The Mercury Tree – Spidermilk

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(49:22, CD, Digital, Mother Turf/Just For Kicks, 2019)
Mutig sind sie ja, die Jungs von Mercury Tree. Die Instrumente in mikrotonaler Stimmung mit 17 Noten pro Oktave getuned, unterhalten sie den geneigten Zuhörer mit elf neuen Songs vom aktuellen Album „Spidermilk“.

Gleich beim Opener ‘I Am A Husk’ wird klar, dass die europäische Tonleiter hier ausgedient hat, was jedoch der Qualität des Albums keinen Abbruch tut. Der Song ist abwechslungsreich und hat eindeutige “Psychodelic-Rock”-Tendenzen.

Dass ein Track nicht eine zweistellige Minutenanzahl andauern muss um zu proggen, stellen Mercury Tree mit ‘Vestments’ unter Beweis. Mit schönen Gesangseinlagen und grooviger Abwechslung wird geprogrockt, was das Zeug hält – in nur 4:39 min.

Der Anfang von ‘Arc of an Ilk’, die erste längere Nummer, kommt ein wenig wie Jamiroquai auf Acid daher. Der Psycho-Jazz setzt sich bis über die Hälfte des Tracks fort – dann geht’s Riff-basiert weiter ins harte Finale hinein.

‘I‘ll Pay’ ist nicht wesentlich kürzer. Die Band kommt hier mit schönen Gesangsdopplungen/Harmonien, effektierten Gitarren und Keyboard-Einlagen sphärischer rüber. Ausgeklügelte Drummpattern unterstreichen den progressiven Charakter dieses Tracks, welchen sie dann ganz ruhig ausklingen lassen.

Halbzeit zum Verschnaufen. Mit ‘Interglacial’ gibt es ein kleines, nicht mal zweiminütiges, instrumentales Zwischenspiel.

Das straighte ‘Superposition of Silhouettes’ bleibt aufgrund seiner Eingängigkeit in jedem Fall im Ohr hängen, auch ohne Herumwildern in Prog-Gefilden.

Unheilvoll-schräg und getragen kommt ‘Kept Man’ anfangs herüber, während es im letzten Drittel richtig was auf die Ohren gibt. Für plötzliche Wendungen sind die Jungs ja inzwischen bekannt.

Das balladenartig wirkende ‘(Throw up my) Hands’ ist äußerst minimalistisch gehalten. Mit Hall unterlegte Gitarren verrichten hier die Hauptarbeit, während sich die weiteren Instrumente bedeckt halten.

Mit ‘Disremembered’ läuten Mercury Tree die nächste epische und längste Nummer des Albums ein. Treibende Passagen, ruhige sphärische Intermezzos und Delay-Gitarren bringen den Zuhörer zackig, aber sicher durch den Song. Definitiv einer der Höhepunkte dieses Longplayers.

Auch wenn man sich an die 17-Noten-Oktaven-Intonierung bis hier hin gewöhnt hat, mit ‘Brake for Genius’ wird auch der offenste musikalische Geist auf die Probe gestellt. Zumindest bis zum starken Refrain robbt der Hörer im Geiste durch eine steinige, atonale Musiklandschaft. So schräg der Song ist, umso stärker ist das Songwriting dahinter. Man fragt sich unwillkürlich, wie die Songs generell ohne das experimentelle Tuning klingen würden.

‘Tides of the Spine’ ist ein würdiger Abschluss. Die anfänglichen Prog-Metal Parts münden in typischer Mercury Tree-Manier getragenen Passagen oder sphärischen Keyboards Einlagen.

“Spidermilk” ist stilistisch erfrischend abwechslungsreich. Nicht selten nehmen die Songs in sich kuriose Verläufe, gepaart mit vermeintlichen Disharmonien. Eine kunterbunte Mischung aus Porcupine Tree, Rush, Mars Volta und einem kaputten Stimmgerät. Die Bandmitglieder Ben Spees (Vocals, Gitarre & Keyboards), Connor Reilly (Drums), Oliver Campbell (Bass) und Igliashon Jones (Gitarre) liefern eine gute und saubere Performance ab. Die Songs sind, trotz des experimentellen Ansatzes, gut arrangiert und strukturiert. Gitarrenriffs, Basslinien, Drumfiguren und ein dezenter Einsatz von Keys/Electronica runden die eigenwillige Musik ab. Das Album ist mutig und vor allen Dingen innovativ, und darf ganz sicher zu der Kategorie „neue Musik“ gezählt werden.

Anspieltips: ‘Disremembered’, ‘Vestments’, ‘I Am A Husk’

Bewertung: 10/15 Punkten (AF 10, KR 10)

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Über den Autor

Progressiver Musiker, Songwriter, Produzent und Redakteur. Hört so ziemlich alles was es an Musik gibt -> außer Schlager. "You can't really dust for vomit." -- Nigel Tufnel, Spinal Tap

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The Mercury Tree – Spidermilk

von André Fedorow Artikel-Lesezeit: ca. 2 min
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