(1:17:46/1:11:19; CD+Blu-ray, Vinyl (2LP), Digital; Century Media/Sony Music, 24.04.2025)
Im Krieg gibt es keine Gewinner. Alle verlieren - ihr Leben, ihre Seelen, ihre Menschlichkeit.
Dieser Satz bringt das Selbstverständnis einer Band auf den Punkt, die in der extremen Metal-Szene ein kleines Phänomen darstellt: Kanonenfieber. Für eine Formation aus dem Graubereich zwischen Death und Black Metal erfreuen sich die Bamberger einer erstaunlich großen Beliebtheit – nicht zuletzt dank ihrer kompromisslosen Mischung aus musikalischer Härte, historischer Aufarbeitung und eindringlicher Ästhetik. So waren im vergangenen Jahr 16 der 20 europaweiten Headliner-Konzerte ihrer "Die Urkatastrophe"-Tour bereits Monate im Voraus ausverkauft.
Wie eindrucksvoll das Gesamtkonzept Kanonenfiebers auf der Bühne funktioniert, zeigt nun der Konzertmitschnitt vom 23. November 2024 aus der Turbinenhalle II in Oberhausen, erschienen als Audio- und Blu-ray-Version. Und Letztere lohnt sich: Das visuelle Konzept hebt das Konzerterlebnis auf eine eigene Ebene. Ein monumentaler Backdrop zeigt ein Luftschiff in Nahaufnahme, die Bühne ist in Schützengrabenoptik mit Sandsäcken, Stacheldraht und Flankengeschützen gestaltet, die Musiker tragen durchgehend historische Uniformen – Frontmann Noise teils sogar mit Pickelhaube.
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Die Setlist deckt sämtliche Schaffensphasen ab: zwei Songs vom Debüt "Menschenmühle", drei Stücke von den EPs "Der Füsilier" und "U-Bootsmann" sowie acht Titel vom aktuellen Album "Die Urkatastrophe". Klanglich kann der Mitschnitt überzeugen – fett, direkt und mit transparentem Mix. Trotz harscher Vocals sind die in deutscher Sprache verfassten Texte gut verständlich. Die Riffs und das Schlagzeug vermitteln immer wieder den ohrenbetäubenden Lärm von Trommelfeuer. Und die Lightshow, meist in orange- bis sepiafarbenen Tönen gehalten und teils blendend grell, vermittelt das Gefühl, mitten in einer lichterloh brennenden Welt zu stehen.
Zwischen den Songs ertönen immer wieder historische Originalaufnahmen aus der Kaiserzeit: Sprachfetzen, Reden, Feldpost – als wollte man die Toten selbst zu Wort kommen lassen. Diese Einschübe erzeugen eine gespenstische Atmosphäre und machen klar: Hier geht es nicht um martialische Pose, sondern um kritische Erinnerung.
Jeder Song erhält sein eigenes visuelles Narrativ: Bei 'Der Füsilier I'steht Noise mit Gaskanone auf der Bühne und bricht später beim Anblick eines alten Fotos in Tränen aus. "Maulwurf" wird mit Grubenlampe und Spaten im Unterhemd intoniert, dreckverkrustet wie ein Stollenarbeiter.
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Und bei 'Kampf und Sturm', begleitet vom stetigen Ping eines Echolots, wird die Bühne zur Kommandozentrale eines U-Boots, inklusive Marineuniformen und beklemmender Lichtinszenierung.
Die Kameraarbeit ist bewusst roh gehalten, mit schnellen Schnitten und teils wackeliger Perspektive – das mag polarisieren, verleiht dem Geschehen aber zusätzliche Unruhe. Einziger kleiner Kritikpunkt: Die Publikumsreaktionen sind etwas zu leise abgemischt und treten nur vereinzelt hervor.
"Live In Oberhausen" ist kein konventioneller Konzertfilm. Es ist ein bedrückendes, wuchtiges Mahnmal in Tönen und Bildern – und ein Beweis dafür, warum Kanonenfieber weit mehr sind als bloßer Hype. Ich jedenfalls werde bei der nächsten Tour nicht fehlen und dann mit Kamera bewaffnet in meinem eigenen Schützengraben stehen.
Bewertung: 12/15 Punkten
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Noise - Vocals
Hans - Drums
Kreuzer - Lead Guitar
Sickfried - Rythm Guitar
Gunnar - Bass Guitar
Diskografie (Studioalben):
2021: "Menschenmühle"
2024: "Die Urkatastrophe"
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Alle Abbildungen wurden uns freundlicherweise von Oktober Promotion zur Verfügung gestellt.