(40:50; Vinyl, CD, Digital; Pelagic Records, 25.04.2025)
If you want to picture the future, imagine a boot stamping on the human face, forever. The moral is a simple one, don’t let it happen. It depends on you. – George Orwell
Die Franzosen sind Überzeugungstäter, durch und durch leidenschaftlich – was ihren Zugang zu Sound, ihre Performance, aber vor allem ihre Haltung zum Thema Streaming, generell zum krankhaft abhängigen Umgang mit moderner Technik betrifft. So verweigern sich Bruit ≤ Plattformen wie Spotify, hassen den heuchlerischen Ansatz der Diktatur von Algorithmen und stellen sich diesbezüglich auch mit ihrem neuen Album folgerichtig allen großen Streaming-Dienstleistern entgegen. Konsequent in ihrer Haltung leben sie den Widerstand gegen diese ausbeuterischen Tendenzen. Dafür gilt der Band in jedem Fall Respekt: Mit dem Vorgänger “The Machine Is Burning And Now Everyone Knows It Could Happen Again” setzte man 2021 mehr als nur ein Ausrufezeichen – verschmolz der experimentelle Post-Rock der Franzosen doch bereits damals in seiner Experimentierfreude mit allerhand frischen Ideen, seien es Anteile aus der modernen Klassik, Ambient, Electronica oder Avantgarde. Leicht machten es sich die Franzosen damit schon mal nicht, und mit reinem Schönklang gab man sich auch nicht zufrieden. Für mich war diese Platte seinerzeit eines der schönsten Alben des Jahres. Und mit “The Age Of Ephemerality” geht man nun aber sowas von konsequent diesen Weg weiter. Für das neue Album nahm man unter anderem in einer Kirche im Süden Frankreichs auf, integrierte Synthies, Schlagzeug und ein Orchester aus acht (!) E-Gitarren. Des Weiteren nutzte man die 1864 erbaute Kirchenorgel, und Musiker aus der Klassikszene wurden ebenfalls in die Aufnahmen eingebunden. Alles sollte irgendwie auf die Spitze getrieben und jede Grenze überschritten werden. Es wurde zum Versuch, Altes und Neues zusammenzuführen und verschiedenste Klangepochen wie selbstverständlich miteinander kommunizieren zu lassen.
Sie sehen gerade einen Platzhalterinhalt von YouTube. Um auf den eigentlichen Inhalt zuzugreifen, klicken Sie auf die Schaltfläche unten. Bitte beachten Sie, dass dabei Daten an Drittanbieter weitergegeben werden.
Ich habe die Band in ihrer Besessenheit aus unmittelbarer Nähe bereits live erlebt, und dieses manisch intensive Gefühl, das dabei vermittelt wird, spürt man auch innerhalb der Alben – da macht diese neue Rille keine Ausnahme. Die federleichten Drums, der Stilmix aus episch, sich wundervoll ausfächerndem Post Rock, kakophonisch-dissonanten Noise-Eruptionen, elektronischen Spielereien und anmutigen, klassischen Cinematic-Momenten gelingt auf dem neuen Album auf einfach nur berührende Weise in einer Art Flow, der seinesgleichen sucht. Die organisch leichtfüßigen Moves, die gerade durch das immer wieder fast jazzig verspielte Drumming erlebbar werden, dystopische, aber auch friedvolle orchestrale Melodien – alles wird zu einem film-affinen Rausch, der an den Grenzen der Genres kratzt. Man spürt in jeder Sekunde, wie die Band überberstet in ihrer Dringlichkeit, ihren Extremen zwischen Licht und Dunkelheit.
Sie sehen gerade einen Platzhalterinhalt von YouTube. Um auf den eigentlichen Inhalt zuzugreifen, klicken Sie auf die Schaltfläche unten. Bitte beachten Sie, dass dabei Daten an Drittanbieter weitergegeben werden.
Auch wenn einen der avantgardistisch-neoklassische Einstieg in ‘Ephemeral’ erstmal in Sicherheit wiegt, der Wahnsinn im groovig-verspielten ‘Data’ schlägt dann bereits hohe Wellen. Die Franzosen springen von einer Sekunde zur nächsten von komplett überdrehten, epischen Post-Rock-Manierismen zu elektronischen Frickeleien, sanftem Piano-Ambient zu filmischer Breitwand und zurück. Der Sound ist fett, unheimlich dicht und federt warm, sodass es für Audiophile zusätzlich eine wahre Freude ist. ‘Progress_Regress’ eröffnet erneut mit eher sanftem Electronica-/Modern-Classical-Sound, um sich dann Schritt für Schritt zu modellieren. Es verwandelt sich im Verlauf in ein unkontrolliertes Post-Rock-Ungetüm, das alles und jeden mit sich in die Tiefe ziehen möchte. Mit welcher Eleganz hier Anmut und dissonante Brachialität Hand in Hand gehen, hat etwas fast Magisches. Ich habe lange nicht einen so monströsen Sound wahrgenommen, der natürlich und vor allem in den intensiv rockigen Parts Staudämme einreißt. Bruit steht im Französischen für “Krach” – dieser Fakt erklärt sich übrigens schnell von selbst. ‘Technoslavery-Vandalism’ zieht dann erneut mit wehmütigen Streichern umher, weiß aber mit opulenter, intensiver Dynamik-Kurve einen Bombast-Rausch zu kreieren, der seinesgleichen sucht. Wie am Ende des Songs fast engelsgleiche Chöre auf wundersame Weise Abbitte leisten… Hört einfach selbst!

Bewertung: 14/15 Punkten
Sie sehen gerade einen Platzhalterinhalt von Standard. Um auf den eigentlichen Inhalt zuzugreifen, klicken Sie auf den Button unten. Bitte beachten Sie, dass dabei Daten an Drittanbieter weitergegeben werden.

Theophile Antolinos – Gitarren, Tapes
Clément Libes – Violinen, Violas, Keyboards, Bass
Julien Aoufi – Drums
Luc Blanchot – Cello
Trumpet by Guillaume Horgue – Trumpet
Benoît Hui – French Horn
Igor Ławrynowicz – Trombone
Erwan Maureau – Bass Trombone
Diskografie (Studioalben):
“Monolith” (2018)
“The Machine Is Burning And Now Everyone Knows It Could Happen Again” (2021)
Surftipps zu Bruit ≤:
Homepage
Facebook
Instagram
Bandcamp
YouTube
Spotify
Apple Music
Discogs
Rezensionen:
“Apologie Du Temps Perdu Vol. 1” (EP) (2023)
“The Machine Is Burning And Now Everyone Knows It Could Happen Again” (2021)
“Monolith” (EP) (2018)
Alle Abbildungen wurden uns freundlicherweise von Pelagic Records zur Verfügung gestellt.