(19:48; Digital, Vinyl; ATO Records, 2022)
‘Conspiranoia’! Was für eine geniale Wortneuschöpfung aus den englischen Worten ‘conspiracy’ (dt.: Verschwörung) und ‘paranoia’ (dt. Paranoia). Ein Begriff, der den derzeitigen Seelenzustand vieler Menschen so wunderbar zusammenfasst wie kaum ein anderer. Schon jetzt ein ganz ganz heißer Anwärter auf das “The Oxford Word Of The Year 2022”. Aber auch nur, falls die zuständige Kommission jemals Wind von der neuen Primus-Platte bekommen sollen.
Dass gerade jetzt ein neues Album der US-Amerikanischen Crossover-Legenden auf den Markt kommt, ist etwas verwunderlich, denn Larry LaLonde, Les Claypool und Tim Alexander haben gerade ihre transatlantische Tour begonnen, die sie im September auch nach Europa bringen wird. Eine Tour, die unter dem Motto ‘A Tribute To Kings’ steht und bei der Primus dem noch legendäreren Power-Trio Rush huldigen, indem sie deren 1977er Klassiker “A Farewell To Kings” in seiner Gänze aufführen.
Doch vielleicht ist es auch einfach nur eine geschickte Strategie, um nach fünf Jahren Funkstille, seit ihrem letzten Album “The Desaturating Seven”, wieder etwas mehr Aufmerksamkeit für die Band zu erzeugen. Aufmerksamkeit, die Primus eigentlich gar nicht mehr nötig haben sollten. Denn die bereits 1984 in El Sobrante, USA, gegründete Formation besitzt Kult-Charakter bei Anhängern der verschiedensten rock-musikalischen Genres. Ein Status, den sich die Kalifornier vor allem in den 90er Jahren erspielt haben, als sie mit ihrem progressiven Sound aus Funk, Alternative Metal und experimentellem Wahnsinn bei MTV nicht nur “Headbanger’s Ball” und “120 Minutes” eroberten. Und mit ihren skurrilen Texten und schrägen Videos zu ‘Too Many Puppets’, ‘My Name Is Mud’ und ‘Wynona’s Big Brown Beaver’ aus der Generation Crossover nicht mehr wegzudenken waren. Primus gehörten zusammen mit Faith No More, Rage Against The Machine und Tool zum innovativsten, was die damalige Szene zu bieten hatte. Doch das Ganze Prog zu nennen, wagten die wenigsten. Und das, obgleich Les Claypool und Konsorten schon auf ihrer ’98er EP “Rhinoplasty” mit Cover-Versionen zeigten, dass Teile ihrer Inspiration durchaus im Progressive Rock liegen.
Heute dagegen bestehen kaum noch Zweifel daran, dass Primus dem weiteren Umfeld des Prog zuzurechnen sind. Was das Trio ganz aktuell auch ein weiteres Mal mit ihrer aktuellen 3-Track-EP “Conspiranoid” belegt. Denn vor allem die über elf-minütige A-Seite ‘Conspiranoia’ fischt im gleichen Gewässer, zu dessen Anrainern auch Tool und Pink Floyd gehören. Funkig-bassbetont wie man es von Les Claypool gewohnt ist, handelt es sich bei dem Quasi-Titeltrack um den wohl psychedelischsten Trip, den Primus jemals erschaffen haben. Was u.a. auch an den wahnwitzigen Gitarrenlinien von Larry LaLonde liegt. Ein Stück, wie es auch gut auf “South Of Reality” gepasst hätte, dessen Pink-Floyd-Anklänge jedoch keine spät-Beatles-eske Sound-Experimente gegenüber gestellt werden, so wie es Sean Lennon bei The Claypool Lennon Delirium üblicherweise tut. Eine Jam-artige Psycho-Abfahrt, die so abgefahren ist, dass sie die Verschwörungsmythen auf die Schippe nehmenden Lyrics auf kongeniale Art und Weise widerspiegeln. Ein Stück, das unheimlichen Spaß macht und vor Humor nur so sprudelt, aber erst in Kombination mit dem dazugehörigen Musikvideo zur vollen Entfaltung kommt.
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Die beiden Stücke der B-Seite sind nicht weniger experimentell als die A-Seite. Aufgrund der fehlenden Psychodelity sind sie aber näher am klassichen Primus-Sound. Vor allem ‘Follow The Fool’ besticht hier durch sein extrem funkiges Bass-Spiel und die enorm rhythmischen Vocals von Les Claypool, die sehr gut auf das Schlagzeugspiel von “Herb” Alexander abgestimmt sind. Und uns so die substanzielle Frage des Stückes förmlich einhämmern:
But who’s the bigger fool?
Is it the fool?
Is it the fool who follows the fool?
Is it the fool who follows the fool who follows the fool?
Or the fool who follows the fool who follows
The fool who follows the fool who follows
The fool who follows the fool who follows
The fool who follows?
Das abschließende ‘Erin On The Side Of Caution’ klingt dann sogar so sehr old-school ’90s, dass das Stück in dieser Form auch wunderbar auf das 1990er Debüt “Frizzle Fry” gepasst hätte.
Unterm Strich also eine sehr kurzweilige Angelegenheit, die den Sound der alten Primus aus MTV-Zeiten mit den psychedelischen Elementen von The Claypool Lennon Delirium verbindet. Da freut man sich förmlich, das “A Farewell To Kings” nur eine Spielzeit von 37 Minuten hat. Denn so besteht die Möglichkeit, dass man “Conspiranoid” auf der kommenden Tour in Gänze zu hören bekommt.
Bewertung: 13/15 Punkten (FF 13, MK 13)
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Besetzung:
Les Claypool
Larry LaLonde
Tim Alexander
Diskografie (Studioalben):
“Frizzle Fry” (1990)
“Sailing The Seas Of Cheese” (1991)
“Pork Soda” (1993)
“Tales From The Punchbowl” (1995)
“Brown Album” (1997)
“Antipop” (1999)
“Green Naugahyde” (2011)
“Primus & The Chocolate Factory With The Fungi Ensemble” (2014)
“The Desaturating Seven” (2017)
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