Klassischer Prog • Konzeptalbum
(4CD + Blue-ray Audio Box; Rhino, 26.09.2025)
Die 4CD + Blu-ray Audio Box der 50th Anniversary Super Deluxe Edition von "The Lamb Lies Down on Broadway" ist im Coffee-Table-Format gehalten. Inhalt der 4CD + Blu-ray Audio Box, 4 CDs:
Die erste und zweite CD enthalten das neu remasterte Originalalbum von 1974, die dritte und vierte CD bieten zusätzliche Live-Aufnahmen vom Konzert im Shrine Auditorium, Los Angeles, vom Januar 1975, einschließlich zwei bisher unveröffentlichter Zugaben. Eine Download-Karte bietet drei bisher unveröffentlichte Demos aus den Headley Grange Sessions sowie hochauflösende 96kHz/24-Bit-Audio der neuen Remaster.
Blu-ray Audio: Enthält den Dolby Atmos Mix des Albums sowie einen hochauflösenden Stereo-Mix überwacht von Peter Gabriel und Tony Banks in den Real World Studios.
Visuelle Inhalte: Ein 64-seitiges Coffee-Table-Buch mit Interviews, seltenem Bildmaterial sowie Reproduktionen von Tour-Programmen, Tickets und einem Poster der Live-Show. Die schlechte Nachricht vorweg: Es gibt auf der BluRay keine begleitende Animation zum Album. Das ist enttäuschend und hätte die Box noch einmal aufgewertet.
Ob es nicht gereicht hätte, eine BluRay-Audio zu veröffentlichen, sei dahingestellt. Das Remaster des Original-Albums bringt soundtechnische Fortschritte, kann aber weder mit der japanischen Ausgabe der Platte noch mit dem Nick-Davies-Remix von 2007 mithalten. Aber das mag auch Geschmackssache sein. Die Liveaufnahme von "The Lamb“ ist bereits aus der ersten "Archive Box" bekannt, wird hier aber immerhin "rund" gemacht durch die beiden Zugaben 'Watcher Of The Skies' und 'The Musical Box'.
Die Headley Grange Sessions, welche man sich "runterladen" kann, mögen historische Bedeutung haben. Ich neige nicht dazu, diese doch sehr rudimentären Demos noch einmal anzuhören...
Kommen wir also zum Hauptgrund dieser Rezension: Der Dolby-Atmos-Mix von "The Lamb Lies Down On Broadway".
Vorweg: Ich habe "nur" ein „vorgegaukeltes“ 7.1-System. Es handelt sich um eine JBL Bar 1000 7.1 kabellos. Ich halte das Teil für grandios, aber es ist maximal auf Mittelklasse-Niveau. Und bei "The Lamb" in 7.1-Surround stößt dieses Gerät (nach meiner Wahrnehmung) erstmals an seine Grenzen. Ich finde übrigens den "The Lamb"-5.1-Surround-Mix sehr schwach. Dies als Anhaltspunkt für Kenner der genannten Version. Warum? Der Mix klingt wie das Album im Original schon "matschig" und verwaschen. Manche nennen das "wuchtig", ich hatte immer das Gefühl, dass es musikalische Unzulänglichkeiten verdecken sollte...
Bei der neuen Version, einem wortwörtlichen Remix, ist diese Vorgehensweise auf den Kopf gestellt. Alle Instrumente sind von jeglichem Ballast befreit, regelrecht gesäubert, entstaubt, so klar, dass man teilweise glaubt, ein ganz anderes Album zu hören. Die Musik bekommt auf diese Weise deutlich mehr Struktur und Kontur. Die Einflüsse aus Beat, Psychedelic und Rock kommen wesentlich deutlicher zur Geltung.
Das führt dazu, dass man das Album viel mehr als "Song-Sammlung" wahrnimmt und tiefer in die Aspekte der einzelnen Stücke eindringt. Somit wird das in meinem Fall immer als "etwas flach" titulierte Ende mit 'Riding The Scree' (Überraschungs-Hit), In The Rapids und dem all zu straighten 'It' zum deutlich überzeugenderen Finale. Klar zu erkennen ist die Brillanz von Banks (hier absoluter musikalischer Anführer), Hackett und Collins, die auf den Punkt das musikalische Gemälde veredeln, während Rutherford eher einfachere Rhythmik einbringt und man natürlich wieder mal hört, dass Gabriel noch nicht mal der beste Sänger bei Genesis war, wenn er auch trotzdem mitreißend, charismatisch und ganz sicher auch nicht "schlecht" gesungen performed. Dabei entsteht so etwas wie "Musical-Feeling", da Gabriel sich immer mal wieder im Raum "gegenseitig ansingt". Sozusagen eine dialogartige Verschiebung der Gesangsspuren.
Und natürlich wurden bei der Überarbeitung neue Akzente gesetzt. Das führt zu ungewohnten Effekten, teilweise zu "überhörten" Instrumenten und macht das Hörerlebnis neu, aber für den jahrelangen Kenner der Scheibe auch irritierend. Dezente Arrangement-Änderungen, teils stärkere Betonung der Gitarrenspuren, Chöre, Flöte. Das ist alles "neu", aber auf jeden Fall ungewohnt.
Man reizt den vollen Umfang der Surround-Optionen nicht immer vollends aus, aber gerade in 'Hairless Heart', 'Silent Sorrow' oder 'The Arrival' (Intro Slippermen) wirken die Atmos-Spielereien am beeindruckendsten. Sehr schön ist auch 'Supernatural Anaesthetist' mit seiner extremen Verlagerung aller "Tonerzeuger" im Raum. Und 'Waiting Room' ist natürlich "brainfuck as hell". Ansonsten steht die Musik im Raum, aber man "spürt" wie die verschiedenen Sounds immer wieder den Boxenausgang wechseln.
Und beim 'Slipperman' gibt meine Anlage dann irgendwie auf. Keine Ahnung woher das "Geröchel" vom 'Slipperman' kommen soll („We like you have tasted love, don't be alarmed at what you see...“), bei mir zerfällt es zu einem flüsternden Nix... Das ist aber auch der einzige "Fehler", den ich finden konnte. Ok, manchmal hat man den Eindruck, es wurden andere Gesangsspuren als auf dem Original-Album genutzt, was daran liegen mag, dass Chöre und Stimmdopplung Gabriels anders akzentuiert werden. Auch etwas, auf das man sich einlassen muss.
Alles in Allem finde ich diesen REMIX (mit Ausrufezeichen) wirklich gelungen. Kann man schon bei vielen anderen Alben sagen, dass sie im Surround ein neues Hör-Erlebnis sind, so habe ich so etwas Radikales wie den REMIX von "The Lamb" bisher noch nicht gehört. Ich will nicht sagen, dass das ein "neues Album" ist, aber man sollte sich schnell von seinen eingefahrenen Hörmustern zu diesem Album verabschieden. Sonst könnte man enttäuscht bis entsetzt sein. Schafft man es aber, sich auf diesen REMIX einzulassen, so schafft es dieser (zumindest bei mir), dieses Album so klingen zu lassen, wie (ich glaube) es immer schon klingen sollte und ich es bisher noch nicht besser gehört habe. Außer bei "Rewiring Genesis", die imho die beste Version von "The Lamb" abgeliefert haben. Aber das ist eine andere Rezension...
Ohne Bewertung
Surftipps zu Genesis:
• Homepage
• Rhino Entertainment
Alle Abbildungen: Atlantic Recording Corporation/Rhino.


