Toto, DeWolff, 15.07.22, Bonn, Kunst!Rasen

Lotto, TOTO, Seniorensextett

Es wirkte auf den allerersten Blick wie ein doch minimal putziges Parshipping, das Mascot Records/Wizard Promotions da ersonnen hatten: Die PsychRock-Wunderkinder aus den Niederlanden eröffnen für die Titanen des Geronto-Rock. Aber zum einen sind auch DeWolff halt nicht mehr die Teens, die sie zu ihrem Karrierebeginn verblüffenderweise waren. Und zum anderen hat es noch selten geschadet, einen wirklich heißen Einheizer zu haben. Nicht mal Toto…

Pablo

Der Konzertspaß begann – bei hinreißendem Sommerwetter – auf die Minute genau wie angekündigt um 18:30 Uhr…

DeWolff

… und überrollte gleich mal mit dem wuchtigen, aber differenzierten Sound. Und dem optischen Gesamtkonzept aus den aufwendig bestickten Phantasie-Uniformen des Trios, dem aparten Backdrop und nicht zuletzt den Vintage-Instrumenten: Pablo van de Poels Les Paul mit Bigsby-Vibrato(r) und abgenommen mit Spiralkabeln, so dick und auffällig wie ein Calippo-Eis (eine hübsche Explorer war vermutlich auch noch am Start), der mummelalten Hammond von Robin Piso und Luca van de Poels branded Drum Kit (Gretsch?). Sowie schließlich einer – angesichts des sonnigen Nachmittages und des Vorgruppen-Status’ – erstaunlich effektvollen Lightshow.

Mit ‘Live Like You’ ging es flott und energisch los, erster Beweis dafür, dass die sichtlich gereifte Band sich vom stark an den Siebzigern orientierten Psychedelic Progressive Rock tendenziell mehr Richtung Blues Rock bewegt hat. Bereits ‘Sugar Moon’ wagt einen kurz mal vom Gaspedal gehenden Fuß. Der souveräne, aber eben für den Spannungsaufbau auch potenziell riskante Move gerät allerdings zum Triumph, denn der heftig groovende Song mit seinen diversen Leerstellen kommt bestens beim Publikum an. Einem Auditorium, das die Niederländer vor dem Konzert mehrheitlich nicht auf dem Zettel gehabt haben dürften.

‘Made It To 27’ ist eine Hymne auf das noch am Leben und nicht Teil des “27er Clubs” zu sein. Und ist ein lupenrein vor sich hin shuffle-nder Blues. So cool wie sexy! Dazu gelingt es Drummer und zweitem Sänger Luca trotz der frühen Stunde, das Publikum zu achtbarem Mitsingen zu animieren! Pablo bedankt sich derweil gleich mehrfach beim Publikum “for coming early”, also bereits “nur” für die Vorgruppe erschienen zu sein.

Doch da taucht er schon auf, jener funky Störenfried, der ‘Double Crossing Man’ nämlich, gefolgt von DEM lasziven Slow Blues der Band, ‘Tired Of Loving You’. Und gleichzeitig dem ultimativen Showpiece von Robin. Der Longtrack, den Joe Bonamassa vermutlich gern geschrieben hätte, steigerte sich trotz der im Titel angesprochenen Ermüdungserscheinungen in vom Orgel-Röhren und scharfen Effekten mit dem Toggle Switch der Les Paul aufgepeitschte Ekstasen. Glückszustände, bei der die mittlerweile wohl vollzählig angetretenen rund 4.500 Gäste auf dem zauberhaften Areal direkt am Rhein mehrheitlich voll mitzogen.

‘Treasure City Moonlight’ lebt u.a. von dem teuflischen Walking Bass von Pisos linker Hand. Oder Fußpedalen. Der Rausschmeißer dürfte das funkige ‘Deceit & Woo’ gewesen sein.

19:15 Uhr, die Sonne versinkt (zumindest über der großen Bühne verschwindet sie jetzt), das Trio verneigt sich Arm in Arm, die Frisuren haben gehalten. Drei-Wetter-Rock halt.

Setlist vom 18.06.22, wird aber wohl ähnlich oder identisch zum Kunst!Rasen-Erleben gewesen sein

Toto

19:50 Uhr. Die Großmeister des Westcoast-Softrocks erlösen die Fans sogar volle zehn Minuten VOR ihrer vorab kommunizierten Stage Time von der Warte-Qual auf ihre Lieblinge. ‘Orphan’ war sicher ein gelungener Einstieg, kollektiv eingenä…, hm, eingegrooved haben sich die Tausenden aber allerspätestens beim ersten hämmernden Piano-Riff der Durchhaltehymne aller Liebeskümmernden per se, ‘Hold The Line’.

