
Post Hardcore • Emo • Screamo • Post Rock
(45:00; Vinyl, CD, Digital; Epitaph/Indigo; 22.08.2025)
Wer bei einem Namen wie The World Is A Beautiful Place & I Am No Longer Afraid To Die automatisch an Post Rock denkt, unterliegt einer Täuschung. Die Wurzeln der US-Amerikaner liegen im Emo; Anfang der 2010er gehörte die Band zu den Speerspitzen des Genre-Revivals. Und doch zeigte sich der Name prophetisch für die Entwicklung der Formation: Spätestens auf dem 2021er Meisterwerk "Illusory Walls" waren die Post-Rock-Einflüsse nicht mehr zu überhören. Die beiden abschließenden Longtracks 'Infinite Josh' und 'Fewer Afraid' konnte man sogar als lupenreinen Post-Rock bezeichnen.
Doch auch, wenn man all dies weiß, ist man kaum auf "Dreams Of Being Dust" vorbereitet. Die Post-Rock-Einflüsse treten hier stark in den Hintergrund, stattdessen dominieren Hardcore, Post-Hardcore und Screamo – intensiver als je zuvor bei TWIABP&IANLATD. Screamo-Attacken, Riffgewitter und aggressive Drums verstärken die emotionale Tiefe des Albums und zeigen eine Band, die ihre Wurzeln kennt, sich aber gleichzeitig radikal weiterentwickelt.
Die Transformation kam nicht völlig aus dem Nichts. Schon live deuteten die sechs Musiker:innen an, dass ihr Post-Rock-getränkter Indie-Emo längst nach mehr Druck verlangte. Der geplante Split mit einer Hardcore-Band kam zwar nie zustande, doch die dafür geschriebenen Songs rahmen nun das Album ein: 'Dimmed Sun' als wütender Auftakt, 'For Those Who Will Outlive Us' als apokalyptischer Schlussstein. Dazwischen entfaltet sich ein Album, das sich wie ein Manifest für eine neue Ära der Band anfühlt.
Wer den Vorabsong 'Beware The Centrist' gehört hat, wusste bereits: TWIABP&IANLATD können shredden, kompromisslos. Doch "Dreams Of Being Dust" bleibt kein reines Wut-Album. Es verwebt Härte und Melancholie, chaotischen Lärm und hymnische Passagen, Raserei und bittersüße Harmonien. 'Se Sufre Pero Se Goza' mit Brendan Murphy (Counterparts) rast wie ein post-hardcore-getriebener Orkan, nur um im Refrain mit der verzweifelten Beschwörung
We need more time
innezuhalten.
'Captagon' kippt vom Traumhaften ins Rasende, sobald Mike Sugars (Church Tongue) seine Stimme erhebt. 'Reject All And Submit' mit Dylan Walker (Full Of Hell) verleiht der Band eine Dringlichkeit, die aus dem Hardcore-Untergrund direkt in die Schlagadern schießt.
Ein kleiner Wermutstropfen bleibt: Die zahlreichen Gastsänger lassen die Gesangsanteile von Katie Dvorak auf "Dreams Of Being Dust" vergleichsweise klein wirken. Das Wechselspiel aus Male/Female Vocals, das in der Vergangenheit an The Decemberists oder Phillip Boa & Pia Lund erinnerte, ist nur noch ansatzweise erkennbar – ein Stück Reiz geht dadurch verloren.
Thematisch wie musikalisch bleibt das Album dennoch ein wütender Kommentar zu einer Welt im Würgegriff von Kapitalismus, Faschismus und neoliberaler Verwüstung – und gleichzeitig ein solidarisches Werk, das die Verbindungen zu Weggefährten und Szene zelebriert. Produziert von Chris Teti und Greg Thomas, veredelt von Will Putney, trägt es die Handschrift einer Band, die längst nicht mehr im Emo- und Post-Rock-Kokon lebt, sondern die Härte der Gegenwart voll und ganz angenommen hat.
Bei aller Gewalt verzweifelt "Dreams Of Being Dust" nicht. Es schlägt zurück, mit Leidenschaft, mit Gemeinschaft, mit einem kompromisslosen
Fuck it!
Vielleicht ist der Titel daher eine Finte: Zu Staub wird hier keiner. Vielmehr erhebt sich eine Band, die ihre Vergangenheit nicht abstreift, sondern transformiert – und mit diesem Album ein weiteres Mal neu beginnt.
Bewertung: 13/15 Punkten
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Besetzung:
• David F. Bello – Vocals
• Katie Dvorak – Synthesizer und Vocals
• Anthony Gesa – Gitarre und Vocals
• Steven K. Buttery – Drums und Percussion
• Joshua Cyr – Bass
• Chris Teti – Gitarre und Vocals
Gastmusiker:
• Greg Thomas – Additional guitars und Vocals
• Brendan Murphy – Vocals on 'Se Sufre Pero Se Goza'
• Mike Sugars – Vocals on 'Captagon'
• Dylan Walker – Vocals on 'Reject All and Submit'
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