Heidiwitzka!

Klar, es kann auch wohlig vertraut und nett sein, wenn immer alles exakt beim Gleichen bleibt – unterschlagen wir jetzt mal besser Beispiele dafür, was oder wer damit gemeint ist... Aber eigentlich gehört heftige Überraschung doch zu den schöneren Erlebnissen, die man bei einem Konzertbesuch haben kann, oder? Wenn man die Band ganz gut kennt, ihr Material auch, sie damit auch schon live gesehen hat. Und dann passiert dennoch das völlig Unerwartete, das einen Song und die Band völlig neu erleben lässt. So geschehen bei den eh immer wunderbaren Pristine (deutsch: unberührt) im September in Bonns guter Stube, der Harmonie. Doch der Reihe nach…

Die erste Überraschung war nämlich, dass es eine Vorgruppe gab. Und welche. Taming The Abyss sind ein junges Münchner Trio, das klassischen Hardrock am Start hat. Die drei sympathischen Buam - Georg Raig (voc, guit), Jan Szymanski (bss), Peter Schergel (drms) – gingen das Thema aber erfreulich unernst an. Was mit ihren schwer glaublichen Stage Outfits losging und bei den spaßigen Ansagen nicht aufhörte. Die thematisierten u.a., wie sie am Morgen dieses Tages beim Frühstück im naturgemäß auch vielen der Anwesenden positiv erinnerlichen Café Sophie– ganz wie die Harmonie im lieblichen Endenich abgebildet – an vier Weißbier und einer netten Kellnerin hängengeblieben waren. Und die freundliche Servicekraft prompt zum Konzert eingeladen hatten „Ist sie scho‘ da? Na, bislang ned…“ (Sie erschien etwas später aber noch).

Musik gab’s auch - eine fröhliche Bazi-Ausgabe von DeWolff, die allgemein prächtig anzukommen schien. Was beispielsweise an der Audience Participation für ‚This Is The Love‘ abzulesen war.

Umbaupause. Ein Verdachts- bzw. Hoffnungsmoment war sofort aufgekeimt, als wir am Merch-Tisch Krissy Matthews Tourmanagerin (und brillante Saxophonistin!) Stephanie "Steph" Doherty erspähten. Vielleicht nicht sie selbst, aber doch Krissy - dem Vernehmen nach diesmal immerhin Tourmanager für Pristine - würde möglicherweise im Laufe des Abends also noch mitmischen, dachten wir. Und so kam es auch!

Apropos Stage Outfits: das güldne Beinkleid, mit dem Heidi Solheim, Frontfrau und Chefin von Pristine, nach einem sphärischen Intro nun die Harmonie-Bühne erklomm, muss erstmal jemand toppen. ‚The Devil You Know‘ machte die Spielfreude, ja Angriffslust der gesamten Combo überdeutlich. Die phantastischen Orgel-Parts von Keyboarder Anders Oskal erfreuten hier das Progger-Herz.
Das etwas langsamer angegangene ‚Behind The Line‘ hielt dennoch das Energielevel, u.a. mit einem knusprig verzerrten Bass-Solo seitens Åsmund Wilter Eriksson. Heidis Mannen sehen übrigens auch alle so unglaublich authentisch norwegisch aus wie sie es fraglos auch sind. Und legten irgendwie im Laufe des Abends immer mehr Kleidung ab...
Der stampfende, Mundharmonika-getriebene Roadhouse Blues ‚Derek‘ ist immer ein Publikumsliebling, so auch an diesem Abend. ‚Road Back To Ruin‘ saugte uns mit ultrafetter Orgel an. Und auch ‚Ghost With A Gun‘ kam nicht ohne ein starkes Keyboardsolo aus, während Heidi ihre rote Matte peitschen und kreisen ließ.
‚Stepping Into The Breach‘ sprang nun mit fast so etwas wie Pop-Appeal in die Bresche.
Beide Teile der Ballade ‚The Loneliest Fortune‘ absolviert Heidi mit ihrer Gitarre und Keyboard im Wesentlichen allein.
Die Tour lief unter diesem Namen: ‚The Lines We Cross‘. Das Stück hat bei Led Zeps ‚Kashmir‘ gut hingehört. Und es ist einfach sexy, wenn ihre Stimme hier in den Overdrive geht. ‚No Regrets‘ also – bei einem Pristine-Konzert gibt’s die eh nie. Stattdessen ‚All Of My Love‘. Und ‚Bluebird‘.
Und dann kam dieser ganz oben schon erwähnte spezielle Effekt: ‚Don’t Save My Soul‘ ist eine großartige Bluesballade, auch in der Studioversion. Was Gitarrist Espen Elverum Jakobsen und First Lady Heidi an diesem Abend aber live daraus gemacht haben, dürfte an Intensität schwer zu überbieten sein. Auch nicht von Beth Hart oder Elin Larsson. Durch hyperdramatische Verlangsamung, (für das Genre) extreme Verzerrung, vor allem aber durch das aufeinander Reagieren, das sich gegenseitig immer, immer weiter steigern. Der schönste Konzertmoment bislang in diesem Jahr für den Autoren.
Und selbst der gefeierte, begeisternde Gastauftritt von Bluesgitarren-As Krissy Matthews (für Fotograf Bernd, selbst ein starker Gitarrist, „erheblich interessanter als Joe Bonamassa) bei ‚Sinnerman‘ - wo es zu rasanten Duellen mit Espen kam, konnte dieses Erlebnis einfach nicht mehr toppen.
Live-Fotos: Bernd Zimmermann
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