Progressive Metal • Progressive Rock • Djent
(1:08:29; Vinyl, CD, Digital; Kscope/Edel, 29.08.2025)
Es gibt Bands, die brauchen gefühlte dreißig Jahre, um ein neues Album vorzulegen (hallo, Tool). Ihlo haben sich für ihr Zweitwerk "nur" fünf Jahre Zeit gelassen – und siehe da: die Wartezeit hat sich gelohnt. "Legacy" klingt wie der Moment, in dem die Jugendjahre endgültig abgelegt werden, man den alten Rucksack in die Ecke stellt und sagt: „So, jetzt machen wir das richtig.“
Schon beim Opener 'Wraith' merkt man: hier ist nichts mehr dem Zufall überlassen. Synthesizer wabern durchs Bild, Gesangsharmonien erinnern an Tesseract, und doch blitzt immer wieder eine melancholische Note auf, die eher nach Gazpacho klingt. Druck hat die Nummer auch – aber eben ohne diese unsägliche „Djenty McDjentface“-Attitüde, die so viele andere Bands sofort ins Tech-Metal-Nirwana schickt.
'Replica' dagegen zeigt, dass Ihlo auch das andere Extrem beherrschen: gezupfte Gitarren, sanftes Pendragon-Intro, eine Melodie, die man eigentlich sofort mitsingen möchte (wenn man nicht so sehr damit beschäftigt wäre, nach der dritten Akkordwendung kurz glücklich zu seufzen). Und kaum ist man in Sicherheit gewiegt, zieht die Band elegant die Brücke Richtung Modern Prog – nie mit der Brechstange, eher mit einem freundlichen „Ach übrigens, wir können das auch“.
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Mit 'Source' wird’s richtig stimmungsvoll: elektronische Rhythmen, gehauchter Sprechgesang, alles fein austariert, bis plötzlich der Vorhang aufgeht und die Sonne durchbricht. Ein Song wie ein englischer Sommertag – erst Wolken, dann Regen, dann plötzlich ein Regenbogen, bevor man merkt, dass es doch wieder nieselt. Schön.
'Empire' beginnt wie ein vorsichtiger Testlauf: Bass, Gitarre, Drums auf Sparflamme. Doch nach wenigen Minuten wuchtet die Band das Arrangement hoch, als hätten sie die Lautstärkeregler in einer Kathedrale entdeckt. Synthies schaffen Raum, die Rhythmusgruppe legt Fundament, und Sänger Andy Robison darf sein komplettes Repertoire auspacken – von sanftem Hauchen bis hin zu kraftvollen Linien, ohne sich je in den Vordergrund zu drängeln.
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Und dann 'Mute'. Offiziell vielleicht die Ballade des Albums, in Wahrheit aber viel mehr. Die Band selbst beschreibt den Song so:
'Mute' was a song that had been a work-in-progress not long after 'Replica''s completion. The main building blocks of the song were established quite quickly, however, knowing which direction it would take after the first couple of minutes was something that kept us wondering for a long time! Digging into influences from ambient electronic sounds like Boards Of Canada and vaporwave cult legends' "2814" was the secret spice we needed to not only elevate the track but also allowed us to dive deeper into a different side of our sound. At first glance, some might consider it to be the obligatory ballad of the album, yet we'd say it hides a much deeper character to Ihlo that shows up all across the album, and that we would love to explore more in future.
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Die zweite Hälfte bleibt stark: 'Cenotaph' schiebt ordentlich, 'Haar' hingegen kommt im direkten Vergleich regelrecht recht leichtfüßig und mit einem wunderbarem Gitarrensolo daher, wohingegen das Titelstück 'Legacy' majestätisch thront.
Im Finale 'Signals' fährt die Band noch einmal alles auf, was sie in den letzten zehn Jahren Prog aufgesogen hat. Zehn Minuten Grandezza, ohne dass man sich langweilt – was ja schon fast eine Seltenheit ist in diesem Genre.
Und trotzdem muss man sagen, dass die Platte vielleicht etwas mehr Würze durch Kürze hätte vertragen können.
Inhaltlich sind Ihlo dabei erstaunlich bodenständig: Es geht um Zukunft, Technologie, Sinnsuche. Kein Sci-Fi-Overkill, sondern ein nüchterner Blick auf Fortschritt ohne Zweck, auf Maschinen, die nur noch Profit ausspucken. Das gibt der Musik unterschwellig Dringlichkeit, ohne dass man sich belehrt fühlt.
Unterm Strich: "Union" war die vielversprechende Visitenkarte, "Legacy" ist der Ausweis mit Hologramm, Wasserzeichen und allem Pipapo. Ihlo sind angekommen, klingen nach sich selbst, und haben sich mit diesem Album einen Platz ganz vorne in der UK-Prog-Liga gesichert. Ein Album, das den Spagat schafft zwischen Melodie, Atmosphäre und Druck. Und wer sich fragt, ob Ihlo wirklich „Die Zukunft Des Britischen Prog“ sein könnten – nun, "Legacy" liefert die beste Bewerbung, die man sich vorstellen kann.
Bewertung: 12/15 Punkten
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Besetzung:
• Phil Morno
• Andy Robison
• Clark McMenemy
Surftipps:
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Alle Abbildungen wurden uns freundlicherweise von cmm zur Verfügung gestellt.