(53:03, CD, Vinyl, Kassette, A&M Records/Universal, 1989)
Um den Stab bei unserer neu entstandenen Beitragskategorie “Schatzkiste” zu übernehmen, sei hiermit auf ein wunderbares, inzwischen nur noch schwer zu findendes Album aus dem Jahr 1989 aufmerksam gemacht. Es ist nicht nur das einzige Album des kanadischen Musikers Gordon Peterson, der “Big Harvest” unter dem Pseudonym Indio im Spätsommer 1989 veröffentlichte. Um das Album rankt sich auch eine ausgesprochen skurrile Geschichte. Dazu weiter unten im Text. Schaut man alleine auf die Liste der beteiligten Musiker, entdeckt man die Crème de la Crème damaliger Studiomusiker. David Rhodes (u.a Peter Gabriel), Alex Acuna (Weather Report), Bill Dillon (u.a Sarah Maclachlan), Manny Elias (Tears For Fears, Peter Gabriel), etc. Sogar Joni Mitchell steuerte Backing Vocals zu Petersons Debüt bei.
Das Album ist eine delikate Mischung aus Art Rock, Pop, Weltmusik und Folk. Es weist stilistische Ähnlichkeiten mit damaligen Werken von Peter Gabriel, Sting oder David Sylvian auf. Alles in allem ein Werk, das auf Grund seiner Qualität zu jener Zeit das Potenzial für einen Millionen-Erfolg gehabt hätte.
Nichts Derartiges geschah, lediglich in der Heimat Kanada hatte das Album aufgrund einer Quotenregelung ein wenig Airplay. Peterson gab seine musikalische Laufbahn enttäuscht auf.
20 Jahre später veröffentlichte Eddie Vedder den Song ‘Hard Sun’ als Single zu dem Soundtrack “Into The Wild”. Kaum jemand weiß, dass der Song eine Cover-Version eines Titels von Petersons einzigem Albums ist. Eddie Vedder macht aus dem Song einen veritablen Hit, hält sich dabei sogar weitestgehend an das Original-Arrangement. Nun sollte man meinen, dass sich der Komponist/Texter durchaus geehrt fühlt und sich obendrein über den unverhofften späten Geldsegen aus Tantiemen freut. Nichts dergleichen. Ganz im Gegenteil verklagt Gordon Peterson Vedder und Universal wegen Urheberrechtsverletzung – Universal, weil sie den Titel für Vedder lizensiert haben, Vedder selber, weil der sich beim Text die eine oder andere Freiheit bezüglich der Formulierungen erlaubt hatte. Letztlich scheint wohl ein Einvernehmen erreicht worden zu sein, immerhin ist das Album “Into The Wild” mit ‘Hard Sun’ immer noch im Handel. Was den Künstler letztlich zu der Klage getrieben hat, bleibt wohl sein Geheimnis.
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Da die Posse um die Klage gegen Eddie Vedder/Universal seinerzeit durch die Presse ging, entstand auch eine gewisse Neugier, wie wohl die Originalversion des Corpus Delicti geklungen haben mochte. So wurde ‘Big Harvest’ mit ca. zwanzig Jahren Verspätung zu einem sogenannten Collector’s Item. In Kanada wurde die CD von einem Reissue Label sogar noch einmal neu aufgelegt. Der eine oder andere neugierige Hörer wird dabei bemerkt haben, welche Perle von der Welt bis dahin weitestgehend ignoriert worden ist.
Und ‘Hard Sun’ ist mitnichten das beste Stück des Albums. Bereits der Opener ‘The Grinding Wheel’ ist ein progressives Schwergewicht, das die Alben oben genannter Künstler mit Sicherheit ebenfalls geschmückt hätte. Man könnte praktisch jedes weitere Stück von “Big Harvest” als Anspiel-Tipp empfehlen.
Der Künstler mag ein eigenwilliger Charakter sein. Sein einziges Album ist und bleibt jedoch ein beeindruckendes Statement, das auch heute noch kein bisschen Patina angesetzt hat. Inzwischen ist es auch auf den bekannten Streaming-Diensten verfügbar. CD und Vinyl sind jedoch bis dato weiterhin nur über Börsen, Second-Hand-Händler oder eBay aufzustöbern.
Bewertung: 12/15 (DH 12, KR 12)
Surftipps zu Indio/Gordon Peterson:
Wikipedia
Spotify
Apple music
Abbildung: Universal Music