Lasst uns mal eine Brücke bauen und über unseren Tellerrand schauen…
…denn irgendwie ist Taylor Alison Swift der Superstar unserer Zeit. So wie es vor ihr eigentlich nur Michael Jackson, The Beatles und Elvis waren. Kaum einer kommt heutzutage noch an diesem Namen vorbei. Egal in was für einem Genre man sich geschmacklich bewegt. Kein Künstler polarisiert seit Jahren so sehr wie Frau Swift. Gefühlt muss sich jeder pro oder kontra Taylor Swift bekennen, seine Meinung über sie kundtun oder sich zu dem Thema in den (a-)sozialen Medien äußern.
Zwischen ausverkauften Stadiontouren, dem Heißlaufen der Vinylproduktionstätten und einer künstlerisch vielseitig talentierten Frau, die nicht nur Pop kann.
Die 34-jährige US-Amerikanerin ist allgegenwärtig. Eine Popikone, die eine sie fast wahnhaft verehrende Anhängerschaft hat, die sich selbstbetitelnden Swifties, sich aber ebenso sehr wie geliebt und angehimmelt auch zum musikalischen Hassobjekt der letzten Jahre entwickelte. Sie ist aus den Pop-Charts seit Jahren nicht mehr wegzudenken und enterte (oder meuterte?) die Top 10 im Jahr 2022 sogar komplett. 10 Songs ihres damals aktuellen Albums “Midnight” ließen keinen Platz für die Konkurrenz übrig.
Da wir hier bei Betreutes Proggen natürlich keinen Popstar im Allgemeinen vorstellen würden, beschränken wir uns auf eine bestimmte Phase von Taylor Swift, in der sie selber eine Art Stilwandel mit selbstreinigender Wirkung vollzog und sich musikalisch als fast klassische Singer/Songwriterin offenbarte.
Die angedeutete Ära umfasst zwei Alben, die innerhalb eines Jahres erschienen sind. “Folklore” und “Evermore”.
Gerade eben dreht das “Folklore”, das während der Coronazeit entstanden ist. Dieses Album spaltete die Fangemeinde, denn bei vielen traf der ruhigere Ton auf Unverständnis. In meinem Fall brachte mir dieser Stil diese Ausnahmekünstlerin jedoch näher. Und das nicht nur mir, denn ein gewisser Steven Wilson coverte sogar einen Titel von “Folklore” (‘the last great american dynasty’) und tat damit seine Begeisterung für ihre songwriterischen Fähigkeiten kund.
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Im Groben wirkt Folklore, atmosphärisch, ruhig, selbstreflektierend und introvertiert.
Musikalisch arbeitet Swift hier viel mit akustischen Tönen von Gitarre und Piano und fügt ihren Songs schwelgerische Synthie-Klänge hinzu (‘this is me trying’). So kommen sogar Enya-Vibes auf (‘epiphany’) und man hat durchgehend das Gefühl, dass man sich mit etwas Ernstem, etwas Durchdachtem und Tiefgreifenden beschäftigt. Kurz gesagt, so gar nicht die alte Swift, die damals mit ‘Blank Spaces’ oder ‘Shake it Off’ unentwegt, nahezu schon nervend die Radiospielzeiten ausfüllte.
Auch zeigt die Künstlerin hier ihre lyrischen Fähigkeiten wie auf keinem Album zuvor. Titel wie ‘august’ und ‘betty’, ‘mad woman’ oder ‘the last great american dynasty’ sind erzählerisch auf hohem Niveau mit teilweise langen, romanartig erzählenden Texten. Tiefgreifende Geschichten über Beziehung, Betrug und innere Zerrissenheit sowie über die Gesellschaft eines längst vergangenen Amerikas. Deutlich stehen die Texte im Vordergrund. Getragen durch die zurückhaltenden Beats und Klänge. Eine entspannte Stimmung kommt auf und trägt einen durch das Album.
Ja, ein irgendwie ein Wohlfühl-Album mit leicht depressiv wirkendem Touch. Gefühlsmäßig spiegelt es durchaus die Zeit der Pandemie wieder, in der man gedanklich weit abschweifte vom temporär verlorenen Alltag. Der Soundtrack einer schwermütigen, in Strickjacke und Wollsocken gekleideten Frau, die mit Akustikgitarre im Anschlag ihre Geschichten erzählt.
Leider stößt man seitens der Person aber auch schnell auf etwas Ernüchterung.
Denn die Größe dieses Popstars wird durch die ausufernde Vermarktung der eigenen Person und Musik geschmälert. Taylor Swift hat die Vinylproduktionen weltweit fest im Griff. Kapazitäten werden für sie geblockt, Platten werden in millionenfacher Auflage gepresst. Die Marketingtrommel dreht sich und dreht sich. Es werden Merchandise-Artikel künstlich verknappt und zu hohen Preisen verkauft. Von ihren Alben gibt es unzählige Varianten und Editionen, die teilweise nur nach und nach angekündigt werden. Das steigert den Verkauf dahingehend, dass Fans sich mehrere Versionen kaufen müssen, um beispielsweise an alle Bonustracks zu gelangen.
All diese Tricks hat Taylor Swift eigentlich nicht nötig, da sie sowieso schon eine der reichsten und erfolgreichsten Künstlerinnen aller Zeiten ist.
Die Frage, welchen Whisky ich dazu wähle, beantwortete mir eine Textstelle aus dem Song ‘august’:
“Salt air, and the rust on your door
I never needed anything more”
Diese Textstelle ist wortwörtlich wie das Gefühl, das ich hatte, als ich vor den Türen der Destillerie Bunnahabhain auf der Insel Islay in Schottland stand. Zwischen salziger Meerluft und den modrigen Geruch von lagernden Holzfässern und alten Mauern einer Hunderte Jahre alten Destillerie. Dort erwarb ich diesen limitierten, achtjährigen Single Malt Whisky. Er lagerte zuerst in Ex-Bourbon Fässern und bekam ein Finish in Rum-Fässern. Unverdünnt abgefüllt mit Fasstarken 56,9%. Ein klassisches Bourbonfass-Geschmacksprofil trifft auf karibische Aromen wie tropische Früchte und braunen Zucker. Mal ein etwas anderer Bunnahabhain. Ebenso wie “Folklore” mal ein etwas anderes Swiftalbum war.
Mein Fazit ist also ganz einfach. Hut ab vor diesem Album. Es rentiert sich, hier mal reinzuhören. Ganz ohne Vorurteil.
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Tracklist:
1. ‘the 1’
2. ‘cardigan’
3. ‘the last great american dynasty’
4. ‘exile (feat.Bon Iver)’
5. ‘my tears ricochet’
6. ‘mirrorbally’
7. ‘seven’
8. ‘august’
9. ‘this is me trying’
10.’illicit affairs’
11.’invisible string’
12.’mad woman’
13.’epiphany’
14.’betty’
15.’peace’
15.’hoax’
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Alle Abbildungen wurden uns freundlicherweise von Martin Kopp zur Verfügung gestellt.