
(43:11; Vinyl, CD, Digital; Season Of Mist; 14.11.2025)
Manchmal reicht ein neuer Name, um eine ganze Klangwelt zu befreien. Your Inland Empire wirken jedenfalls so, als hätten sie schon lange darauf gewartet, die Tür hinter Crown zuzuziehen, das Licht auszuschalten und in einem anderen Raum wieder aufzuwachen – einem, in dem alles dunkler leuchtet, präziser dröhnt und gleichzeitig seltsam eingängig geworden ist. Die Namensänderung geschah dabei analog zum Wechsel von Pelagic Records zu Season of Mist – ein sauberer Schnitt, der den Sound nicht nur befreit, sondern regelrecht entfesselt. So ist man plötzlich näher an Gefilden von Sisters Of Mercy, Fields Of The Nephilim und Paradise Lost/Host als am Sound von Crown.
'Scars' startet wie ein Weckruf von einer Maschine, die nicht ganz fehlerfrei läuft, aber erstaunlich gut groovt. Gleich zu Beginn zeigt sich die neue Vielfalt: Ein Hybrid aus Industrial-Punk, Darkwave und mechanisch pulsierendem Post Metal, der dennoch Zugang und Tanzbarkeit behält.
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'There Is No Me' und 'Grinding' treiben diesen Sog weiter voran, während Azam stimmlich zwischen resigniertem Murmeln und kontrolliertem Aufschrei pendelt – sein Spektrum bleibt eine der stärksten Waffen der Band. David Husser baut im Hintergrund Klangarchitektur, so präzise, dass man fast glaubt, er arbeite an zwei Pulten gleichzeitig, während Nicolas Uhlen das Fundament mit stoischer Rhythmusarbeit legt.
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'Edge of Perfection' ist dann der Moment, in dem das Album endgültig zu sich selbst kommt: ein kreischender, pulsierender Einschlag, der Industrial-Punk-Energie mit einem Hook verbindet, den man eigentlich nicht im Kopf behalten will – und doch tut. Der Refrain „The perfect imperfection“ ist gleichermaßen Selbstdiagnose und Motto – und überraschend charmant für etwas, das Funken sprüht.
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Über das Album hinweg wird klar, wie mannigfaltig die Einflüsse sind: Nine Inch Nails, Depeche Mode, The Cure, Killing Joke, Tool, Einstürzende Neubauten, Alice In Chains, The Young Gods, Björk, Ministry, Neurosis, Swans, Boards of Canada, Massive Attack, Jon Hopkins, Aphex Twin, A Perfect Circle, Knocked Loose, Godflesh, Gojira, Health – all das verschmilzt in der Handschrift von Azam, Husser Strebler und Uhlen zu einem ganz eigenen Stilmix, der gleichzeitig an die 80er und 90er erinnert und doch hochmodern klingt.
In der Albummitte lodert der Sound zwischen Neonflimmern und Bassdruck. 'Silver Knife' und 'Undone' wirken fast schmeichelnd – natürlich nur innerhalb der YIE-Grenzwerte, also in etwa so freundlich wie ein Nachtspaziergang über einen verlassenen Industrieboden. 'Venom' (mit seinem markerschüternden Screams) und 'Sulfur' verstärken den Sog nach innen, schwerer, dichter, ohne den melodischen Kern ganz zu verlieren.
Im letzten und dem (post-)metallastigsten und heaviesten Drittel entfaltet sich endgültig die alchemistische Partnerschaft von Vision und Kontrolle, Chaos und Struktur, Funken und Präzisionslaser. Industrial Darkwave, Post-Metal, Dark Pop – nicht als Stilbruch, sondern als logische Weiterentwicklung eines Sounds, der schon bei Crown begonnen hatte. Viel zugänglicher als bei Crown, mit Hooks, die Zillo (R.I.P), Mera Luna und das Wave & Gothic Treffen in Leipzig mühelos bedienen könnten, bleibt das Album dabei trotzdem eigenständig, dunkel und kompromisslos.
Am Ende steht ein Klangkörper, der wie ein mechanischer Organismus wirkt: warm und kalt zugleich, pulsierend, mit Stahlkanten. Ein Debüt, das keins ist, ein Umbruch, der wie ein Upgrade klingt – und ein Imperium, das schon jetzt zu wachsen beginnt.
Bewertung: 13/15 Punkten
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• Stéphane Azam - Vocals, Production, Guitars, Programming, Synths
• David Husser - Production, Guitars, Programming, Synths
• Marc Strebler - Bass Guitar
• Nicolas Uhlen - Drums, Percussion
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Alle Abbildungen wurden uns freundlicherweise Season Of Mist zur Verfügung gestellt.