So sieht’s mal aus, anscheinend hat keiner der überwiegend doch wirklich deutlich älter anmutenden (wenn man das als Methusalem mal so schreiben darf) Erschienenen seit den Achtzigern je aufgehört, diese Band zu lieben. ‘Stop Loving You’, noch so ein Phänomen. Eigentlich ein unerträglicher Kitschbatzen. Aber von Toto gibt man sich das offensichtlich gerne und schunkelt sogar unverhohlen mit.

Doch oh weh! Tauchen da etwa kritische, kontroverse Themen in dieser Zuckergusswelt auf? Don’t you worry, ’cause: ‘I’ll Be Over You’. Das ist praktisch für alle, die bei ‘Stop Loving You’ schon Taschentücher benötigt hatten. Denn langsamer und gefühlsduseliger wurde es heute nicht mehr.

Keyboard-Solo! ‘White Sister’! (bislang der persönliche Favorit des Abends). Aber eben auch ‘Georgy Porgy’. “I’m not so systematic, I’m just an addict for your love” – gütiger Gott, das muss man sich mal langsam auf dem Temporallappen zergehen lassen. Da wissen die Fans allerdings Besseres mit sich anzufangen – die schunkeln lieber einfach weiter.

Auch ‘Pamela’ bietet keinen Anlass, mit dieser schönen Übung aufzuhören. Bewegung ist ja gerade im Alter sooo wichtig.

Das immer schon vergleichsweise hard rockende ‘Kingdom Of Desire’ allerdings unterbricht den Kuschel-Flow – und wird sogar noch von einem Schlagzeugsolo gefolgt.

Doch zurück zum Zuckerschock. Oder doch nicht ganz. ‘You Are The Flower’ ist insofern speziell, als es im Original von Bobby Kimball gesungen wurde. Außerdem tun dem Song die Querflöten-Parts m.E. unglaublich gut.

‘I Won’t Hold You Back’ – jetzt aber: weiterschunkeln bis der Arzt kommt. Oder vorher noch schnell gar einen Schmuseblues tanzen. Der sich beim funkigen ‘Waiting For Your Love’ allerdings dynamisieren und für das knallige ‘Home Of The Brave’ aufgegeben werden musste. Außer bei extrem verliebten älteren Pärchen. Auch die waren reichlich vor Ort. So sah es zumindest aus.

Ausgerechnet das sich anschließende Beatles-Cover von ‘With A Little Help From My Friends’ mischte die Karten dann noch einmal komplett neu. Denn das wurde von den Amis an diesem Abend so affenpockentittengeil inszeniert und zelebriert, dass selbst Toto-Skeptiker wie der Autor jeden Widerstand einfach nur noch aufgeben mussten.

Und das grade noch rechtzeitig für die ultimative Kuschelrock-Attacke. ‘Rosanna’.

Danach kann eigentlich nur noch eines kommen. Und so geschah es auch. Meinereiner hat sich früher frevelnd sogar über ‘Africa’ schon mal lustig zu machen gewagt. Allerdings nur bis zu dem Zeitpunkt, wo man diesen Satzgesang in der Schülerband einfach mal nachzuahmen versucht hat. Setzen, Sechs. Strahlend sich erheben, Eins mit Auszeichnung, tun hier natürlich die Originale (wobei ja nur noch ein Gründungsmitglied in der Band vertreten ist).
Inzwischen schunkelte, schmuste, umhalste sich übrigens nahezu das gesamte Gelände. Schön.
Und dit Janze in der angekündigten Spielzeit. Kein Zugaben-Gehampel. ‘Africa’ und gut is’.

Letztlich die einzigen verbleibenden Kritikpunkte am Toto-Geschehen: Kein ‘Endless’ (Sowas wie ein Lieblingslied. Der Autor gesteht es errötend). Und natürlich kein ‘Dave’s Gone Skiing’. Womit die Gang um Steve Lukather hätte beweisen können, dass sie auch immer noch ganz andere Stile – und die umwerfend gut – drauf hat.
Doch dabei hätte all der Zuckerguss vermutlich Risse bekommen. Und dieses Publikum verschreckt hätte man auch. Voll verständliche Setlist-Entscheidung also.
Apropos Setlist: