!GeRald! – The Lost Tapes

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!GeRald! - The Lost Tapes (Eigenveröffentlichung, 18.05.22)

Credit: Vincent Zlotkowskie (Didier Bagole), Teddie Brton

(46:51; CD, Digital; Eigenveröffentlichung, 2022)
Hört man !GeRald!, so bekommt man unweigerlich das Gefühl, einer Punk-Combo zu lauschen, die sich dagegen entschieden hat, Punk-Rock zu spielen. Nicht etwa wie Bad Religion, die 1983 einfach mal so ein Prog-Album aufnahmen und all das was an Punk erinnerte, über Bord warfen. Sondern vielmehr wie Godspeed You Black Emperor, die auf ihren Platten die ungezügelte Energie des Punk Rock zum Ausdruck bringen, dies aber tun, indem sie lupenreinen Post Rock spielen. Nur eben, dass !GeRald! keinen Post Rock machen, sondern eine avantgardistische Form des Progressive Rock, deren größter Ansporn die künstlerische Freiheit zu sein scheint. Die Attitüde, dass nichts muss, aber gleichzeitig alles möglich ist. Musik, bei der Dissonanzen einen wichtigeren Stellenwert haben als Melodien und die trotz ihrer zahlreichen leisen Töne vor Energie fast zu bersten scheint.

Vier Jahre nach ihrer Debüt-EP “The Church Of The Sublime Parade”, ist “The Lost Tapes” endlich das Studio-Album, das schon im Sommer 2020 hätte erscheinen sollen. Ein viel zu langes Warten, über das man aber letztendlich sagen kann, dass es sich gelohnt hat. Denn ähnlich wie Soulsplitters “Salutogenesis” ist “The Lost Tapes” ein Album, dass aufgrund seiner vielfältigen Einflüsse gerade dazu einlädt, nach den Querverweisen und den musikalischen Inspirationen der beteiligten Musiker zu suchen. Denn was auf den ersten Blick zwischen Classic und Modernem Prog auf der einen sowie Avantgarde Punk und Jazz auf der anderen Seite gelegen scheint, entpuppt sich bei intensiver Beschäftigung als Werk, bei dem auch Klassik, Post Rock und v.a. der experimentelle Indie Rock der 90er größere Spuren hinterlassen haben. Ein Album, das wie eine musikalische Entdeckungsreise wirkt, bei welcher die Künstler anfangs nicht einmal wussten, wohin sie ihr Trip bringen würde. Und so führen einen die vier Franzosen für die Dauer von gut 30 Minuten durch vorwiegend instrumentale Klanglandschaften, bei der hinter jeder zweiten Ecke eine kleine Überraschung lauert.

Wozu das Quartett jedoch wirklich im Stande ist, zeigt es erst beim zweiteiligen ‘Waterfront Ratholes’. Ein Stück, das mit seinen über 16 Minuten Spielzeit zu den besten Longtracks des laufenden Jahres gezählt werden muss. Denn ‘Waterfront Ratholes’ ist nicht nur dramaturgisch das spannendste Lied auf “The Lost Tapes”, es ist auch der Song, bei dem sich !GeRald! für stimmliche Begleitung entschieden haben. Gesang, der in Form von Spoken Words dargeboten wird und dem Lied in seiner Eindringlichkeit ein Mehr an Kraft und Ausdruck verleiht, das es weit über die ersten zwei Drittel des Albums hinauswachsen lässt.
Bewertung: 12/15 Punkten

!GeRald! - The Lost Tapes (Eigenveröffentlichung, 18.05.22)
Besetzung:
Marvin Gobert (Guitar, Voice)
Quentin Loizeau (Tick Strings, Voice)
Marin Michelat (Keys, Atmosphere)
Teddie Burton (Drums, Voice, Saxophone, Noise Box, Words)

Gastmusiker:
Thomas Redon (Saxophone – Tracks 6 & 7)

Diskografie (Studioalben):
“The Lost Tapes” (2022)

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Rezension: “The Church Of The Sublime Parade” (EP) (2018)

Abbildungen: Alle Abbildungen wurden uns freundlicherweise von Barbara Dürnberger & !GeRald! zur Verfügung gestellt.

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Über den Autor

1978 in Traben-Trarbach geboren und seit 2014 in Köln ansässig bin ich noch immer ein echter Globetrotter. Ziehe ich gerade einmal nicht trampend und couchsurfend mit meiner Frau Inga durch die Welt, so arbeite ich als Sozialpädagoge in der Inklusionsbegleitung sowie in der Einzelfall- und Familienhilfe. Nebenberuflich bin ich als Stadtführer für Free Walk Cologne tätig. Außerdem nähen Inga und ich hin und wieder noch immer unsere Travelling Monkeys, handgefertigte Stoffaffen. Musikalisch in den 90ern sozialisiert, wuchs ich mit Grunge (Pearl Jam, Nirvana), Prog (Marillion, Dream Theater), Punk (Bad Religion, NoFX), Gothic Metal (Paradise Lost, My Dying Bride) und Crossover (Rage Against the Machine, Faith No More) auf. Für mich sind die letzten zehn Jahre musikalisch so ziemlich die spannensten, die ich bisher erlebt habe, da in dieser Zeit viele jener verschiedenen Stile musikalisch zusammengführt worden sind.

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von flohfish Artikel-Lesezeit: ca. 2 min
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