CD Kritik Progressive Newsletter Nr.78 (08/2013)
Willowglass - The dream harbour
(50:33, Privatpressung, 2013)
Bisher gab es von Willowglass zwei Veröffentlichungen, das gleichnamige Debütalbum sowie "Book of hours". Der britische Multiinstrumentalist Andrew Marshall verbirgt sich hinter diesem Projektnamen. Die beiden Alben boten hübsche Instrumentalmusik im Stile von Anthony Phillips, frühe Boffo-Alben oder Moongarden-Ableger Submarine Silence. Der aktuelle Output ist zwar erneut ein rein instrumentales Werk, aber Marshall zeigt sich hier doch mit einer leicht veränderten Ausrichtung. Er bleibt zwar dem Symphonic Rock treu, doch er bewegt sich in Nuancen weg vom Schönklang-Feeling hin zu etwas komplexeren, nicht mehr ganz so leicht verdaulichen Tönen. Wobei, sperrig ist die Musik wahrlich nicht, aber vielleicht dann doch etwas farbenfroher und weniger glatt als die gewiss schon nicht schlechten Vorgänger. Die erste schnell sicht- und hörbare Veränderung: mit Steve Unruh hat ein Gastmusiker die Hand im Spiel, der wichtige Beiträge an Flöte und Geige (sowie ein paar Gitarrenparts) liefert. Das bildet schon einen wesentlichen Bestandteil des neuen Willowglass-Sounds. Auch ist wieder ein Schlagzeuger dabei, so dass also kein nervender programmierter Rhythmus zu befürchten ist. War auf den ersten beiden Alben noch ein gewisser Dave Brightman am Schlagzeug, ist es diesmal ein deutscher Musiker, nämlich Hans Jörg Schmitz, dem Prog-Fan hauptsächlich als Kopf von King of Agogik bekannt. Kompetentes Schlagzeugspiel ist somit gewährleistet. Das Album startet gleich mit einem 20-Minüter, "A house of cards Pt. I". Schnell fällt auf, dass Marshall vermehrt an den Tasteninstrumenten agiert, wobei speziell das Mellotron einen breiten Raum einnimmt. Erst ab Albummitte tauchen die gewohnten Arrangements an der akustischen Gitarre auf, die die von den vorangegangenen Alben gewohnten Assoziationen zu Phillips zulassen. Der Titelsong startet dann wie frühe Genesis, man fühlt sich schon an alte "Selling England" - Zeiten erinnert. Nur mit dem Unterschied, dass einfach kein Gesang einsetzt. Stattdessen kommt dann Unruh's Geigenspiel hinzu. Und das darauffolgende kurze "Helleborine" könnte mit seiner Akustik Gitarre + Mellotron + Flöte Konstellation glatt als Outtake von Hacketts "Voyage of the acolyte" durchgehen. Für meinen Geschmack ist das aktuelle Album das klar beste Werk aus dem Hause Willowglass. Für Fans melodiöser symphonischer Instrumentalmusik eindeutig empfehlenswert.
Jürgen Meurer
© Progressive Newsletter 2013