CD Kritik Progressive Newsletter Nr.25 (05/1999)

Finisterre - In ogni luogo
(50:05, Musea, 1999)

Neues Label = neue Musik? Finisterre erweckt diesen Eindruck. Waren ihre bisherigen Alben doch eher klassisch und hauptsächlich auf die 70er Jahre ausgerichtet, so gibt es auf "In ogni luogo" modernere bzw. ganz andere Tendenzen so beobachten, die die Italiener in ein völlig neues Licht rücken. Die Konsequenzen aus den gesanglichen Missgriffen des Finisterre Projects bzw. Hostsonaten ziehend, geht es auf dem aktuellen Album der Mailänder fast völlig instrumental zur Sache, allein Gastsängerin Francesca Lago darf mit rauchiger Stimme bei zwei Titeln hauchen. Der Opener "Tempi moderni" ist ausgezeichneter Neo Prog: treibender Beat, breitangelegte Keyboarduntermalung, die Gitarre jubiliert. Das leicht psychedelisch angehauchte "Snàporaz" wird leider durch nervige Film(?)einspielungen zerrissen. Das folgende "Ninive" ist einfach moderner Gitarrenrock. Dennoch wirkt der Gesamtsound irgendwie in den 70er verwurzelt. Der Titelsong mit der bereits angesprochenen Francesca Lago klingt anfänglich nach kühler Barmusik mit Jazz Touch, nach der Hälfte folgt ein wunderschönes Geigensolo. Und wieder ist es die Geige, diesmal aber in wesentlich expansiverer Form, die "Core elettrico" vorantreibt. Aggressive Gitarren und Tempo geben dem Song Hard / Space Rock Drive, bevor der sinfonische Hammer wieder zuschlägt, um orientalisch inspiriert zu enden. Die zweite Hälfte des Album wird durch die ruhige, akustische, von Mellotron und Cello untermalte Nummer "Le citta`indicibili" eingeleitet, das folk-rockige, wiederum leicht neo-proggige "Agli amici sinestetici" deckt die andere Seite des Bandspektrums ab. "Continuita' dilarenaletempo", der zweite Gesangstitel, bei dem man nicht nur durch Saxophon, sondern auch wegen schleppender Spielweise wieder tief drinnen im Nachtleben ist. Doch auf über 8½ Minuten entwickelt sich daraus ein stimmungsvolle Nummer mit ansteigender Dramatik. Dem folgt "Peter's house", eine sinfonische Rocknummer mit Jazz Rock Elementen, das getragene "Wittgenstein mon amour 1.12" beendet dieses sehr abwechslungsreiche Album. Nicht jeder mag die vielen Stilwechsel nachvollziehen. Finisterre sorgen damit aber wieder mal für eine Überraschung und wehren sich somit konsequent musikalisch in eine bestimmte Schublade gesteckt zu werden.

Kristian Selm



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