CD Kritik Progressive Newsletter Nr.76 (11/2012)
Landmarq - Entertaining angels
(71:58 + 28:22, Synergy Records, 2012)
In der Nachbetrachtung liest sich die Geschichte von Landmarq wie ein "who is who" der dritten Welle des melodischen Prog. Tracy Hitchings, Uwe D'Rose und David Wagstaffe waren schon bei Quasar - einer "Kultband" aus den 80ern - dabei. Damian Wilson verdiente sich seine ersten Sporen bei den Briten. Später sollte er zum Goldkehlchen der Szene aufsteigen und bei Ayreon, Threshold, Rick Wakeman und diversen anderen Combos mitwirken. Er war sogar mal ein Thema bei Iron Maiden ... Mike Varty kommt aus dem Dunstkreis von Clive Nolan und Karl Groom (Threshold). Die Grundidee war eigentlich den Sound von Quasar in kompakterer Form weiterzuführen. Allerdings war Tracy Hitchings zum Auftakt anderweitig beschäftigt, weswegen man nach ausgiebiger Suche auf Wilson zurückgriff. Die Band veröffentlichte 3 Alben und tourte bis das SI-Music-Label kollabierte und die Band ohne Plattenvertrag dastand. Wilson wechselte zunächst zu einer Musical-Produktion (Les Miserables) und später zu den diversen genannten Projekten. Tracy Hitchings war nun die logische Wahl für den Sängerposten und Landmarq veröffentlichte zunächst "Science of coincidence" (1998), sowie 2 Live-Alben mit der neuen Sängerin. Dann wurde es still um die Band. 2006 kam wie aus dem Nichts eine DVD mit dem Titel "Turbulence" auf den Markt. Sie beinhaltete eine Menge neuer Stücke, die Live in Polen eingespielt worden waren. Neuer Keyboarder war nun Mike Varty (Ex-Janison-Edge), der auch sofort eine führende Rolle in der Combo einnahm. Damit einher entwickelte die Band einen neuen, melodischen, eingängigeren Stil. Melodic Rock mit gemäßigt vertrackten Momenten. Ein neues Studio-Album folgte zunächst nicht. ... bis jetzt. "Entertaining angels" ist das erste Studio-Werk der Truppe seit dreizehn Jahren und bestätigt die Stil Entwicklung der Live-DVD. Gekleckert wurde nicht. Die Erstauflage der Scheibe bietet eine rund 30-minütige Bonus-CD zum bereits 70-minütigen Album. Hier finden sich auch viele Stücke der Live-Aufnahme wieder, die - wenn überhaupt - nur wenig weiterentwickelt wurden. Landmarq bieten auf ihrem neuen Album melodische Strukturen im getragenen Tempo an. Symphonisch, schön und herausragend von Tracy Hitchings vorgetragen. Sie hat eine kräftige, etwas gepresste Stimme, die eventuell auch zu einer Blues-Rock-Combo passen könnte. Allerlei Tastenklänge bestimmen das Bild, saubere Gitarren-Soli runden es ab. Bass und Schlagzeug agieren zurückhaltend, aber souverän. Neu sind gelegentliche Saxophon-Einsätze, die ein gewisses "Lounge-Prog-feeling" vermitteln. Turbulence beginnt mit einigen schönen Streicher-Einsätzen. Das Kernstück "Calm before the storm" (3 Parts, 16 Minuten) klingt noch ein wenig wie die Ur-Alben der frühen 90er. Die Platte ist sehr sauber von Mike Varty produziert und für den Mix zeigt sich niemand geringerer als Karl Groom verantwortlich. Das ist alles einfach gut gemacht und auch wenn ich nicht mehr all zu viel mit Neo Prog und / oder Melodic Rock anfangen kann, so macht mir diese Platte doch Freude. Im Gegensatz zum Studio-Vorläufer ist die Scheibe nicht so krampfig und gewollt, sondern ganz selbstverständlich und stimmungsvoll umgesetzt. Sicher sind die Stücke immer etwas zu lang, natürlich gibt es gefürchtete "Käse-Keyboards" und ich wünschte mir hier und da eine "dreckigere" Vorgehensweise. Dennoch funktioniert die Scheibe als das was sie sein will hervorragend. Es ist eine Veröffentlichung von gestandenen Musikern, die ihre Ideen ohne "Erfolgsdruck" zur Verfügung stellen. Relaxed, selbstbewusst, mit hörbarer Freude an ihrer Musik. Bäume kann man damit ganz bestimmt nicht ausreißen, aber wer auf eine "klassische" Thin Ice Produktion (Clive Nolan's Hexenküche) mit Identität steht, wird sich mit "Entertaining angels" anfreunden können. Positiver Nebeneffekt ist, dass man mit der Platte keine Bekannten verjagt. Sie bei einem geselligen Abend aufzulegen führt sicher nicht zu Fluchtreflexen. Fazit: Wenn man auf sauber produzierten Melodic Rock mit leichter Neo Prog-Kante steht, sollte man "Entertaining angels" den einen oder anderen Hördurchgang gönnen. Schönes Teil.
Fix Sadler
© Progressive Newsletter 2012