»Es wird uns an nichts fehlen«
Mit diesem prophetischen Versprechen hatte „Reiseleiter“ Ropp für die Idee geworben, doch an einem kleinen Zelturlaub in schöner Umgebung und vor allem angenehmer Gesellschaft teilzunehmen. Weitere Argumente dafür lieferte das Hammer-Line-up des diesjährigen Graspop-Festivals im belgischen Dessel…
Vorspiel
Gesagt, getan. Kollabierender Verkehr, der unsere zwei Reiseabteilungen ZWEI STUNDEN lang gefühlt fast bewegungslos im lieblichen Kölner Nordwesten festhielt, konnte uns zwar verlangsamen, aber nicht stoppen. Vorwärts immer, rückwärts nimmer krochen wir also der rettenden Autobahnauffahrt entgegen.
Als die endlich erreicht war, floss es denn auch ganz erheblich besser. Und es bewahrheitete sich, dass Dessel eigentlich nur recht komfortable 190 Kilometer von Kölle entfernt liegt. Weit weniger dem Faktencheck hielt die Aussage der freundlichen Ordner am schließlich doch noch mit Tageslicht angefahrenen Parkplatz stand: „Der Zeltplatz („The Crypt“) ist nicht weit, nur so zehn Minuten vom Parkplatz entfernt“.
Doch solche kleinen Abweichungen von der Realität werden zu vernachlässigbaren Details, wenn man (auch schon etwas gereifteren) Jungs etwas zum Spielen gibt. Hier einen 1A Bollerwagen. Hatten wir einen Spaß bei den Versuchen, den Inhalt eines voluminösen Toyota-Busses auf diesem Karnevals-erprobten Gefährt zu portionieren und – weil der Weg einige Schikanen aufwies – diesen Kargo auch zu sichern. Drei Touren und diverse Ladungsabwürfe während des Transfers später war auch das bewältigt und es konnte an die Errichtung und Ausschmückung unserer kleinen Zeltburg gehen…
Disco
Und als zuguterletzt so gerade noch vor Einbruch der Dunkelheit nicht nur alles in etwa so stand, wie sich das gehört, sondern sich auch zeigte, wie sehr sich die mitgebrachten Kühlanlagen bewährt hatten (»Es wird uns an nichts fehlen«), da fühlten wir uns wahrlich Disco.
Glampop Metal Meeting
Was nun folgte, waren (für die meisten von uns, zwei mussten etwas früher los) viereinhalb Tage Spiel & Spaß bei bestem Wetter und unter freiem Himmel. Des Autoren persönliches Highlight dabei war, dass er nur einen von der Truppe vorher gekannt hatte – und auch das nicht besonders intensiv. Und dennoch hätte man sich im Rückblick einfach keine lustigeren, gutdraufigeren, aber auch aufeinander achtgebenden Reisebegleiter wünschen können.
Das war und blieb bis heute das Wichtigste bei diesem Kur(zur)laub. Doch einige weitere Höhe- und einen Tiefpunkt warfen immerhin ab:
Ein bewegender Auftritt von Savatage mit dem stimmgewaltigen Zak Stevens am Mikro. Per Videotechnik zugespielt wurden der nicht mehr tourfähige Jon Oliva am Flügel (illuminiert nicht etwa von unserer Diskokugel, sondern von Hunderten von Kerzen) und der leider schon lange mausetote Chris Oliva.
„It’s a Gras Ballet“
Richtig Freude haben mir auch die ersten zehn Minuten vom Konzert der Eagles Of Death Metal bereitet – inklusive ‚We Are Family‘ von Sister Sledge!
Warum dann nur zehn Minuten? Na, weil auf der etwas entfernt vom Marquee liegenden Jupiler Stage Me First and the Gimme Gimmes lockten, bei deren ‚Dancing Queen‘ kein Auge trocken blieb.
