CD Kritik Progressive Newsletter Nr.41 (09/2002)
Echolyn - Mei
(49:35, Velveteen Records, 2002)
Gerade mal ein Lied, knapp 50 Minuten lang, keinerlei Indizes zum Anwählen von irgendwelchen logisch trennbaren Teilen. Echolyn machen den Einstieg in ihr neues Werk "Mei" nicht gerade leicht und auch beim ersten Anhören wird der Hörer regelrecht überfahren. Es bleiben beim ersten Eindruck nur wenige Passagen hängen, die z.B. beim vorletzten Album "As the world" noch sehr prägnant vertretenen Melodien mit einem gewissen Wiedererkennungswert muss man mühsam suchen. Dafür merkt man aber auch, dass dieses zuerst noch sperrig wirkende Album, welches eher versteckte Höhepunkte enthält und nicht auf ein zuerst klar erkennbares Ziel zusteuert, jede Menge Zeit und vielerlei Durchgänge benötigt, um sich einem vollkommen zu erschließen. Zwei Dinge fallen jedoch gleich äußerst angenehm auf: da wären zum einen unbestreitbar fesselnde Instrumentalparts, sowie eine Umkehr der Band zurück zu ihren progressiven Ursprüngen, ohne dabei antiquiert zu klingen. Die noch auf dem letzten Album "Cowboy poems free" vertretenen straighten, mehr auf den Punkt gebrachten Passagen sind auf "Mei" fast vollständig verschwunden, trotzdem rockt das aktuelle Album, jedoch auf eine ganz andere Art als der Vorgänger. Nimmt man sich genügend Zeit für dieses epische Werk, dann erschließt sich langsam dessen nicht sofort erkennbare Potenzial. Die Stärke und Faszination von "Mei" liegt nicht in der Offensichtlichkeit, sondern mehr und mehr unter der Oberfläche versteckt. Nach mehreren Durchgängen eröffnet sich dem Hörer langsam die innere Struktur des Albums, welche zu Beginn noch recht ziellos zu sein scheint. Das 50-minütige Epos steuert nicht ein Ziel an, sondern mehrfach wird Dynamik und Spannung gesteigert, doch genauso kehrt wieder Ruhe und Besinnlichkeit ein. Man hat eigentlich nicht das Gefühl, dass "Mei" ein einziger Song ist, sondern die verschiedenen Einzelteile hinterlassen den Eindruck eines mehrteiligen Werkes, welches lediglich durch komplett fließende Übergänge zu einem Monstertrack anwächst. Man merkt an diesen zögerlichen, noch nicht in vollständiger Begeisterung ausrastenden Beschreibungen, dass Echolyn definitiv kein sofort beeindruckendes Werk abgeliefert haben. Jedoch scheint außer Zweifel, dass ihnen mit "Mei" ihr bisher vielleicht ausgereiftestes, vielschichtigstes Album gelungen ist. Nicht jeder wird von diesem Album und seinem radikalen Ansatz begeistert sein, aber dennoch gehört "Mei" zweifelsohne zu den absoluten Highlights des Jahres und wird sicherlich (und hoffentlich!) genügend Zuhörer finden.
Kristian Selm
© Progressive Newsletter 2002