Doom Metal • Melancholic Rock • Nordic Goth
(52:17; Vinyl, CD, Digital; Darkness Shall Rise; 12.12.2025)
Die beiden Schweden Niklas Brodd und Martin Boman sind keine Neulinge im Bereich des dunklen Metal, sie haben bereits in Bands wie Marble Arch oder Evercry kleine feine Fu?abdrücke hinterlassen.
"The Longest Night", das zweite Studio-Album, wurde laut Band konsequent in den nächtlichen Morgenstunden aufgenommen/geschrieben und wird für Freunde des klassisch düsteren 90's Doom mit rockig atmosphärischen Anleihen, also Katatonia, My Dying Bride, Thine, Antimatter, The Chant und Paradise Lost, ein nostalgisches Therapeutikum darstellen.
Fand ich das Debüt des Nachtradios noch eher durchwachsen, muss ich gestehen: "The Longest Night" läuft mit einiger Melancholie, Tristesse und wohl temperierten Highlights richtig gut rein ins winterliche Setting.
Vom Papier her nichts wirklich Neu, gar Originelles – schafft man nichtsdestotrotz ein engmaschig berührendes Szenario, welches am ehesten mit früheren (weniger rockigen) Katatonia ohne Growls, October Tide und schneidenden Paradise-Lost-Riffs vergleichbar ist und jeden Fan der schleppenden Materie innehalten lassen dürfte.
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Ohne die große moderne Produktion aufzufahren, wissen die Schweden im richtigen Moment trippig-ambiente Synths und Räume in den schweren Doom zu platzieren, was zielsicher den einen oder anderen sinistren, wahlweise zerbrechlichen Höhepunkt zu setzen weiß. Martin Boman ist mit seinen fragilen Clear Vocals nah an Jonas Renkse (Katatonia) – Sprach-Samples und vorsichtig hymnische Metal-Fragmente tun ihr übriges, um den meist tragisch-schweren Doom immer wieder in vorsichtige Dynamik zu katapultieren.
'Shadow Speaker' eröffnet noch relativ traditionell im My-Dying-Bride-Stil, wohingegen die Gitarren-Leads in 'Sketches From The Dark' bereits schwer Richtung frühere Katatonia schielen. Die leidenden Vocals erzeugen nostalgische Frequenzen, die an die Briten von Anathema zu "Judgement"-Zeiten erinnern. Dramatisch, sehnsüchtig wird ab diesem zweiten Track immer mehr Blei, Tristesse, das Gefühl der nächtlichen Stille und Isolation über den Hörer ausgekippt, und auch wenn nicht jedes Klischee umschifft wird, entsteht ein unwirklicher Sog, der bis zum Ende des Albums nicht abebbt.
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Mit schmissigem Mid Tempo und lässig gothrockend in 'Alright For Now' schimmert die eigene Vergangenheit mit Marble Arch durch – wohl temperierte Elektronik wird songdienlich integriert. Im schwer melancholischen 'Dark Streets' sieht man nur noch Einsamkeit, Schneefall und eine niemals endende Nacht vorm geistigen Auge, dank wirkungsvoller Synths und hymnischer 80's Wave-/Goth-Signaturen.
Die Gitarren bleiben teils schroff, angenehm Lo-Fi, was die stimmungsvollen Synths mit ihren schwebend-wehmütigen Klängen umso tiefer schneiden lässt. 'Night' klingt auch so: trist, slow und unendlich einsam. Für Freunde von Antimatter, Autumnblaze zu "Mute Boy"-Zeiten und gehörig schwermütiger Schlagseite zu meinen finnischen Lieblingen von Shamrain ein Selbstläufer in Sachen Tristesse und Selbstmitleid.
Viele dezente, der Album-Dramaturgie entgegenkommende Details wie psychedelisch verzerrte Vocals, ein jederzeit sphärischer Gitarren-Tune und die stets passenden Synths setzen meist auf den Punkt gespielte Kontraste. 'Shifting Baseline' huldigt den alten doomigen Paradise Lost mit sehnsüchtigen Clean Vocals als Sahnehäubchen, 'Rainbirds' schleicht mit Hall und hoffnungslos-zerbrechlichen Melodien durch einsame Straßen und im zwölfminütigen Titelsong/Abschluss weißt du, es ist noch viel Luft nach oben für's erste Licht des Tages.
Nattradio berufen sich auf Bekanntes, verbinden Altbewährtes mit detaillierten, atmosphärischen Gimmicks, berührend-melancholischen Vocals und einer winterlichen Schwermut, die ordentlich Ballast trägt. Kein perfektes, dafür aber ein sehr emotionales Album – mehr atmosphärischer Rock als Doom und mit der nötigen nordischen Tristesse ein treuer Begleiter für die kommenden Wintertage.
Bewertung: 12/15 Punkten
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Abbildungen: Nattradio/Bandcamp

