CD Kritik Progressive Newsletter Nr.45 (08/2003)

Dysrhythmia - pretest
(52:24, Relapse Records, 2003)

Dysrhythmia haben Glück gehabt. Zuerst sah es gar nicht danach aus. Die Band brachte 2000 eine selbstproduzierte CD ("Contradiction") auf den Markt, die musikalisch bereits sehr anspruchsvoll, aber ziemlich schlicht produziert war. Hauptsächlich tourte das Trio wie ein Weltmeister und war mehr on the road als zu Hause. Das hat sich bis heute nicht geändert. 2001 erschien die 2. CD "No Interference", die Dysrhythmia gereift zeigte. Die Produktion war um Längen besser, die Ideen konkreter auf den Punkt gebracht, die abstrakten Kompositionen mit langen Soli und improvisativen, komponierten Instrumentalparts zwischen Jazz und Metal anspruchsvoll und technisch/akrobatisch perfekt. Die CD brachte ihnen einen Deal mit Relapse Records ein, das Label, das progressiven Avantrock/-metalbands eine Plattform gibt. Aber sicher ist das nicht Glück allein, sondern vor allem die Qualität, die die Musiker mitbringen. Schön, dass es Labels gibt, die guten Bands eine Basis geben. Das gleicht die beschissenen Geschäftspraktiken großer Plattenfirmen dieses Planeten ein wenig aus. "pretest" nun ist das erste Dysrhythmia-Album auf Relapse. Das Layout ist schlicht, das reizvolle Cover-Motiv eine Augenfreude. Musikalisch hat sich nichts und alles geändert. Stilistisch ist die Band im Fahrwasser zwischen JazzMetal und AvantRock geblieben, gleich ist die technische Orientierung, verändert zeigt sich die Qualität. Denn "pretest", so gut die Vorgänger auch sind, bringt den Math Rock, die kreativ-abstrakten Ideen des Trios kompakter, grandioser und dynamischer auf den Punkt. Die Kompositionen sind von gleicher Konzentration, melodisch-harmonischer und -disharmonischer Dichte, gleichzeitig wirken die Themen rockiger, direkter, gleichsam anspringend. Wer das ganze Album durchweg sehr laut hört, wird davon fast erschlagen. Die langen Gitarrensoli sind melodisch-komplexen Parts gewichen, die das Geschehen konkreter und milder und in gleichem Maße härter und anspruchsvoller machen. Bass und Schlagzeug arbeiten wie die Tiere, wechseln die Taktfrequenzen ständig und arbeiten äußerst vital und rasant. Überhaupt scheint das Trio verschweißt, in den langen Touren vereint, sechs Arme, ein Kopf. Clayton Ingerson (Pilot), Jeff Eber (Navigator) und Kevin Hufnagel (Liaison) arbeiten einen differenzierten, komplexen JazzProgMetal aus, ohne Schlupflöcher für schlappe, weiche Noten zu lassen. Doch trotz aller schieren Perfektion ist "pretest" nicht todproduziert, sondern lebendig wie ein geiler Keiler und aufgeregt wie eine Horde Hengste, die läufige Stuten riechen. Wer diesem radikalen Druck Stand hält, erfährt Rockmusik, die glücklich macht, weil sie alles fordert und völlig erschöpft. Ein Muss für Heavy Prog Freaks mit Avantgarde Faible.

Volkmar Mantei



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