CD Kritik Progressive Newsletter Nr.76 (11/2012)
Echolyn - Echolyn
(36:42 + 34:04, Privatpressung, 2012)
Kinder wie die Zeit vergeht... 2005 veröffentlichten Echolyn "The end is beautiful", ganze sieben Jahre danach erscheint "Echolyn (2012)"', das siebte Studio-Album der führenden Retro Progger aus Pennsylvania. Was hat sich in der langen Zeit getan? Die Band ruht in sich selbst und präsentiert ein ausgewogenes Album aus Longtracks und kürzeren Stücken. Gleich das eröffnende "Islands" ist mit 16:37 Minuten nach den Suiten "Mei" und "A song for the everyman" das längste Stück der Bandhistorie. Und der Song bietet alles, was eine symphonisch-melodisch ausgerichtete Prog Band ausmacht. Stimmungs- und Rhythmuswechsel, verschiedene Parts, ein tiefes Arrangement mit kammerorchestraler Unterstützung, wunderschöne Harmoniegesänge, cool-relaxte Produktion... Die Jungs wissen einfach was sie tun und spielen sich auf positiv solide Weise durch ihre Kompositionen. Vorbei sind allerdings die Zeiten der überbordenden Experimentierfreudigkeit, wie man es noch auf "The end is beautiful" mit Brass-Arrangements, Blues- oder Funkelementen hören konnte. Auch die Überschallmusik und mainstreamverachtende Ausgeflipptheit von "As the world" (die bei Sony damals vermutlich einige Manager-Köpfe hat rollen lassen...) findet sich auf dem Album nicht wieder. Melodisch, melancholisch und mit Hang zu akustischen Sounds kommt Echolyn 2012 daher. Das Album hat einen gelassenen, hintersinnigen, edlen Fluss. Rockige Ausbrüche, krachige Elemente oder Instrumental-Akrobatik findet man kaum. Und doch beeindruckt diese gediegene Kunst einer Band die so viel Reife ausstrahlt, dass man gefangen wird und dem losen Konzept um Demütigung, Trauer, Schwermut, Aggression, Angst gebannt folgt. Textliche Interpretationen liegen mir fern, doch wenn man den musikalischen Ansatz ins Verhältnis zu den aufwendigen Texten setzt, dann vermittelt das Album ein Gefühl von Machtlosigkeit und dennoch eine gewisse Hoffnung. Schon immer setzten Echolyn textliche Ausrufezeichen, zum Beispiel mit dem todtraurigen "Never the same" von "As the world", was die schiere Verzweifelung des Verlusts mit der großen Hoffnung eines "Wiedersehens" perfekt verbindet. "Echolyn (2012)" strahlt über die gesamten siebzig Minuten diese vermeintlich gegensätzliche Stimmung aus. Eine Erfahrung, die man selten so nachhaltig mit Musik erfahren kann. Abseits dieser "ätherischen" Einschätzungen der Texte und der Musik behalten Echolyn aber ihren klassischen Stil bei, vermengen Einflüsse von Gentle Giant, Genesis, Yes und Kansas mit Singer / Songwriter-Attitüde, Country-Andeutungen und ganz allgemein diesem leichtfüßigen, schwer definierbaren US-Sound. Besonders auffällig ist, dass Chris Buzby - gelegentlich zu all zu bunten Klangfarben neigend - extrem banddienlich agiert und ebenfalls eher zurückhaltend analoge Klänge einfließen lässt. Ray Weston ist ein Sangesgott, Brett Kull eine Gitarren-Ikone - erzähl ich da was Neues? Das neue Album von Echolyn ist nichts anderes als ein "stilles Meisterwerk", welches eventuell etwas länger benötigt um sich in die Gehörgänge zu schleichen. Dies sei der grandiosen Discographie der Band geschuldet, aber vor allem auch des "understatements" der konzeptionellen Idee. Ein Wort zum Doppel CD Konzept zu verlieren gehört wohl zu jeder Rezension dieses Albums. Es ist ein Doppel-Album (nahezu zum Einzel-CD-Preis) im stilvollen Digipack, bei dem sich je ca. 35 Minuten pro CD wiederfinden. Ich weiß auch nicht warum sie das gemacht haben. Allerdings lassen sich seit Mitte September 2012 zwei weitere, neue Songs der Combo bei Bandcamp herunterladen. Für je einen Dollar das Stück. Schade, dass Echolyn diese "Studio-Überschüsse" nicht als Bonus-Tracks auf das Album gepackt hat.
Fix Sadler
© Progressive Newsletter 2012