CD Kritik Progressive Newsletter Nr.45 (08/2003)
Radiohead - Hail to the thief
(56:32, EMI, 2003)
Oha! Gitarren, das sind echte Gitarren, echte E-Gitarren - huch, Radiohead klingen fast wie eine Rockband! Na ja, zugegeben: eben nur fast. Freilich ist nach "Kid A" und "Amnesiac" vielleicht das Terrain für bahnbrechende neue Sounds in der populären Musik des 21. Jahrhunderts fürs erste abgegrast; zumindest lassen es Thom Yorke und Co. auf ihrem neuesten Longplayer "Hail to the thief" deutlich weniger experimentell angehen, als auf ihren vergangenen Alben (was ja freilich auch nicht verboten ist). So ganz aus ihrer Haut oder vielmehr den Weg zurück zu "OK Computer" oder gar "The bends" können oder wollen Radiohead mit ihrem Album freilich auch nicht, aber ich bin mir unschlüssig, ob das Quintett nun (nur) geschickt Elemente aus ihrer frühen und ihrer experimentellen Phase verbindet, oder ob "Hail to the thief" in direkter Nachfolge zu den elektronischen Experimenten der letzten beiden Alben steht, diese quasi überwindend. Vielleicht ist dies aber auch nicht entscheidend, um festzustellen, dass "Hail to the thief" wieder ein wirklich gutes Radiohead- Album geworden ist, in dem - und dies ist vielleicht wirklich eine Reaktion auf "Kid A" und "Amnesiac" - der Gesang und - wenn auch gewohnt sybillinisch - die Texte in den Vordergrund rücken, ohne wirklich konventionelle 4/4-Takt Musik mit überwundenen Kompositions- Schemata zu benutzen. Radioheads künstlerische Reflektionen über den 11. September, Bush und den Irak- Konflikt scheinen mir allemal hörenswerter (musikalisch und textlich), als das patriotische Gesülze einiger Stars-and-Stripes-verseuchter Crétins und sinnreicher als das politisch korrekte "No War - Just Peace"- Geblubber von Wandergitarren-bewaffneten Friedensaktivistenbarden zu sein. Ein zeitgemäßes Statement, dass freilich auch ohne "Message" zu den Album- Highlights des Jahres zählen wird.
Sal Pichireddu
© Progressive Newsletter 2003