(296 Seiten; Gebundenes Buch, I.P. Verlag, 02.08.2024)
Dies könnte laut Rob Halford seinen Grabstein schmücken:
Vorne: ICH SCHREIE MIR DIE SEELE AUS DEM LEIB
IM HIMMEL ODER IN DER HÖLLE!
Hinten:TEST…TEST…
EINS.ZWEI.DREI…
Judas Priest gehören seit 50 Jahren zur Speerspitze des britischen Hard Rocks/Heavy Metals – Priest sind Kult. Noch einige Jahre vor Saxon, Iron Maiden, Def Leppard, also vor dem Boom der New Wave of British Heavy Metal Ende der Siebziger, Anfang der 80er (von dem die Priester natürlich ebenfalls kommerziell profitierten), nahm man mit härteren Klängen Anlauf und war ein wichtiger Bestandteil der immer populärer werdenden härteren Gangart. Mit Rob Halford hat man einen der prägnantesten Frontmänner im Metal-Bereich in der ersten Reihe, eine Stimme, die man unter Tausenden sofort erkennen würde. Jeder Metal-Fan weiß um die Homosexualität des Sängers, die damit verbundenen Kontroversen und wie dies in den Seventies/Eighties gerade im konventionellen Testosteron-gesteuerten Metal-Establishment ein Tabu-Thema war. Halford hat im bereits 2021 erschienenen “Ich bekenne – Die Autobiografie des Sängers von Judas Priest” den Werdegang der Band, Karriere, die Problematik als homosexueller Sänger einer Metal Band im vollkommen hedonistischen Rock’n Roll feinfühlig beleuchtet – mal ernsthaft, mal mit gesundem humorvollen Abstand. Diese Biografie war wunderbar leicht zu konsumieren, dazu musste man kein ausgewiesener Priest-Fan sein. Halford hat Charisma, ist einer der bekanntesten Fronter im Metal-Bereich und hat in 50 Jahren letztlich alles erleben dürfen.
Rob Halfords Heilige Schriften sind nun in viele biblische Kapitel untergliedert (elf an der Zahl) und als Metal-Gott versteht es sich von selbst, dass all die Erfahrungen, Bekenntnisse, Erlebnisse und Schlussfolgerungen keiner übergeordneten heiligen Schrift bedürfen, sondern dem echten Leben entspringen, in das der Sänger hier auf knapp 300 Seiten erneut tiefe augenzwinkernde Einblicke gewährt. Grundsätzlich ist der Aufbau ähnlich der Biografie, die ersten Jahre werden mit kleinen Anekdoten humoristisch, aber auch ernsthaft und authentisch mit kritischer Nabelschau unter die Lupe genommen. Rob schaut viel aufs Innenverhältnis der Band, spannende und vor allem lustige Anekdoten über verschiedene Manager- oder Roadie-Typen generieren etliche Lacher. Nach dem ersten Buch Job(s), das sich mit den Anfangsjahren der Band beschäftigt, wird mit dem Buch der Psalmen tief ins musikalische Konzept geschaut (Alben, Cover, Studios, Plattenfirmen etc.). Richtig spannende Anekdoten folgen im Weiteren im Buch der Gewandungen und Pilgerfahrten, wo Rob natürlich viel aus dem Tour-Nähkästchen von allerhand lustigen, aber auch grenzwertigen Momenten erzählt. Er ist sich selbst nie zu schade, über sich selbst zu schmunzeln (Thema Tattoo, Hotel-Leben und Soziale Medien), zeigt sich verletzlich, manchmal auch etwas over the Top, so wie das Business auch, das im kometenhaften Durchbruch die Musiker in Extreme treibt. Die Liebe zum Heavy Metal, zu den Fans, zu all den vielen kleinen Ritualen im Studio, auf der Bühne und auch zu den jeweiligen Manierismen der einzelnen Musiker sind immer wieder für viele Erkenntnisse und Lacher gut.
Wie Halford im Buch der Versuchungen mit seiner Sexualität, Alkohol- und Drogensucht, dem Älterwerden, dem Gitarristen-Zwist, seinem zwischenzeitlichen Alleingang Anfang der Neunziger und der eigenen Popularität in die Selbstreflexion findet, ist immer wieder grundsympathisch, authentisch und schonungslos – vor allem in Bezug auf sich selbst. Das Buch zeigt einen starken Charakter, der die eigenen Schwächen unumwunden definieren kann, anderen gegenüber viel Toleranz übt und “Leben und Leben Lassen” als Devise für das eigene Tun als oberstes Gebot lebt. Mit vielen spannenden Details wartet das Buch der Klagen auf, wirft es doch so manchen Blick hinter die Kulissen, auf die Erkrankungen der älter werdenden Musiker, auf das immer wieder in die Kraft finden, auf die Energie des Heavy Metal – dafür findet Halford immer einfache, aber starke Worte, fernab von leeren Phrasen.
Mit dem Buch der Offenbarungen zeigt Halford, dass er mit vielen guten Erfahrungen, vor allem mit den treuen Fans im Rücken, nach 50 Jahren Musiker-Dasein viel Demut und Dankbarkeit in sich trägt – ein immer mit beiden Füßen bodenständig stehender, prominenter Frontmann. Ich bin in meiner Jugend mit der “Priest Live 1987” und Alben wie “British Steel” sozialisiert worden, ein Fan wurde ich nie und bin auch dem traditionellen Metal nie hörig genug geworden, aber als Institution sind Judas Priest ein Statement, sind Klassiker, die auch für Nicht-Fans einen genaueren Blick wert ist – erneut ein schwer unterhaltsamer und spannender Schmöker vom Priest-Häuptling.
Bewertung: 13/15 Punkten
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Cover mit freundlicher Genehmigung von Iron Pages.