(21:08; Vinyl, Digital, Cave & Canary Goods (Eigenveröffentlichung), 06.06.2025)
Die „North American EP“ ist nicht toll, auch nicht großartig. Und sie ist ganz bestimmt nicht das Beste, was The Dear Hunter je gemacht haben.
Und doch – ich bin ziemlich angetan.
Denn hier passiert etwas, das Casey Crescenzo und seine Mitstreiter immer wieder schaffen: Sie machen Musik, die einem im Handumdrehen ein Lächeln ins Gesicht zaubert. Musik, die nicht überfordert, nicht überambitioniert, sondern einfach … gut tut. „North American EP“ ist eklektisch, frisch und originell – ohne dass sich The Dear Hunter dafür neu erfinden müssten. Es ist sozusagen ein musikalischer Nachmittagssnack – kein Festmahl wie „Antimai“, aber nahrhaft genug, um bis zum nächsten Hauptgang durchzuhalten.
Dabei klingen die fünf Stücke keineswegs wie Nebenbeimaterial. Trotz der leicht ironisch klingenden Track-Titel – ‚Magic Beans‘, ‚Four Amigos‘, ‚Shlammin‘ Salmo‘, ‚Classic Wrock‘, ‚Burritokyo‘ – handelt es sich nicht etwa um instrumentale Doodles oder Demo-Fragmente. Jeder Song ist durchkomponiert, arrangiert, produziert wie ein vollwertiges Albumstück – mit Laufzeiten zwischen knapp dreieinhalb und fünf Minuten. Und das auf einem Niveau, das sich vor keiner der bisherigen Studioveröffentlichungen verstecken muss.
Die Entstehungsgeschichte passt zu dieser sympathischen Zwischentöne-Ästhetik: Im Rahmen der North American Tour 2023 entstanden, tauchten manche Stücke – teilweise instrumental, teilweise mit Text – als Teil des Soundtracks zur Tourdokumentation auf. Der dazugehörige Score ist mittlerweile als Vinyl erhältlich, gemeinsam mit der EP und der Blu-ray auch im liebevoll zusammengestellten „Beelgsberg Media Bundle“. Und weil, laut Band, „nicht alle Songs für die Doku verwendet wurden“, sei diese EP schlicht „eine gute Ausrede, sie jetzt einfach rauszuhauen“. Das klingt nach Understatement – und genau das ist die EP auch: charmant unprätentiös.
In ‚Magic Beans‘ treffen verzerrte Vocals auf glitzernde Keyboard-Sounds – ein Einstieg wie aus einem spacigen Dream-Pop-Album. Doch dann taucht Casey auf, lullt uns mit seiner samtweichen Stimme in eine kleine Traumwelt ein, bevor ein Gitarrensolo sanft in chorale Klangteppiche übergeht. Sci-Fi trifft Kuscheldecke – weirdly comforting.
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Mit einem rockigen Auftakt beginnt ‚Four Amigos‘, gefolgt von dieser entspannten „Antimai“-Coolness, die sich so wunderbar in die Gehörgänge legt. Groove und Energie halten sich perfekt die Waage. Die Gitarrenarbeit am Ende erinnert tatsächlich an Genesis zu ihren ‚Wind & Wuthering‘-Zeiten – ein dezent eingesetzter Vintage-Vibe, der hervorragend funktioniert.
Caseys Solo-Projekt Honorary Astronaut lässt in ‚Shlammin‘ Salmon‘ deutlich grüßen. Funky, verspielt und trotzdem elegant. Ideal für ein sommerliches Open-Air: sonnendurchtränkt, leicht psychedelisch, aber nie verpeilt. So klingt die gute Laune in der postmodernen Progwelt.
Der Titel ‚Classic Wrock‘ kokettiert mit der Vergangenheit, aber das Stück ist alles andere als rückwärtsgewandt. Vielmehr wirkt es wie ein Destillat dessen, was The Dear Hunter ausmacht – ein bisschen „Acts“, ein bisschen „Migrant“, ein Hauch „Antimai“. Ein in sich ruhender Mini-Klassiker.
Zum Schluss gibt es eine Ballade. Slow-Burn, zurückgelehnt, keine Überraschungen – aber schön. Ja, ein klein wenig mehr Würze hätte dem Track nicht geschadet. Aber als Ausklang dieser EP funktioniert ‚Burritokyo‘ gut – wie das letzte Licht eines Sommertags.
Die „North American EP“ ist keine Sensation, kein Meilenstein. Jedoch eine Erinnerung daran, dass The Dear Hunter auch ohne große Gesten berühren können. Ohne Konzeptstory, ohne überbordende Arrangements – einfach mit fünf kleinen, sorgfältig ausgearbeiteten Songs voller Wärme, die das Potenzial haben, Lieblingssongs zu werden. Nicht weil sie laut schreien, sondern weil sie leise bleiben.
Bewertung: 11/15 Punkte
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Casey Crescenzo
Maxwell Tousseau
Nick Sollecito
Rob Parr
Nick Crescenzo
Diskografie (Studioalben):
„Act I: The Lake South, The River North“ (2006)
„Act II: The Meaning of, and All Things Regarding Ms. Leading“ (2007)
„Act III: Life and Death“ (2009)
„Migrant“ (2013)
„Act IV: Rebirth in Reprise“ (2015)
„Act V: Hymns With the Devil in Confessional“ (2016)
„Antimai“ (2022)
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Rezensionen:
„Antimai“ (2022)
„The Indigo Child (EP)“ (2021)
Liveberichte:
24.06.23, Valkenburg aan de Geul (NL), Openluchttheater, Midsummer Prog Festival 2023
Abbildungen: Alle Abbildungen wurden uns freundlicherweise von The Dear Hunter zur Verfügung gestellt.