CD Kritik Progressive Newsletter Nr.78 (08/2013)

Rhys Marsh & The Autumn Ghost - Trio
(32:55 + 32:22, Autumnsongs Records, 2013)

Nachdem Rhys Marsh sein letztes Jahr veröffentlichtes Album "The blue hour" ebenfalls live promoten wollte, stellte er dafür ein Trio mit zwei Mitgliedern der Trondheimer Psychedelic Band Flashback Caruso zusammen. Im Gegensatz zum Album, das mit jeder Menge Bläsereinsätzen und Streicharrangement eine Art Chamber Prog bietet, sollte die Liveumsetzung in erster Linie eine Neuinterpretation der Studioversionen darstellen. Nachdem die Konzerte ausgesprochen gut ankamen, wuchs die Idee, diese Energie und Spontaneität auch im Studio einzufangen, weswegen das vorliegende Album komplett live ohne jegliche Overdubs und technische Nachjustierungen innerhalb von zwei Tagen eingespielt wurde. Was man zu hören bekommt, ist also (fast) genau das, was innerhalb dieser zwei Tage aufgezeichnet wurde. Fast deshalb, weil gerade bei den sehr prägnanten und stimmungsvollen Gesangsharmonien leicht nachgebessert wurde. Bis auf das neue, hypnotisch krautige Instrumental "Watch the sky fall" handelt es sich bei den sieben anderen Titeln um für eine Triobesetzung umarrangierte Versionen des Songmaterials von "The blue hour". Die Besetzung Gesang / Gitarre, Schlagzeug und E-Piano sorgt naturgemäß für klanglich wesentlich eingeschränkte Interpretationen, jedoch wird wesentlich mehr instrumentaler, solistischer Freiraum eingeräumt und wurde auch die Liveenergie bestens eingefangen. Dabei können vor allem der bereits angesprochene Harmoniegesang und sorgsam eingesetzte Dynamiksteigerungen überzeugen. Hinzu kommt jedoch eine insgesamt wesentlich ruhigere Ausrichtung, in der sich die Musiker vor allem in ihre melancholischen Klangräume vertiefen und den Noten Raum zum Atmen lassen, statt auf Virtuosität und inhaltliche Wechsel zu setzen. Trotz einer ansprechenden, leicht schwirrenden Spannungstiefe, vermisst man auf Dauer neben dem Verzicht auf Bläser und Streicher auch etwas die spielerische Power, die innere Abwechslung. Gerade in jenen Momenten, wenn es mal etwas jazzig oder rockend freigeistiger zugeht, mit mehr Elan musiziert wird, merkt man, dass in diesem Trio doch noch mehr steckt. Dennoch: ein gutes, bisweilen spannendes, etwas zu verträumtes Experiment in Dreier Besetzung.

Kristian Selm



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