauberten sie eine wunderbare Stimmung ins Halbrund. Olivia Sparnenn kam der Vorstellung von der ursprünglichen Loreley mit ihren blonden, gelockten Haaren und einer reinen Stimme sehr nahe. Mit ‘Heroes Never Dies’ ließen sie nach siebzig Minuten ein begeistertes Publikum zurück. Was für ein Einstand in den ersten Tag.
Die Festivalatmosphäre erreichte langsam ihren Höhepunkt. Die Zuschauer verteilten sich übers Gelände. Man traf alte Bekannte, deckte sich mit Speisen ein, oder legte sich auf eine Decke und genoss die Sonne. Ausdrücklich wurde im Vorfeld von WIV-Entertainment darauf aufmerksam gemacht, dass Klappstühle erlaubt waren. So saßen viele auf eben diesen praktischen Möbeln. Glücklich, wer einen Getränkehalter an der Lehne sein eigen nannte.
Die schwedische Combo Anekdoten wollte auch länger spielen – nach gerade einmal zwanzig Minuten Umbaupause begannen sie ihren Gig. Dem Publikum war es recht. Ihre Kompositionen waren eingängig, aber sehr vom Blues geprägt. Damit ist nicht die Musikrichtung, sondern der Gemütszustand gemeint. Anna Sofi Dahlberg verbreitete eine Wirkung an ihrem Mellotron, die der einer Schlaftablette sehr nah kam. Die Töne, welche sie erzeugte, waren allerdings wunderschön. Die Vocals von Niklas Barker kamen recht dünn rüber, während die Stimme von Jan Erik Liljeström voluminöser klang. Und doch, die Anekdoten hatten die Dramaturgie gut aufgebaut. Fingen sie behutsam an, steigerten sie das Tempo bis zum Siedepunkt. Die Loreley, bzw. das Publikum, war aus dem Häuschen.
Um 20:15 Uhr betraten Lucifer`s Friend die Bühne. In den Siebzigern eine Größe des Rockbusiness, befanden sie sich später in der Auflösung. 1994 war endgültig Schluss. 2015 gab es mit “Awakening” ein Wiedererwachen der Band. Sie begannen mit ihrem typischen Soft-Hard-Rock vom Debutalbum “Lucifer´s Friend”. John Lawton gab den Rockstar. Mit seinen 70 (!) Jahren wirkte dies nicht lächerlich. Auch seiner Stimme nimmt man den Rock Shouter noch ab. Die Ansagen sollten lustig sein, aber oft blieb der Witz über das Alter der Band oder des Publikums, im Lautsprecherkabel stecken. Die Vorstellung der neuen Songs entpuppten sich als richtig gut gemachte Rocksongs der Siebziger, aber ohne Patina. Damit dürften die Wenigsten gerechnet haben.
Selbst Spock`s Beard begannen vor ihrer Zeit. Da können aber einige Festivals von der Organisation lernen. German Pünktlichkeit eben. Aus der Vorankündigung wurde ersichtlich, dass heute das gesamte “Snow”-Album gespielt wurde. Mit Nick D´Virgilio und Ex-, aber immer dabei, Mastermind Neal Morse. Was Spock`s Beard ablieferten ist einfach erklärt: State of the Art! Da wirbelten, bis auf Dave Meros am Bass, alle durcheinander. Da man die zwei Schlagbuden schlecht bewegen konnten, kamen beide Trommler, Nick D`Virgilio und Jimmy Keegan, gefühlt die Hälfte des Auftritts vor ihre Arbeitsplätze. Da war gesteigerte Power angesagt. Und das bei einem Whirl-, oder eher Wirbelwind von Neal Morse. In der Zugabe lieferten sich die Schlagwerker ein Solo ab. Klänge von ‘Dance On A Vulcano’ waren bestimmt nicht zufällig.
Das Fazit vom ersten Tag fiel absolut positiv aus. Auch wenn hier vorgegriffen wird, aber weder der Samstag, noch der Sonntag kamen an den Eröffnungstag dran. Was nicht gegen die Qualität der nächsten Tage spricht, sondern auf das superbe Line-Up vom Freitag zurückzuführen ist.























Samstag, zweiter Festivaltag
Wie jedes Jahr wackelte auch heute wieder der norwegische Wimpel, in Symbiose mit einer Totenkopfflagge und dem nicht wegzudenkendem Stoffbären, im Wind. Einer aus ihren Reihen pustete unentwegt Seifenblasen in den Himmel. Man muss diese Festivalatmosphäre einfach mal spüren – sehen und riechen. Flower Power im Prog Tempel.
Obwohl sie genug Material für ein langes Konzert nach vier eingespielten Alben haben, begannen Seven Steps To The Green Door (SSTTGD) nur fünf Minuten zu früh. Mit zwei Stücken aus dem Ausnahmealbum “The Book” ging es furios los. Dann kam ‘Porn’ von ihrem jüngsten Output “Fetish”. Dieses Album und “The Book” teilten sich den größten Batzen der Songs. Von “Step In 2 My World” wurde ‘Paid For Glance’ gespielt und vom Debüt “Puzzle” wurde leider nichts zum Besten gegeben. Martin Schnella und Melanie Mau wurden zwar am ersten Tag im Publikum gesehen, beide spielten aber aus beruflichen Gründen nicht mit. Dafür zupfte Stephan Pankow bei SSTTGD die Saiten. Trotz unüberhörbarer Zugabe-Rufe wurde um 13:10 Uhr das Konzert beendet,
damit Frequency Drift, mit ihrem musikalischen Kopf Andreas Hack, pünktlich beginnen konnten. Hier spielte Michael Bauer die E-Gitarre. Den Gesang übernahm Nadja Jaye. Die träumerische Musik kam nicht bei allen gut an. Die, die dabei blieben, wurden nicht enttäuscht. Qualität setzt sich eben immer durch. Allerdings machte das Publikum einen angeschlagenen Eindruck. Der Freitag hatte Kräfte gefordert.
Jetzt stieg die Spannung merklich an. Belgier und Franzosen waren zahlreich gekommen und eroberten langsam aber sicher den vorderen Bereich im Zuschauerraum. Gens De La Lune vereinigten das Publikum wieder. Die Klangteppiche durch Francis Décamps bereiteten die Bühne für ihren charismatischen Sänger Jean Phillipe Suzan. Siebzig Minuten Musiktheater wurden zelebriert. Müßig zu sagen, dass die Franzosen eine jubelnde Menge hinterließen.
RPWL waren wieder on time. Fast neunzig Minuten führte Yogi (Jürgen) Lang mit launigen Ansagen über die Welt allgemein und der Progmusik im Besonderen. RPWL zeigten das ganzes Spektrum ihres über 20 Jahre entstandenen Schaffens. Geendet wurde mit ‘Embryo’ von Pink Floyd. Furios!
Es gibt wenige Menschen, die die Welt nur durch ihre Präsenz einnehmen. Thijs van Leer gehört auf jeden Fall dazu. Dies bewies er schon beim Soundcheck. Was er mit seiner Stimmer, der Hammond-Orgel und sonstigen musikalischen Instrumenten anstellte, lohnte das Verweilen im Rund. Die Band Focus startete mit ‘Focus I’ recht behutsam ins Programm, ehe es am Ende zur Eruption kam. Dieser gleichnamige Song wurde nach ‘House Of The King’ auch gespielt. Die Dramaturgie ist ähnlich. Langsam geht es los, ehe der Ausbruch kommt. Der Vulkan bei Focus ist aber ganz klar Thijs van Leer. Entweder vergewaltigte er seine Hammond, seine Querflöte, ein Keyboard, in das man pusten musste oder seine Stimmbänder. Etwas im Schatten, aber nicht weniger genial, ist der Schlagzeuger Pierre van der Linden, der ein geniales Schlagzeugsolo aufführte.
Man merkte der Proggemeinde an, dass sie nicht so richtig wussten, was sie mit Peter Pankas Jane erwartete. Dabei ist die Lösung nicht schwer. Gut gemachte, ehrliche Rockmusik. Wie die (Mit)Erfinder des Krautrock hörten sie sich nicht an. Das war moderner Rock. Ab und an blitzte aber doch eine verspielte Komponente auf. Auch sie wurden gefeiert und nicht wenige Fans waren erzürnt, dass es nur eine kurze Zugabe gab.
Die Legende “Hawkwind” beanspruchte allerdings die Umbaupause, um dann wieder kurz vor der angegebenen Zeit zu beginnen. Die Briten spalteten jetzt die Prog-Nation. Es gab nicht wenige, die “flüchteten”, andere, namentlich genannt sei unser niederländischer Freund Rob von Beyond Rock, der völlig begeistert war und seinen CD-Stand verließ, um in der ersten Reihe in die Musik einzutauchen. Gegen 0:20 Uhr wurde der heutige Tag beendet.






























Sonntag, dritter Festivaltag
Die Sonne zeigte sich wieder und direkt wurden die Schattenplätze unter den wenigen Bäumen stark frequentiert, noch bevor überhaupt der heutige Konzerttag begonnen hat. Auch füllte sich die Freilichtbühne nur schleppend. Vielleicht kamen, bei anfangs schon über 20° Celsius, die Menschen nur schwerfällig vom Rhein hoch auf den Loreleyfelsen.
Was für ein furioser Auftritt der Briten von Knifeworld! Das Dreier-Blasensemble mit Josh Perl, Chlöe Herington und Oliver Sellwood groovte der Loreley aber mal richtig ein. Die Mischung von Knifeworld ist zwischen Genie und Wahnsinn einzuordnen. Mal tanzbare Rhythmen, mal Punk. War auch hier das Publikum nicht einig, ob sie dies nun gut oder schlecht finden sollten, so kann man doch feststellen, dass es an der Qualität nichts auszusetzen gab.
Auf die Kubaner Anima Mundi waren wieder alle gespannt. Ein Kollege, nennen wir ihn mal Jürth (so ist er in der Szene bekannt), kam extra aus Hürth, bei Köln, nur für diesen Gig nach St. Goarshausen an den schönen Rhein. Die spärischen Klänge begeisterten, erst recht, wenn die spielerisch anmutenden Melodien durch Virginia Peraza an den Tasten, oder durch Roberto Diaz an der Gitarre erzeugt wurden. Nach 75 gefeierten Minuten gingen sie von der Bühne und sagten damit Europa nach einer zweimonatigen Tour Adios.
Dafür gab es im Anschluss mit Lifesigns direkt eine Europa-Premiere. Die eingängigen Songs machten gute Laune. Ab und an wurde gefrickelt, aber man war ja auf einem Progfestival und diese Mischung gehört einfach dazu.
Gefühlt wird das Publikum mit jedem Jahr internationaler. Norweger (siehe oben) und Belgier: geschenkt! Schweizer und andere Europäer: geschenkt! Aber der Rest der Welt weckte schon die Neugier. Osteuropäische Stimmen wurden vernommen, Südafrikaner, Australier, US-Amerikaner und Venezuelaner, die nur wegen des Festivals kommen: Wahnsinn! Da gebührt WIV-Entertainment, an vorderster Front Winfried Völklein, ein großes Kompliment. Für manches Manko wurde zwar der Veranstalter verantwortlich gemacht, dies kann man aber nicht unkommentiert stehen lassen. Die Freilichtbühne wird für das Festival von einem Pächter überlassen. Wenn die Müllentsorgung, die Toilettenreinigung oder die Bierpreise nicht gefallen, muss man das nicht immer den Musikorganisatoren anlasten. Während 4 € für ein großes Bier eigentlich keiner Diskussion bedarf. Viele Besucher motzen über viele Unzulänglichkeiten. Die positiven Dinge wurden kaum angesprochen. Bei welchen Großveranstaltungen gibt es kostenlose Parkplätze? Campingstühle wurden auch wieder zugelassen, nachdem sie letztes Jahr am Sonntag verbannt worden waren. Was daran lag, dass manch einer meinte, seinen Stuhl unbesetzt im Innenraum stehen zu lassen, im schlimmsten Fall, sogar auf den Laufwegen. Bis der Sicherheitsdienst dieses Vorgehen unterband. Betreutes Proggen kann zur Organisation durch WIV-Entertainment eigentlich nur Gutes sagen.
Mit einem Mal standen die Norweger mit ihrem Banner vorne. Viele Magic Pie T-Shirts tauchten auf. Und richtig, die Band gleichen Namens betrat die Bühne. Auch hier wieder gut gemachter siebziger Jahre Hardrock im modernen Gewand. Die Schwüle und die hohen Temperaturen gaben alles, um dem Publikum einzuheizen. Den Rest gab Magic Pie dazu.
Man kann alles toppen. Carl Palmer mit seiner ELP Legacy versuchte dies und sollte das auch problemlos schaffen. Spätestens beim zweiten Song ‘Welcome Back My Friends To The Show That Never Ends’ hatte er es geschafft. Die Loreley war am Siedepunkt angekommen. Sollte Google mal wieder die Welt vermessen, wird es kaum verwundern, falls der Hügel durch heftige Schüttelbewegungen um mindestens fünf Meter versetzt wurde. Simon Fitzpatrick spielte auf dem Bass als Solo ‘Bohemian Rhapsody’ von Queen. Die Grenzen dieses Instruments wurden dabei erweitert. Was für ein Filigrantechniker! Natürlich hatte auch der Meister himself sein Solo. Wie sagte es Kollege Christoph Firmenich so treffend? Gefühlt spielte er ein zweieinhalbstündiges Schlagzeugsolo, zwischendurch mit Begleitung. Ganz so lang war das Konzert nicht und auch alles andere als langweilig.
Jetzt war wieder Spannung zum Greifen nah. Die Umbauphase für The Musical Box (TMB) nahm fast eine Stunde in Anspruch. Pünktlich um 21:15 Uhr betraten die Protagonisten der letzten Festival-Band das Areal. Egal wie oft man diese Show gesehen hat – es beeindruckt einfach immer wieder, wie die Kanadier es schaffen, ein echtes Genesis-Konzert von 1973 zu suggerieren. Mit ‘Timetable’ gab es eine Uraufführung. Weder das Original Genesis noch die Kopie TMB hatten diesen Song bislang je live gespielt. Fast auf den Tag genau vor 40 Jahren waren es übrigens Genesis, die das allererste Konzert auf der Freilichtbühne der Loreley bestritten. Mit ‘Can-Utility And The Coastliners’ wurde das Festival gegen 23:15 Uhr beendet. Heute waren alle geblieben, um das Konzert bis zum Ende zu erleben.
Das Fazit fällt kurz aus: vom 14. bis zum 16 Juli 2017 findet das XII Night Of The Prog Festival statt. Zimmer für 2017 buchen, aber sofort! Karten gibt es wieder rechtzeitig über die Homepage vom NotP-Festival.





























das Drumherum ist auch wichtig:




