Progressive Rock • Symphonic Prog
(71:14; CD-Digisleeve, Digital; Aurelia Records; 01.10.2025)
Wer sich in der niederländischen Progszene ein wenig auskennt, dem dürften Flamborough Head sowie Trion nicht ganz unbekannt geblieben sein. Zudem waren die Band-Mitglieder gleichermaßen über viele Jahre äußerst erfolgreiche Veranstalter des unvergessenen Progfarm Festivals in Bakkeveen. Die Veranstaltung ist zwar mittlerweile zum Bedauern vieler Geschichte, doch sind ihre damals Mitwirkenden noch immer in der Musikbranche äußerst aktiv. Edo Spanninga, Frontmann und Keyboarder von Flamborough Head & Trion hat nun sein erstes Soloalbum veröffentlicht.
Dabei übernimmt er neben der Rolle als Musiker auch gleichzeitig die Aufgaben als Composer, Arrangeur, Produzent und Mixer. Anstatt auf analoge Instrumente und Gastmusiker zu setzen, greift Spanninga auf die Virtual Studio Technology, kurz VST, zurück. In den letzten Jahren wurde VST zu einer vielseitig genutzten Möglichkeit für Künstler und Toningenieure, sich sowohl kreativ auszuleben als auch die Qualität von Audioprojekten zu steigern. Diese Technik ermöglicht es dem Musiker, Klänge zu erzeugen, wie man sie von Vintage Instrumenten wie z.B. Hammond Orgel, Mellotron, Moog, Kirchenorgel, Klavier, Streicher, Drums und Saiteninstrumente her kennt. Der Vielfalt, anspruchsvolle Klanglandschaften zu erzeugen, sind somit keine Grenzen gesetzt. Neben einer ausgereiften musikalischen Umsetzung bedarf es für ein Album zuallererst einer Idee bzw. eines Themas. Im Fall des vorliegenden Albums stand der im Jahr 1953 vom englischen Autor L.P. Hartley herausgegebene Roman "The Go-Between" Pate. Hartley thematisiert in seinem Roman unter anderem die verlorene Unschuld der Kindheit eines Jungen.
Das daraus entstandene Konzeptalbum betitelte Spanninga mit "The Past Is A Foreign Country". Es ist ein unter die Haut gehendes, sehr politisches Werk. Einerseits beschäftigt es sich mit der Entwicklung im nationalsozialistischen Deutschland der 30er Jahre, andererseits mit den Geschehnissen der westlichen Nachkriegsgeschichte (1945-2025). Dabei setzt sich Edo Spanninga, der seinem Projekt den Namen E.D.O. gegeben hat, besonders mit dem Wandel und den politischen Veränderungen in dieser Epoche auseinander. Die eingespielten historischen Tondokumente heben die Ereignisse hervor und verdeutlichen die stetig wachsende Gefahr eines unruhigen, gar tödlichen Zeitalters. Dabei erfahren die sieben Kompositionen erst durch die eingesetzten Stilmittel ihre wirkliche Brisanz.
Sind die Songs im wesentlichen noch harmonisch und eingängig gestaltet, stehen ihnen als Kontrast die eingearbeiteten düsteren Original Tondokumente gegenüber. Ein Gegensatz, den Spanninga sicherlich ganz bewusst gewählt hat, die Welt ist eben voller Widersprüche und Gegensätze, wie die Gegenwart unmissverständlich zeigt. Alle Erinnerungen an die Vergangenheit sowie unzählige mahnende Worte scheinen auf wenig fruchtbaren Boden zu fallen. Die Geschichte wiederholt sich und gleichzeitig verliert die Menschheit ihre Unschuld. Offensichtlich ist niemand gewillt, aus Fehlern der Vergangenheit die richtigen Schlüsse zu ziehen.
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Unabhängig von der politisch-geschichtlichen Thematik steht Edo Spanninga, wen wundert's, für stark keyboardbetonten Progressive Rock. Er ist es auch, der Flamborough Head zum größten Teil das Symphonic- und Neo-Prog Gesicht verleiht. Dass er sich als Tastenmann nicht zu verstecken braucht, zeigt er ebenso auf den zwei beigefügten Bonus Tracks. Diese fügen sich nahtlos in das Gesamtwerk ein. Im Stil der großen Keyboarder bedient der Niederländer sein Instrumentarium. Dem ein oder anderen dürfte möglicherweise auf "The Past Is A Foreign Country" ein wenig die Gitarrenarbeit fehlen, das wird der Tastenfreund aber problemlos verschmerzen. Alles in allem bietet das Album ausreichend Abwechslung und eine Menge Hörspaß.
Was Edo´s Arbeit besonders ehrenwert und wertvoll macht, ist die Tatsache, dass er etwaige Gewinne aus dem Verkauf des Albums dem UN-Flüchtlingshilfswerk UNHCR zur Verfügung stellen wird. Wer ihn dabei unterstützen möchte, tut also nicht nur ein gutes Werk, sondern kann sich zusätzlich an einer gelungenen und interessanten Veröffentlichung erfreuen.
Bewertung: 11/15 Punkten
Songs / Tracks Listing:
1. Wannsee (1933-1945)
2. Stettin (1945-1963)
3. Houston (1962-1974)
4. Port Stanley (1974-1982)
5. Chernobyl (1983-1989)
6. Schengen (1989-2022)
7. Mariupol (2022-?)
Bonus Tracks
8. Cathedral Green
9. På Gata
Line-up / E.D.O.
Edo Spaninga (Flamborough Head, Trion) – all Virtual Instruments (Hammond Organ, Moog, Mellotron, Kirchenorgel, Klavier, einige Solo-Streicher, Rickenbacker VST und eine vorgefertigte Drums-Sample-Library, die von einem echten Drummer eingespielt wurden), Composing, Arrangeur, Producer, Mixing und Mastering
Surftipps zu E.D.O.:
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Aurelia Records
Abbildungen: E.D.O./ Aurelia Records