Cinematic Rock • Doom • New Artrock • Ambient
(49:37; Vinyl, CD, Digital; Artoffact Records; 07.11.2025)
Thematisch geht es dieses Mal um das Reisen: physisch und mental, nach außen wie nach innen, vielleicht weg von etwas – hin zu sich selbst. „Weg“ und „Heim“ – zwei Begriffe, die sich nicht ausschließen müssen, sondern ineinander auflösen. Das visuelle Konzept unterstreicht diesen Prozess: Es beginnt mit reiner, weißer Stofflichkeit – und endet mit etwas, das kaum wiederzuerkennen ist. Der Stoff wird befleckt, verbrannt, verzogen. Symbolisch für das, was uns auf solchen Reisen widerfährt: Wir kommen nicht unversehrt an – aber vielleicht vollständiger.
Die ursprünglich russische Band Kauan mit späterem Sitz in Kiew gehört seit vielen Jahren zu meinen Herzens-Bands. Ich könnte stundenlang von der in Finnisch gesungenen Musik schwärmen – von dem, was sie in mir auszulösen vermag – will es aber irgendwie versuchen, kurz zu fassen.
Mit "Wayhome" geht man erneut ein Stück weit konzeptionell wie oben beschrieben über knapp 50 Minuten als ein durchgehender Song in 8 Teilen auf Reise. Alben wie "Aava Tuulen Maa" und vor allem das in 2017 erschienene, nur als Meisterstück zu bezeichnende "Kaiho" haben emotionale Schnitte in mir hinterlassen, berührten mich diese Klänge selten so wie irgendwas zuvor. In jeder Sekunde soundtrackartig, Bilder geflutet, hoch emotional, ausufernd und mit einer beseelten romantischen Melancholie und Weite aufgeladen, dass es einem das Herz in 1000 Stücke reißen kann. Auch "Wayhome" fließt mit Anmut, Eleganz, wie immer langsam/episch, oft instrumental und sehnsuchtsvoll verklärt durch einsame Landstriche und ist definitiv nichts für's nebenbei hören.
Ich geb es zu, diese Band bringt mich innerhalb von Sekunden zum heulen – dieser Sound ist so voll, mächtig und aufzerrend – die Emotionen kommen des Abends wie von allein und fluten wahrlich jede Synapse. 'Outline/Pave' – was für ein zutiefst berührender Chor, Innigkeit und majestätisch doomige, cinematische Abfahrten, wie sie nur Anton Belov und seine Mitstreiter auf diese unnachahmliche Weise zu transportieren wissen. Die spezielle Form des atmosphärischen Post Rock/Doom ist so unglaublich in die Tiefe formuliert/gespielt, vernetzt sich in einem und will am Ende überhaupt nichts mit Metal zu tun haben (wenige harsche Vocals/Riffs finden temporär perfekt ihren Platz im Sound).
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Man nutzt mit maximalen Mitteln die Erhabenheit des Doom, federt aber eher auf episch, pastoralem Grund und integriert orchestrale, feingliedrige Ambient-Schwaden, Piano und diesen tiefgreifenden Gesang zu einem berührenden/uneindeutig nebulösen Pastell – einer sensiblen Kunstform – einem in die Ferne schauen, einer Form der beseelten Traurigkeit, die den Hörer mit einer Schönheit und Eleganz konfrontiert, die mich wiederholt nur staunend und angeschlagen zurück lässt. Songs wie 'Soothe/Sear' fluten mit einer berstenden Wall of Sound, Herzzerreissenden Chören und schier erdrückender Melancholie. Hoffnung, Klarheit, Dramatik, Transzendenz, Weite und sich in dieser Form der Schwermut zu verlieren - all dies ist möglich mit Kauan und vieles mehr. Diese Platte ist mein Jahres-Album, so viel ist klar. Mehr Schmerz und kaum auszuhaltende Schönheit geht aus meiner Sicht nicht.

Bewertung: 15/15 Punkten
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Alle Abbildungen wurden uns freundlicherweise von Artoffact Records zur Verfügung gestellt.


2 Kommentare
Sehr schöne Rezension, dein erster Teil, der schon philosophische Ausmaße annimmt, beruhigt mich, hatte ich doch „Wayhome“ profan eher als „wir gehen zurück nach Tscheljabinsk“ interpretiert, mit der Befürchtung, dass diese hervoragenden Musiker als Kanonenfutter im Ukraine-Krieg herhalten müssen. Mittlerweile leben sie, nach meinen Informationen, in Helsinki.
Ja, das Album wird auch in meinem persönlichen Jahresranking einen der eher vorderen Plätze erreichen.
Danke, für deine doch sehr emotionale Rezension, ich glaube das Album hat sie verdient….
Liebe Grüße
Georg
Hi Georg, danke für die Rückmeldung. Freut mich zu lesen und ja Kauan sind schon ne Klasse für sich, oder? Lg und schönes Wochenende 🌞✌️