MFATGG bring the Glam back in Graspop
Keineswegs genau so euphorisierend, aber doch als überraschend gut wurde ein Auftritt vom Goldstandard im Progressive Metal erlebt, Dream Theater. Zum einen hatte Sänger James LaBrie einen seiner zuletzt seltenen guten Tage erwischt und traf die meisten Töne. Zum anderen glänzte die Setlist mit nicht so häufig erlebbarem Repertoire wie zwei Szenen von „Metropolis Pt. 2“ oder ‚Peruvian Skies‘. Achja, und Mike Portnoy hatte natürlich das größte Drumkit des Festivals…
Gras Theater
Iron Maiden waren Headliner des ersten Festivaltages und lösten die von diesem Status abgeleiteten Erwartungen auch voll ein. Jedenfalls was die Interpretationen des „50th Anniversary“ Sets anging. Der Sound hingegen war zumindest im ersten Konzertdrittel arg merkwürdig – ganz vorne dünn und leise – dafür aber differenzierter und etwas voller, je weiter man sich von der Main Stage entfernte..?
Opeth schlossen den zweiten Festivaltag ab, zumindest auf der Marquee-Bühne. Viel schöner als mit ‚Deliverance‘ kann so ein Tag ja auch kaum zuende gehen…
Headliner des bereits letzten Festivaltages (bevor zumindest wir uns blitzschnell vor Till Lindemann in Sicherheit brachten – und einen Geburtstag würdig begingen) waren Judas Priest.
Graspriest
Und deren Set bot den über 60.000 Erschienen eine Lehrstunde in Sachen British Heavy Metal.
Was noch? Paradise Lost weckten mit ihrem Set ausgesprochen nostalgisch-wohlige Gefühle. Jerry Cantrell auch, denn er hatte vier Songs von Alice In Chains im Programm. Bei Blood Incantation (vgl. Roadburn 2024) hat man sich inzwischen an diesen zunächst unvorstellbaren Mix aus Berliner Schule und Death Metal gewöhnt.
In Flames eroberten mit Material wie ‚Only For The Weak‘ selbst Mitreisende, die die Band hier zum allerersten Mal hörten. Und auch das muss gesagt werden: Selten etwas so Erbärmliches erlebt, wie den GMM-Auftritt von Krokus. Das war schon mitleiderregend…
Apropos Empathie: Sämtliches in nennenswerter Anzahl von uns ertrunkene Pfandgut ist in voller Höhe bzw. sogar noch aufgerundet den Gutmenschen vom Avicenna-Hilfswerk.de als Unterstützung ihrer so wichtigen Hilfe für Flüchtlinge zugute gekommen.
Auch TOP – Beim GMM wird endlich auch mal an die legitimen Bedürfnisse der Kleinsten und der besonders jung gebliebenen unter den Metal-Fans gedacht:
GrasFast’nFurious
The Wheel of Doom
PS: Dieser Kurzbericht ist neben unserer besagten trefflichen Reiseleitung dem Team gewidmet, das die vergleichsweise edlen (nix Dixi!) Sanitäranlagen auf dem Areal von „The Crypt“ im 24/7-Dienst sauber und in Schuss gehalten hat. Angesichts solcher Servicequalität kommen einem die für die fünf Übernachtungen aufgerufenen 32 Euro für den Campingplatz sogar noch preiswerter als eh schon vor.
Ach, und hier gleich noch ein fettes Lob: Das bestorganisierte von mir bislang erlebte Festival (Sold Out: Aufaddierte 255.000 Menschen an vier Konzerttagen auf dem Gelände. Trotzdem praktisch keine unangenehm langen Schlangen für irgendwas – vom Klogang über Bierholen bis hin zum Futti zu noch akzeptablen Preisen. Außerdem Wristband Exchange und Rotes-Kreuz-Stationen auf den Zeltplätzen!) ist bis auf den Merch-Bereich komplett bargeldfrei, die digitale Währung vor Ort heißt „Skullies“„. Etwaig übrig gebliebene Schädelchen können gegen eine gleichfalls faire einmalige Bearbeitungsgebühr wieder zurückgetauscht werden. Geht doch.
Nächstes Jahr gerne wieder.
GMM, official website
Noch mehr, noch schönere GMM-Pix 😉:
Official Gallery on flickr
(Unofficial) Playlist GMM25
Abbildungen: Reisekollektiv Discokugel, GMM