CD Kritik Progressive Newsletter Nr.78 (08/2013)

Anima Mundi - The lamplighter
(54:24, Anima Mundi Music, 2013)

"The way" war ein großartiges Album. Keine leichte Aufgabe für eine Band, an so etwas in bester Manier anzuknüpfen. Thematisch ist Anima Mundi dies gelungen, und auch wenn das neue Werk als Konzeptalbum bezeichnet wird, so dreht sich doch textlich wie bisher alles um Liebe unter den Menschen im Einklang mit der Natur und dem Kosmos. Ergänzend ist diesmal von einer Reise und der märchenhaften Figur eines "Lamplighter" die Rede, die Licht und Wärme in den Herzen der Menschen entzündet. Nun ja, es läuft dann halt wieder auf Liebe hinaus. Die CD besteht im Wesentlichen aus zwei mehrteiligen Suiten, wovon die Lamplighter - Suite als neue Komposition zu bezeichnen ist, wogegen "Tales from Endless Star" (hier ist die Sonne gemeint), wenn auch nicht in der hier aufgenommenen Fassung, sogar aus den frühen Jahren der Band stammt und auch bereits im vergangenen Jahr bei diversen Gigs präsentiert wurde. Der als "Epilog" apostrophierte Schlusstrack subsummiert allein durch seinen Titel das Thema der vierten CD der sympathischen kubanischen Band. Wichtigste Veränderung bei Anima Mundi seit "The way" ist die notwendig gewordene Umbesetzung bei der so eminent wichtigen Position des Vokalisten. Kurz und bündig gesagt ist Emmanuel Pirko-Farrath zwar ein meist sicherer Sänger mit angenehmer, dennoch prägnanter Stimmfarbe, der aber Carlos Sosa vor allem wegen des Akzents in den englisch gesungenen Songs leider nicht ersetzen kann. Pirko wird ganz offensichtlich mit der Vielzahl der Silben, die auf den einzelnen Tönen liegen, sprachlich nicht fertig und dies führt zu einigen etwas absonderlich klingenden "Unfällen", wie das Verschlucken ganzer Wortteile oder Silben, bis hin zu Betonungen, die beim Hörer keine verständliche Wahrnehmung mehr möglich machen. Musikalisch ist hingegen weiterhin "alles im Lot" bei Anima Mundi. Die Band hat an Reife zugelegt und kommt eher auf den Punkt, was stellenweise vielleicht ein wenig zu Lasten der bisher gezeigten Kreativität und Spritzigkeit geht. Die gesamte Scheibe lebt von einer sanften, überaus träumerischen, märchenhaften und gelegentlich sogar betulichen Grundstimmung ("Friede, Freude, Eierkuchen"), die zwar nicht in übermäßige Romantik oder gar Kitsch abdriftet, die aber andererseits die progressiv-rockige Grundausrichtung der beiden Vorgänger-Alben nicht mehr gleichermaßen betont. Durch die Verwendung analoger Instrumente wird viel Wärme und Emotionalität ausgestrahlt. Schöne Melodiebögen produzieren Roberto Diaz (er glänzt zwischendurch auch mal an der Akustischen) und Virginia Peraza nach wie vor en masse, sinfonisch geht es auch hier wieder zu - das Keyboard-Arsenal wird weidlich ausgeschöpft, nur gibt es diesmal nicht so viel Spannendes zu entdecken. Ein gewisser Abnutzungseffekt nach mehreren Hördurchläufen ist nicht ganz von der Hand zu weisen. Die auf dem Album präsentierten Instrumentalpassagen sind weniger ausgeprägt als auf den beiden Vorgängern, die löbliche Ausnahme bildet der Mittelteil der "Endless star" - Suite, komponiert von Virginia Peraza. Hier zieht das Tempo auch mal an, der Rhythmus wird treibend, leicht expressionistische Klavierklänge sorgen für Abwechslung und die gewisse "Schräglage" mancher Passagen tut dem Album insgesamt ausgesprochen gut. Wenn dann noch Orchestral-Bombast und Choräle à la Simon Says' "Tardigrade" und Barock Project (woher sie das nur hat!?) hinzu kommen, überzeugen mich Anima Mundi wieder voll und ganz. Und im Übrigen trotz allem: das Album hat keine echten Schwachstellen. Wer sich von der erzeugten träumerischen Grundstimmung mitnehmen lässt, der erlebt ein ansprechendes, in sich geschlossenes, fantasievolles Gesamtwerk, das mit seiner sinfonisch-rockigen, zugleich aber auch seiner kontemplativ-balladesken Ausrichtung überzeugt. Instrumental sorgen Anima Mundi mit einem Schuss Drama und einer Prise Düsternis, produziert durch fette Keyboards der brillanten Virginia Peraza, auch diesmal wieder für beste Unterhaltung. Obwohl "The lamplighter" die Klasse von "The way" nicht erreicht, ist dies ganz sicher wieder ein gelungenes Album der Kubaner, für die zu Recht größer werdende Fangemeinde in Europa ebenso wie für Freunde des melodischen Sympho-Retro-Prog im Allgemeinen.

Jürgen Wissing



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