(51:00; Vinyl, CD, Digital; Undercover Records, 28.03.2024)
Der Mensch ist im Moment seiner Geburt radikal frei. Das bloße, nackte, unverstellte Dasein. Ab sofort definiert er sich durch seine Handlungen und Entscheidungen. So lehrt es in der Philosophie der sogenannte "Existenzialismus".
Simple Existenz, im Jahr 2010 gegründet von Zorn, ehemals Gitarrist bei der deutschen Black Metal-Band Nagelfar und sozusagen Alleinherrscher über die Band, beschäftigt sich 15 Jahre nach dem Debüt auf dem zweiten Album "Trümmer" weiterhin mit der eigentlich sinnlosen Welt und der Herausforderung, selbst Sinn zu schaffen.
Einen Sinn schafft man besonders durch Kunst. Existenzielle Kunst ist oft roh, intensiv und emotional. Sie soll nicht einfach nur gefallen, sondern erschüttern, berühren und konfrontieren. Konfrontation mit dem eigenen Sein, ohne Illusionen. Darum geht es Zorn auch auf dem neuen Album.
"Trümmer" hat den Charme eines Singer-/Songwriter-Albums. Die Musik begleitet lediglich die tief aus der Seele stammenden Lyrics. Die poetische Kraft der Melancholie erinnert an Nick Cave oder King Dude. Einflüsse von Zorns ehemaliger Band Nagelfar, die im selbstbetitelten Opener immerhin im Text auftaucht, finden nur am Rande statt. Hier erklingt neben einer zarten Melodie, eingebettet in mächtig verzerrte Gitarren, übrigens auch ein Vers, dem sich der schriftsetzende Betreuer mit zunehmendem Alter unbedingt anschließen muss: "Ich denke an Früher, an das alte Gefühl, an die alte Welt und ihre Menschen. Die Sehnsucht fließt und lässt mich glauben, ich bin wieder da."
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Oft kommen dem Hörer Vergleiche zum Säge-Doom einer Band wie Warning in den Sinn. Man wartet an manchen Stellen nur noch auf Patrick Walkers Gesang, bis sich dann doch der ein oder andere Blastbeat oder harsche Vocals breit machen. 'Das Blut am Boden' ist eines der vielen Highlights. Ein gewaltiger, epischer Song! Mit seiner Dynamik, den Lyrics und der schwebenden Atmosphäre absolut mitreißend.
'Schmutz' und 'Der Turm' ziehen einem mit ihrer depressiven Stimmung, dem Spiegelbild der Gegenwart und den zentralen Themen Einsamkeit und Vergänglichkeit beinahe den Boden unter den Füßen weg und man fällt in ein schwarzes Loch. Dann ertönt bei 'Der letzte Lupan', nach einem Zitat aus dem Film Menschenfeind, eine beinahe herzerwärmende, wunderschöne shoegazige Gitarrenmelodie, die von einer Band wie Alcest stammen könnte. Zweites Highlight!
„Man kommt allein auf die Welt, man lebt allein, man stirbt allein. Allein, immer allein, sogar beim Vögeln ist man allein. Allein - mit seinem Fleisch - allein auf dem Weg durch einen Tunnel."
"Trümmer" war für den rezensierenden Schmierfink ein Zufallsfund und gleichzeitig ein verwirrend schönes, emotionales und kurzweiliges Erlebnis. Es ist nicht möglich, nur einen Song aus dem Album zu hören, man muss es komplett durchhören. Jedes Mal!
Ein Kandidat für das Album des Jahres 2025. Singer-/Songwriter-Black Metal mit sehr persönlichen Texten und einer sehr intensiven Auseinandersetzung mit der eigenen, simplen Existenz. Bitte mehr davon!
Bewertung: 13/15 Punkten
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Alle Abbildungen stammen von Undercover Records.