(45:20; Vinyl, CD, Digital; InsideOut Music/Sony Music, 13.06.2025)
Als Avkrvsts „The Approbation“ 2023 erschien, weckte es in mir zunächst wohlwollendes Interesse: ein norwegisches Debütalbum mit klassischen Retro-Prog-Wurzeln, verpackt in eine moderne Produktion und angereichert mit einem düsteren Storytelling, das Steven Wilson, Opeth und teils sogar Anathema grüßte. Ein kurzes Aufblitzen, nicht mehr – denn trotz Growls, dicker Keys und melancholischer Texturen fehlte das entscheidende Quäntchen Eigenständigkeit, das ein Album in den Langzeitgedächtnisspeicher verlagert.
Zwei Jahre später nun der zweite Versuch. „Waving at the Sky“ ist ein Konzeptalbum – und zwar ein schweres, im wahrsten Sinne. Die musikalisch erzählte Vorgeschichte zu „The Approbation“ basiert auf erschütternden Ereignissen, auf einer grausamen Familientragödie über Missbrauch, die sich im ländlichen Norwegen abspielten, als Frontmann Simon Bergseth und Schlagzeuger Martin Utby noch Kinder waren. Es ist ein kraftvolles Statement mit dem tiefsten inneren Wunden offengelegt werden – und das mit einem Sound, der deutlich gewachsen ist, aber trotzdem noch Luft nach oben lässt.
Der Einstieg ‚Preceding‘ beginnt stakkatohaft, mit knarzendem Bass und düsterer Retro-Prog-Stimmung, die an Yes erinnert – allerdings durch den Filter von Opeths „Deliverance“-Phase. Eine Stimme tritt ein, scheinbar ein Nachrichtensprecher – ein cleverer Kunstgriff, der den dokumentarischen Ton der Platte früh etabliert.
Mit ‚The Trauma‘ wird’s hektischer: ein nervöser Groove treibt den Song voran, begleitet von elegisch anmutenden Gitarrenlinien in den ruhigeren Passagen. Der Refrain? Überraschend eingängig und hymnisch, doch die Strophen wollen sich nicht ganz fügen. Bergseths Gesang wirkt etwas unsicher, etwas wacklig – man spürt, dass hier Emotionalität vor technischer Kontrolle steht. Die obligatorischen Growls wirken fast wie ein Reflex, eher stilistisches Pflichtprogramm als dramaturgische Notwendigkeit.
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‚Families Are Forever‘ zieht das Tempo anfangs bewusst heraus. Der Bass wird noch prominenter, der Gesang bleibt blass – außer im Refrain, der erneut melodisch punktet. Die Atmosphäre jedoch stimmt: wabernde Keys, melancholische Gitarrenflächen, ein Solo zum Niederknien. Und dann geht’s tatsächlich kurz in Riverside-Gefilde – schöne Überraschung!
‚Conflating Memories‘ verlässt die metallische Umgebung fast vollständig. Der Song erinnert in seiner zerbrechlichen Melancholie stark an Steven Wilsons „The Raven That Refused To Sing (And Other Stories)“-Phase, mit sanften Opeth-Nuancen im Unterholz. Der Gesang jedoch bleibt erneut ein Problem – insbesondere in den Strophen fällt es schwer, sich ganz auf ihn einzulassen. Der Drum-Sound hingegen ist markant und präsent. Besonders auffällig: das unheimlich pfeifende Flötenintermezzo – spooky, aber stimmig. Leider verliert sich der Song immer wieder, sodass manche Teile wie drangehängt wirken. Es sind teils gute Ideen, aus denen man besser eigene Songs entwickelt hätte. Ernüchternd ist aber v.a., dass das Stück nach all seinen Windungen am Ende einfach so ausfaded.
Mit ‚The Malevolent‘ gibt es dann ein echtes Highlight: Ross Jennings (Haken) veredelt diesen Track mit seiner charakteristischen Stimme und zeigt, wie viel Unterschied ein erfahrener Frontmann machen kann. Der Song hat Haltung, Dynamik und zieht den Hörer durch – allerdings auch mit dem Nebeneffekt, sodass der Rest der Band dagegen etwas konturlos erscheint. Kaum ist Jennings wieder weg, driftet der Sound erneut Richtung Opeth meets Storm Corrosion.
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‚Ghosts Of Yesteryear‘ beginnt mit Streicherklängen, die zum Gruseln einladen, bevor man sich abrupt in einem Prog-Gewitter à la ‚Luminol‘ wiederfindet. Akustische Gitarrenpassagen und leicht verzerrte -soli reihen sich aneinander, dazwischen melancholische Intermezzi mit tatsächlich berührendem Gesang. Doch die Ideenflut wirkt überladen – die Übergänge sind oft zu abrupt, die Stücke in sich nicht immer schlüssig.
Der abschließende Titeltrack ‚Waving At The Sky‘ – mit über zwölf Minuten ein ausgewachsener Longtrack – beginnt akustisch, beinahe pastoral. Steven Wilson winkt ein letztes Mal durch die norwegische Tundra, bevor sich neoproggige Synths und Growls die Hand geben. Der Song bündelt viele der Stärken des Albums: Atmosphäre, Melodie, Dramatik. Und doch: das Stück wirkt leider etwas arg zusammengewürfelt und auch der Gesang, speziell in den ruhigen und den harschen Parts, bleibt ein Streitpunkt.
„Waving At The Sky“ ist ein deutlich reiferes Werk als „The Approbation“ – mutiger, emotionaler, vielseitiger. Es zeigt, dass Avkrvst bereit sind, über sich hinauszuwachsen. Und doch fehlt es – wieder – an der finalen Signatur, am Erkennungsmerkmal, das Avkrvst aus dem großen Prog-Teich herausheben würde.
Bewertung: 11/15 Punkten

Simon Bergseth (composer, guitars, bass and vocals)
Martin Utby (composer, drummer and synths)
Øystein Aadland (bass/keys)
Edvard Seim (guitars)
Auver Gaaren (key)
Gastmusiker:
Ross Jennings
Diskografie (Studioalben):
„The Approbation“ (2023)
„Waving At The Sky“ (2025)
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Rezensionen:
„The Approbation“ (2023)
Alle Abbildungen wurden uns freundlicherweise von Oktober Promotion zur Verfügung gestellt.