Kraftwerk: Die Mensch-Machine
Kraftwerk gehören neben den Scorpions, Rammstein und Modern Talking zu den bekanntesten Export-Schlagern der deutschen Unterhaltungsmusik. Während die Düsseldorfer Gruppe um Ralf Hütter und Florian Schneider mit ihren ersten drei Alben noch recht eindeutig dem Krautrock zugeordnet werden konnten, galten sie ab ihrem ’73er Werk “Autobahn” als Vorreiter und Leuchtturm des Elektropop. Ein neues Kraftwerk-Album hat es zwar schon seit dem 2003er “Tour de France Soundtracks” nicht mehr gegeben, doch wirklich ruhig ist es um Kraftwerk trotzdem nie geworden. Denn Touren der Gruppe haben auch im neuen Jahrtausend in regelmäßigen Abständen stattgefunden. Daran haben auch der Ausstieg Florian Schneiders im Jahre 2009 und dessen Tod vor drei Jahren nichts geändert. Zuletzt sogar im spektakulären 3D-Format.
Damit war es beim Auftritt im Innenhof der ehemaligen Abtei Neumünster allerdings vorbei. Ob der vermutliche Ausstieg des langjährigen Bandmitglieds Fritz Hilpert damit im Zusammenhang steht, kann nur vermutet werden. Hilpert ist immerhin seit 34 Jahren fester Bestandteil der Formation, wurde aber zuletzt am 2. September, beim letzten Auftritt des Jahres 2022 im spanischen La Cala de Mijas, gemeinsam mit der Band auf der Bühne gesehen. Nähere Informationen zu Hilperts Abwesenheit oder einen offiziell bestätigten Ausstieg hat es seitdem nicht gegeben. Dafür aber immerhin elf Konzerte mit Ersatzmann Georg Bongartz, der jetzt anstelle von Falk Grieffenhagen als Video Operator fungiert. Alle im 2D-Format.Wer Kraftwerk noch nie live erlebt hat, der könnte sich fragen, ob man eine Live-Darbietung dieser Formation überhaupt benötigt: Musik, die komplett synthetisch daherkommt, Projektionen, die man sich auch als Video zu Hause anschauen kann sowie vier Musiker, die sich zwei Stunden lang nicht hinter ihren jeweiligen Pulten wegbewegen. Macht es da wirklich Sinn, sich das ganze live zu geben? Eine Frage, deren Beantwortung ein Eintrittspreis von rund 100 Euro nicht unbedingt einfacher macht. Eine Frage, die man allerdings nur dann beantworten kann, wenn man die Mensch-Maschine namens Kraftwerk einmal in Echtzeit gehört und v.a. auch gesehen hat.
Denn Kraftwerk-Konzerte sind audiovisulle Gesamterlebnise, über die man im Vorfeld kein übereiltes Urteil fällen sollte. Trotz aller erwähnten Parameter verhält sich ein Kraftwerk-Live-Aufritt verglichen mit einem Video-Mitschnitt in etwa so wie ein Hollywood-Blockbuster im Heim-Kino im Vergleich zu einer Vorführung im High-Tech-Kinematographentheater. So auch an diesem Juli-Abend im Luxemburgischen Grund.
Frei nach ihrem 1978er Kult-Hit ‘Die Roboter’ präsentierten sich die vier aktuellen Band-Mitglieder in entmenschlichter Form. Uniform gekleidet in schwarze Ganzkörperanzüge, deren Muster in verschiedenen Farben erleuchtet werden, verkamen die vier Männer hinter ihren Pulten zu austauschbaren Mensch-Maschinen. Unscheinbare Nebendarsteller im selbst erschaffenen Kling-Klang-Kosmos vor imposanten Video-Projektionen, die selbst im zweidimensionalen Format die anwesenden Zuschauer staunen ließen.
Wie prägend Kraftwerk doch mit ihren Stücken in den vergangenen 50 Jahren gewesen waren, das konnte man an diesem Abend eigenen Leibe erfahren. Man musste kein Kraftwerk-Fachmann sein um Stücke wie ‘Die Mensch-Maschine’, ‘Autobahn’, ‘Das Model’, ‘Radioaktivität’, ‘Trans-Europa-Express’, ‘Die Roboter’ oder ‘Music Non Stop’ zu erkennen. Musik, die zum kollektiven Gedächtnis von Generationen gehört und nicht nur integraler Teil der deutschen Musik-Geschichte ist, sondern internationale Künstler der verschiedensten Genres geprägt hat.
Wer da an diesem Abend letztendlich auf der Bühne stand, das schien den meisten Gästen egal gewesen zu sein. Ob Florian Schneider und Fritz Hilpert oder Falk Grieffenhagen und Georg Bongartz. Die Menschen hinter Kraftwerk wurden unter der Projektionsfläche zur Nebensache. Die Filme zogen das Publikum in ihren Bann. Die elektronischen Klänge, die aus den Boxen schallten, boten den dazugehörigen Soundtrack. Oder war es umgekehrt? Ganz egal. Erst als gleichberechtigte Einheit wurden Musik und Bilder zur audio-visuellen Einheit. Was die vier Musiker dabei an den Reglern hinter ihren Pulten anstellen, das interessierte kaum jemanden bzw. konnte man es sowieso nicht einsehen. Zumindest oberflächlich. Denn ohne menschliche Wesen hätte diese Mensch-Maschine nicht funktionieren können. Nicht nur technisch, sondern auch optisch. Ohne die vier, sich, wenn auch nur wenig, bewegenden, ikonischen Schattengebilde vor dem Video-Screen wäre der Abend ein anderer gewesen.
Besetzung:
Ralf Hütter
Henning Schmitz
Falk Grieffenhagen
Georg Bongartz
Fotos: Prog in Focus
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