CD Kritik Progressive Newsletter Nr.40 (06/2002)

NeBeLNeST - NoVa eXPRess
(56:53, Cuneiform, 2002)

Mit dem Namen NeBeLNeST verbinde ich einer der wohl skurrilsten Konzerterlebnisse. Es war im Sommer 1999 auf dem ProgLive Festival in Corbigny (Frankreich), in dessen Rahmen die Franzosen in einer Kneipe auf dem Bürgersteig(!) mitten in der Stadt am helllichten Tag, mit vollem Lärmpegel musizierten. Ein undenkbares Ereignis im ach so liberalen Deutschland. Aber keine Angst, ich fange jetzt nicht das politisieren an. Erschien das Debüt der Franzosen vor rund drei Jahren noch bei Laser's Edge, so sind sie inzwischen bei den amerikanischen Labelkollegen von Cuneiform untergekommen. Und dies spiegelt sich auch sehr deutlich in der Musik wieder, die von Bob Drake aufgenommen, gemischt und gemastert wurde. Bereits der Erstling war kein einfacher Stoff. Inzwischen ist der sehr eigenwillige instrumentale Space Rock, der sich sehr weit in den Jazz Rock vorwagt, aber auch nicht vor jeder Menge wuchtiger, abgedrehter, crimsonesker Prog Rock Passagen Halt macht, noch um einige Nuancen avantgardistischer geworden - kein einfacher Stoff also. Vorangetrieben von druckvollen, temporeichen, teils schon fast magmaesken Rhythmen kämpfen Keyboard - vorzugsweise Mellotronsounds - und die elektrisierende Gitarre gegeneinander an. Für schöne Melodien oder Momente bleibt keine Zeit, das Quartett mag es lieber herb, kantig und sehr aggressiv. Trotzdem ersteht aus der ganzen Wucht eine eigenartig faszinierende Mischung aus sinfonischem Bombast und brutaler Dramatik. Einen Vorwurf müssen sich NeBeLNeST jedoch gefallen lassen. Trotz ihres offensichtlich vorgetragenen instrumentalen Könnens, fehlt es ihren Kompositionen an festem Gehalt bzw. Wiedererkennungswert. Die Aneinanderreihung der eigenen Expressivität verpufft zu oft in inhaltlicher Leere, sprich die fünf Kompositionen verfügen zwar über jede Menge faszinierende Einzelteile, es fehlt aber dennoch eine einheitliche Richtung mit Wiedererkennungswert. Doch dieses Manko fällt erst nach einiger Zeit auf, wenn man sich halbwegs aus dem musikalischen Sog etwas befreien kann, in denen einen der Vierer sehr gekonnt hineingezogen hat.

Kristian Selm



© Progressive Newsletter 2002