CD Kritik Progressive Newsletter Nr.45 (08/2003)
Davide Balula - Pellicule
(43:47, Active Suspension, 2003)
Das Fenster ist offen, der Wind weht die Stimmen von ein paar zwitschernden Vögel herein, die letzten Schwaden der frühabendlichen Hitze legen sich schwer in den Raum - echt geil, endlich Sommer in Deutschland! Dazu kriecht im Hintergrund mit der gleichen Schwere, wie sich die Luft ihren Weg bahnt, die Musik von Davide Balula aus den Boxen. Sätze in verschiedenen Sprachen, als musikalischer Untergrund unerwartete Experimente, wie den Effekt, den eine 9-Volt Batterie auf der Zunge auslöst, das Schmelzen eines Eiswürfels oder die gesampelten Geräusche von CD Playern und Mikrowellengeräten. Meine ich es nur oder macht diese Musik in Kombination mit der Hitze des Raumes einen noch träger und schläfriger? Ach ja, bisher klang die experimentellen Beschreibung keineswegs nach 'echter' Musik, doch die elektronischen Spielereien fristen hauptsächlich im Hintergrund ihr Dasein. Darüber erhebt sich die akustische oder auch die Stromgitarre mit sachten, folkigen Akkorden, ab und zu von der Stimme in ihrer Verrichtung durchbrochen. Bisweilen werden ganz entfernte Erinnerungen an die elektronische Welt von Radiohead's "Kid A" wach, verdichtet sich die Klangwelt in die Langsamkeit von Sigur Rós, doch diese Fragmente reichen eben doch noch nicht ganz aus, um auf Dauer Folk und Electronic = Folktronic, diese Mischung, die Davide Balula sorgsam konstruiert, zu mehr als der etwas anderen, verstörenden Musik eines lauen Sommerabends zu machen.
Kristian Selm
© Progressive Newsletter 2003