CD Kritik Progressive Newsletter Nr.57 (11/2006)

Thom Yorke - The eraser
(40:57, XL Recordings, 2006)

Ging es auf den letzten beiden Radiohead Alben wieder zurück zu gitarrendominiertem Rock, so ist das Soloalbum von Sänger / Gitarrist / Keyboarder Thom Yorke ein noch weiterer Schritt zurück in der Bandhistorie, nämlich zu den eher spartanischen, elektronischen Sounds aus der "Kid A" / "Amnesiac" Phase. Ganz entgegen der Erwartungshaltung, dass ein Gitarrist bei einem Soloalbum sicherlich auf sein Hauptinstrument setzt, spielt Yorke vor allem mit allerlei sehr kargen elektronischen Klängen, die "The eraser" eine kalte Distanziertheit verpassen. Sein nörgelnder, enervierender Gesangsstil liefert dazu die passende Ergänzung. Der eindringliche, völlig in sich gekehrte Minimalismus wird durch die wenigen Gitarrenakkorde nur noch unterstützt, statt niedergerissen. Gerade der Rückgriff auf die Atmosphäre und Sounds von "Kid A" macht "The eraser" zu einer Fortsetzung dieses recht eigenwilligen Albums, das Radiohead nach dem Retroalbum "OK Computer" in eine ganz neue Richtung führte. Auch schleichen sich bei den Songs auf "The eraser" popmusikalische Simplizitäten ein, doch vor allem wird diese Scheibe von monotonen, hypnotischen Elektronik-Rhythmen, wie einer melancholischen Grundstimmung geleitet. Der Solokünstler arbeitet nur mit sehr minimalen Spannungs- und Dynamikwechseln, dennoch schleichen sich fesselnde Melodielinien ins Ohr und trotz der scheinbar sterilen Klang-Ästhetik, der audiophilen Trockenheit verfügt das Solomaterial des Eigenbrötlers über eine intensive Wärme. Die Schreiberlinge der Szenemagazine sind natürlich über solch ein kompromissloses Album fast restlos begeistert, aber dennoch ist "The eraser" kein reines Album für Kritiker. Da Überraschungen bei Yorke Programm sind, wird mit Sicherheit das nächste Radiohead Album wohl wieder ganz anders ausfallen.

Kristian Selm



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