(41:45; Vinyl, CD, Digital; Dead Oceans, 01.09.2023)
Mit dem selbstbetitelten letzten Album schafften die Shoegaze-Helden aus England in 2017 ein fulminantes Comeback und es darf davon ausgegangen werden, dass schon seinerzeit so mancher Fan dies nicht mehr zu hoffen gewagt hatte, schließlich hatte die Band seit 1998 kein Album mehr vorgelegt. Nach nun erneut üppigen sechs Jahren Wartezeit darf man sich umso mehr über “Everything Is Alive” freuen, das sich mit poppigen Vorab-Clips, u.a. zum wehmütigen ‘Kisses, bereits sehr eindrücklich in die Wahrnehmung vieler Hörer zurückmeldete. Diese Clips versprühen sehr eindringlich den urbanen, wehmütigen Charme der aktuellen Slowdive-Inkarnation. Hört man die neuen acht Songs, darf man konstatieren, dass die superb funktionierende Formel der letzten Platte hier erneut Anklang findet. Soll heißen, simple Beats, ein nuanciertes elektronisches Sound-Bild, was natürlich die flirrenden, stilbildenden melancholisch-prägnanten Lead-Gitarren von Gitarrist Neal Halstead nicht außen vor lässt. Die Sehnsucht, die Wehmut, das romantisch Verklärte ist seit über 30 Jahren das aufzehrende Element im Sound der Briten, die perlenden Akkorde, die mehrstimmigen Wechsel zwischen Female Chanteuse Rachel Goswell und den verträumten Vocals von Halstead finden auch auf diesen straffen 40 Minuten die perfekte Balance zwischen poppiger Leichtigkeit und viel bittersüßem Schmerz. Slowdive haben die rauschhaften Wall of Sound ihrer ganz frühen Tage längst über Bord geworfen (diese Songs verließen seinerzeit für Monate nicht meinen Walkman – Anmerkung d. Redakteurs). Geblieben ist die omnipräsente Verlorenheit im Sound, eine auf Wolken gebettete Schwerelosigkeit, die im richtigen Moment im einfachen Radio-tauglichen Melancholie-Pop-Format aktuell die perfekte Balance für Jung und Alt präzisiert. Auf der einen Seite driftende, entrückte Schleicher wie die Slo-Mo-Verschnaufpause ‘Andalucia Plays’, der sanfte, schneidende urbane Schmerz all der Dream-Pop-Hymnen wie die umwerfenden ‘Kisses’, ‘Skin In The Game’ oder das epische, mit liebevollen Synthie-Melodien ausgestattete ‘Chained To A ‘, mit einer sanften Traurigkeit, einer Wehmut, ummantelt mit viel verrauschter Electronica, ein Hauch nächtlicher urbaner Verzweiflung. Slowdive halten dich immer an der Hand, die undefinierte Sehnsucht findet den Weg unweigerlich in jede Synapse, das können die Briten wie kaum eine andere Band. Man spürt, das hier eine Band Musik ohne Druck geschrieben hat, sich ihrer Stärken bewusst war, man nie zu viel Experimente gewag hatt, aber trotzdem viele kleine atmosphärische Sound-Spielereien das notwendige Salz in der Suppe darstellen. Am Ende zählt die Musik und die ist hochqualitativ auf den Punkt. Jeder Song atmet den tiefen Hauch moderner Tristesse, ein permanentes Auspendeln zwischen leichtfüssiger POPpigkeit und schwebender, hypnotisch-nächtlicher Atmosphäre. Man erfindet nichts neu, setzt auf Altbekanntes, viel Hall, viel schwebender Groove (‘Shanty’), die Formel funktioniert und schlussendlich sind Slowdive ihre eigene Liga in Sachen Dream Pop/Shoegaze. Ein vollmundig produziertes Melancholie-Bad, welches mit den bewährten Band-Trademarks und viel Melancholie jede Nachtfahrt zur eigenen Innenschau/Abfahrt macht.
Bewertung: 12/15 Punkten
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Besetzung:
Vocals by Rachel Goswell
Guitars by Christian Savill
Bass guitar by Nick Chaplin
Drums and electronics by Simon Scott
Guitars, keys, protools and vocals by Neil Halstead
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Rezensionen:
“Slowdive” (2017)
Abbildungen:
Slowdive